Jazz, der wohl tut: TARANCZEWSKI „When I Was“

Ein Hauch von Romantik und ein Anflug von Melancholie

Das Debütalbum des Jazztrios TARANCZEWSKI beeindruckt mit musikalischer Leichtigkeit, Eleganz und Ausdruckstiefe

Das Trio TARANCZEWSKI um den Pianisten und Komponisten Olaf Taranczewski veröffentlichte am 19.11.2021 das 11 Instrumentaltitel umfassende Album „When I Was“. Im ausführlichen Gespräch mit dem Trio spricht der Komponist aller Stücke Olaf Taranczewski nicht von Titeln oder Stücken, sondern von „Songs“. Tatsächlich sind alle Titel zwar textlos und doch musikalisch sehr beredt erzählerisch. Das suggerieren schon Titelüberschriften wie „And Everything Was Calm“, „Grönland“ oder „Take Me Home“.
Die Grundstimmung des gesamten 58-minütigen Musikprogramms ist entspannt und wohltemperiert. Die Ausstrahlung der Jazz-Klangbilder geht ins Romantische, Melancholische. Es gibt keine dramatischen Zuspitzungen, keine Brüche im Ablauf, keinerlei virtuose Artistik.
Die Hauptthemen der Musik sind melodiös, in der Verarbeitung verspielt und dem Zuhörer zugewandt.

Taranczewski - When I Was:

Die Mitglieder des Trios:

Olaf Taranczewski - piano

Olaf Taranczewski (Foto: Marcel Brell

Komponist und Pianist Olaf Taranczewski (* 30. November 1977 in Hofheim am Taunus) studierte Jazzklavier an der Musikhochschule Mainz und Jazz-Arrangement an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Seit 2006 lebt er in Berlin.
Er komponierte Musik für die Kino- und TV- Spielfilme „Mi America“ (HBO),„Schweigeminute“ (Moovie/ZDF), „Hier und Dort“ (MDR), sowie seit 2011 regelmäßig für Fernsehsendungen wie „Frontal 21“ und „Satirischer Jahresrückblick“ (ZDF), sowie TV-Dokumentationen.
Für den Score von "Dissonance" (Regie: Till Nowak) erhielt er 2015 gemeinsam mit Co-Komponist Frank Zerban den Deutschen Filmmusikpreis in der Hauptkategorie „Beste Musik im Film“ sowie den Preis für die beste Filmmusik auf dem Festival für animierte Filme in Annecy, Frankreich. 2009 gewann er den Preis für die beste Filmmusik beim Lünen Film Festival für den Dokumentarfilm „Anne Perry – Interiors“.
Mit Visual Artist Phil Max Schöll (Weltraumgrafik/Pfadfinderei) realisierte Olaf Taranczewski die Fassadenprojektion „Hommage Collage“ in Weimar. Er trat auch als Komponist für Theaterproduktionen wie „Der Zerbrochene Krug“ (Theater Magdeburg) und die Operette „Turnadot“ mit dem Musik-Comedy Duo Carrington & Brown in Erscheinung. Für den Oscar-nominierten Komponisten Volker Bertelmann arrangierte er Orchester- und Streichquartettversionen für Auftritte in der Elbphilharmonie und dem Berliner Konzerthaus.
Seit 2017 ist Olaf Taranczewski Professor für Producing mit Schwerpunkt Jazz & Pop and der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen.

Jean-Philippe Wadle - bass

Jean-Philippe Wadle (Foto: Marcel Brell

Kontrabassist Jean-Philippe Wadle (* 19. September 1980 in Pirmasens) gewann in den Jahren 1998 und 2001 den 1. Preis bei Jugend jazzt und studierte zwischen 2002 und 2006 an den Musikhochschulen von Mainz und Köln Kontrabass. 2003 gründete er sein eigenes Bassface Swing Trio, das bis heute besteht. Wadle hat mit Musikern wie Tom Gaebel, Dee Dee Bridgewater, Lalo Schifrin, Tony Lakatos, Axel Schlosser, Ralf Hesse, Scott Hamilton, Manfred Schoof, Ack van Rooyen, Hans Dekker, Bruno Müller, HR BigBand, Wolfgang Haffner, aber auch mit Katja Ebstein, Marshall-Alexander und Tony Marshall gearbeitet und gehört seit 2015 zum Quartett von Emil Mangelsdorff.
Er ist auch auf Alben von Gee Hye Lee, Daniel Stelter, Andreas Gabalier und Eugene Ruffulo zu hören. Touren führten ihn neben zahlreichen Konzerten im europäischen Raum in die USA und nach Südkorea. Jean-Philippe Wadle lebt in Ingelheim am Rhein.

Benedikt Stehle - drums

Benedikt Stehle (Foto: Marcel Brell)

Schlagzeuger Paul Benedikt Stehle (* 9. Dezember 1984 in Sigmaringen) zog mit 17 Jahren nach Berlin, um professioneller Musiker zu werden. Nach Auditions für das Berklee College of Music und das Los Angeles College of Music erhielt Stehle zwei Stipendien und studierte in den USA.
Nach dem Studium tourte er für zwei Jahre in den USA und Indonesien. Er lebte und arbeitete in dieser Zeit in der New Yorker Musikszene. Unter anderem tourte er in dieser Zeit als fester Schlagzeuger mit Sammy Adams, einem aus Boston stammendem Rapper. 2008 ging Stehle zurück nach Berlin und arbeitete Live, im Studio, und im Fernsehen, unter anderem mit Beth Hart, Mousse T., Barbara Tucker, Dendemann, Emma Lanford, Eugene Hütz (Gogol Bordello), Della Miles, Steve Lillywhite, Mo’ Blow, The Weather Girls, Aly Keïta, Joachim Deutschland und Balbina.
Neben der Tätigkeit als freier Sessionmusiker ist er festes Bandmitglied bei dem Popsänger Alexander Knappe und der rumänischen Balkanband Fanfare Ciocărlia. Mit dieser Gruppe steuerte er 2020 mehrere Titel zum international erfolgreichen Spielfilm „Borat Subsequent Moviefilm“ (Borat 2) von Sacha Baron Cohen bei. Hier ist er nicht nur als Schlagzeuger, sondern auch als Sänger der Balkan-Version des Klassikers „Just the two of us“ im Abspann des Films zu hören.

Am 13. Dezember 2021 konnte ich ein ausführliches Gespräch mit dem Trio führen. Das Gespräch ist hier in voller Länge als Podcast zu hören

Ausschnitte aus diesem Gespräch werden mit der dazugehörenden Musik in meiner Sendung Kramladen im Webradio ByteFM am 06.01.2022, 23-24 Uhr und am 08.01.2022, 14-15 Uhr zu hören sein – anschließend auch in radio-rebell.

Der Infotext zur Sendung:
Ob das in diesen Zeiten einer scheinbar nie enden wollenden Pandemie ein neuer grundsätzlicher Trend ist? Imaginative Musik, die zur Entspannung beiträgt und das Wohlgefühl steigert. Jenseits von Yoga-Begleitmusik und Meditations-Apps findet sich unter den Neuveröffentlichungen in zunehmendem Maße ambitionierte instrumentale Musik zwischen Ambient-Soundscapes, impressionistischem Kammerpop und spirituellem Jazz. Mit Letzterem hat das Album „When I Was“ von Taranczewski zu tun. Ein Hauch von Romantik, ein Anflug von Melancholie und ein Gefühl von belebendem Trost durchzieht die melodiebeseelte Improvisations-Musik des Debütalbums des Jazztrios Taranczewski. Mit Klavier, Kontrabass und variablem Schlagzeug durchstreift das Trio im ruhigen Schrittmaß offene Klangwelten, die als Soundtrack für Naturdokumentationen , lyrische Erzählungen oder poetisches Tanztheater gedacht sein könnten. Die teils auskomponierten, teils frei improvisierten Themen beeindrucken durch musikalische Leichtigkeit, Eleganz und Ausdruckstiefe. Das ist Jazz, der wohl tut.

Hier ist eine Zusammenfassung der Sendung v. 06.01.22 mit kompletter Moderation, Interviewausschnitten und nur kurz angespielten Musiktiteln zu hören:

Taranczewski - 'And Everything Was Calm' at Funkhaus Berlin, Studio P:

„Ligature“, der siebte Titel des Albums „When I Was“ war zuvor schon im September 2019 innerhalb der EP „Ligature“ von Olaf Taranczewski erschienen, allerdings in einem völlig anderen, orchestralen Arrangement, aufgenommen vom Moscow Bow Tie Orchestra unter der leitung von Vladimir Podgoretsky. Komposition und Orchestrierung: Olaf Taranczewski.

Im Begleitmaterial zum Album „When I Was“ schreibt Wolf Kampman:
„Die Formvollendung der Klassik, die nonchalante Spontaneität von Jazz-Klavier-Trios wie zum Beispiel Bill Evans, die Emotionalität von Americana Music, die verbindliche Nahbarkeit von Fusion Music, das epische Klangverständnis von Filmsoundtracks, die akkumulierte Reduziertheit von Minimal Music, der narrative Erzählfluss von Moritaten, die melancholische Fröhlichkeit von jiddischer Musik, die individuelle Ausdruckskraft von Chansons – all das findet auf „When I Was“ zu einer Einheit, die man so noch nicht gehört hat. Gerade weil die drei Musiker keiner bestimmten Szene fest verhaftet sind, können sie alle Luken und Pforten weit öffnen, um einzulassen, was immer zu ihrer Musik Einlass begehrt. Der feste Glaube an die Unerschütterlichkeit des mit 3 multiplizierten eigenen Geschmacks garantiert, dass es zu keinem einzelnen Zeitpunkt beliebig wird.
Imaginäre Erinnerung könnte das heimliche Motto dieser Einspielung sein. Haben wir es erlebt, geträumt, oder ist es uns nur erzählt worden? Das zutiefst Persönliche von Taranczewskis Stücken liegt gerade in der kollektiven Spurensuche, die wohl einen Jeden von uns früher oder später packt, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Dieser Umstand, wie auch die große Zeitspanne, in der die Songs entstanden sind, legt das Prädikat „zeitlos“ nahe. Flüchtig betrachtet sind Taranczewskis Stücke tatsächlich extrem zeitlos. Und doch trifft dieser Begriff nur bedingt zu. Denn nicht umsonst haben sowohl die Stücke als auch die Spurensuche des Pianisten exakt bis zum jetzigen Augenblick gewartet, um auf „When I Was“ zu kulminieren. In einer Ära, in der persönliche Biografien und Lebenswege wieder mehr Gewicht gewinnen als Staatsgrenzen, wollen alte Geschichten neu erzählt werden. Aufgrund der zahlreichen Assoziationsebenen trifft die Bezeichnung „immer gültig“ deshalb das Wesen dieser Einspielung weit besser als „zeitlos“.

Flüstern kann oft wesentlich expressiver sein als Schreien. „When I Was“ ist ein leises Album. Jedes Detail in dieser Musik entfaltet eine Wucht, die der Lautstärke nicht mehr bedarf, um sich zu manifestieren. Das ist nur möglich, weil Olaf Taranczewski, Jean-Philippe Wadle und Benedikt Stehle individuell und gemeinsam eine derart ausgeprägte Sensibilität, um nicht zu sagen ein Verantwortungsbewusstsein für jeden einzelnen Ton an den Tag legen, dass man selbst dann zuhört, wenn man gar nicht zuzuhören glaubt. Und das ist eine der größten Stärken dieser Platte. Sie gibt uns nicht vor, wie wir sie hören sollen, sondern passt sich auf wundersame Weise jeder Situation an. Diese Songs können unseren Alltag in einen Kammermusiksaal, ein Varieté, eine Eckkneipe oder eine Gartenlaube verwandeln ... und passt doch immer. Denn – das hat Olaf Taranczewski genauso verinnerlicht wie seine beiden Kompagnons – Musik ist Leben. Was sonst?“

Taranczewski Trio (Foto: Marcel Brell)

TARANCZEWSKI „When I Was“
Olaf Taranczewski - piano
Jean-Philippe Wadle - double bass
Benedikt Stehle - drums and pan drum
produced by Olaf Taranczewski & Jean-Philippe Wadle
all songs composed, recorded and mixed by Olaf Taranczewski
Album release date: 19 November 2021 CD, Digital
and Double Vinyl (180g, limited edition of 500)
Label: Hey!blau Records

Albumcover When I was

Titel Nr. 3 des Albums „When I Was“ ist eine Art musikalische Selbstreflexion des Komponisten Olaf Taranczewski und heißt entsprechend: „The Composer“