Ry Cooder – zum 75. Geburtstag

Slide-Gitarrist von Weltrang, Weltmusiker aus Überzeugung

Sein weltweit größter Erfolg war die Produktion des Buena Vista Social Club

Ry Cooder (Foto: Dani Canto, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0>, via Wikimedia Commons)

Der als Ryland Peter Cooder am 15. März 1947 in Los Angeles geborene Multiinstrumentalist, wurde ab Mitte der sechziger Jahre allmählich berühmt – vor allem als exzellenter Bottleneck/Slide-Gitarrist und Mandolinenspieler, aber auch als Musik-Alchimist, der aus Gospel, Blues, Country, Folk und World Music seine individuelle Musiksynthese zusammenbraut, die in kaum eine Stilschublade passen will.

Wegen seines Forschergeistes in Sachen afroamerikanischer Musikgeschichte und seiner Kooperationen mit indischen, westafrikanischen und kubanischen Musikern nannte man ihn schon den Nachlassverwalter traditioneller Musikrichtungen aus aller Welt.
Neben seiner Reputation als hoch geschätzter Session-Musiker gilt er auch als intuitiver und kreativer Soundtrack-Spezialist.
Dass er auch an technischer Innovation interessiert war, bewies er mit seinem Album „Bop Till You Drop“, das 1979 das erste digital produzierte Album der Popgeschichte war.

Sein wacher, gesellschaftskritischer Geist äußerte sich besonders in seiner kalifornischen Album-Trilogie „Chávez Ravine“ (2005), „My Name Is Buddy“ (2007) und „I, Flathead“ (2007). Neben brillanter Musik boten die Songs sozialkritische Texte mit zum Teil konkreten politischen Statements. Bei der Präsentation seines Albums „I, Flathead“ sagte Ry Cooder: „In der Politik geht es im Allgemeinen um Lügen und Betrug – und wenn man genauer hinsieht, steckt Geld dahinter. Die Frage, die man sich stellen muss, lautet: Wer verdient an der Politik? Dann kommt man einer Antwort schon näher."

Bei aller Ernsthaftigkeit seines musikalischen und gesellschaftspolitischen Engagements hat sich Ry Cooder auch immer einen Sinn für Humor bewahrt. So übte er sich z.B. in seinem Soloalbum „Pull Up Some Dust And Sit Down" in der Kunst der sarkastischen Ironie.
Von ihm, dem hochgeschätzten Instrumentalisten und Musikforscher, hörte man plötzlich bitter-ironische, teils fast sardonische Texte. Im Song „Humpty Dumpty World“ etwa ließ er Gott höchstpersönlich auftreten. Und was Gott über den aktuellen Zustand seiner eigenen Schöpfung zu sagen hat, das ist nicht unbedingt feine Ironie, das ist eher derber Spott mit erstaunlicher aktueller Brisanz. „Ich dachte, ich hätte das alles mal auf einen soliden Felsen gebaut, aber tatsächlich ist diese Welt nur ein Durcheinander, ein Schlamassel. Dies ist ein Globus der Konfusion, eine Welt des Wirrwarrs“, so könnte man den Refrain des Songs „Hympty Dumpty World“ von Ry Cooder frei übersetzen. „Humpty Dumpty“ ist eine Figur aus einem uralten englischen Kindervers und stellt ein menschenähnliches Ei dar, das von einer Mauer fällt und zerbricht. Auch diese Bedeutung steckt natürlich im eher sarkastisch anklagenden als ironisch schmunzelnden Song „Humpty Dumpty World“ aus Ry Cooders Album „Pull Up Some Dust And Sit Down“, das am 02.09.2011 veröffentlicht wurde.

Das 14. Studioalbum „Pull Up Some Dust And Sit Down“enthielt für Ry Cooders Verhältnisse erstaunlich viele angriffslustige und bitterböse Texte. Im Song "El Corrido de Jesse James" fordert z. B. der legendäre Revolverheld Jesse James im Himmel seinen 44er Colt zurück, weil er nicht übel Lust verspürt, da unten in der Wallstreet mal gehörig aufzuräumen. Zu seiner Zeit hätte man ihn als Banditen und Bankräuber geschmäht, aber er hätte niemals ehrbaren Bürgern ihr Haus weggenommen.
Im Countryblues „John Lee Hooker for President” parodiert Ry Cooder die Stimme und Gitarrenspielweise des verstorbenen Blues-Helden und singt: „Lasst euch von den Republikanern nicht zum Narren halten, traut nicht den Demokraten, stimmt für John Lee Hooker und alles wird groovy“.

Im bösen Weihnachtslied „Christmas time this year“ attackiert er den Ex-Präsidenten Bush und seinen Irak-Krieg und singt grimmig: „Unsere Söhne kommen nach Hause in Plastiksäcken, dann wissen wir, es ist Weihnachten dieses Jahr.“
Und im Song „No Banker Left Behind“ heißt es: „Mein Telefon klingelte eines Abends, mein Kumpel rief an und sagte, alle Banker würden abhauen, ich sollte schnell kommen und mich selbst überzeugen. Es hätte eine überraschende Enthüllung gegeben, sie hätten die Nation ausgeraubt.“

Ry Cooders Stimme wackelt hier ein wenig, seine Intonation ist etwas schief, was natürlich zum Inhalt des Songs über gierige, kleptomanische Banker passt. Natürlich sind seine musikalischen Qualitäten nicht in seinen vokalen Möglichkeiten als Sänger begründet, sondern in seiner Meisterschaft als Instrumentalist. Als Slide-Gitarrist zählt er seit Jahrzehnten zu den Besten in dieser archaischen Spieltechnik, die auf Musiktraditionen aus Afrika und Hawaii zurückgeht. Wie er mit dem Bottleneck virtuos über die Stahlsaiten der Gitarre gleitet, das nötigt jedem Gitarristen Respekt ab.

Auch seine zahlreichen Arbeiten als Filmmusikkomponist sind herausragend, um nur seine Soundtracks für die Filme von Wim Wenders zu nennen „Paris, Texas“ (1985) und „The End Of Violence“ (1997). Die bekannteste Zusammenarbeit mit Wim Wenders dürfte der Dokumentarfilm „Buena Vista Social Club“ (1999) sein, der als filmische Fortsetzung des gleichnamigen Musikalbums von 1997 entstand.

Das von Ry Cooder produzierte Album „Buena Vista Social Club“, das fast vergessene Altmeister der kubanischen Musik präsentierte und deren historischen Musikstil Son wieder belebte, stieg zum meistverkauften Album des Genres Worldmusic auf und begründete Ry Cooders Ruhm auch als Förderer weltmusikalischer Kooperationen.
So arbeitete er auch mit Musikern aus Indien und Afrika zusammen. Schon 1994 veröffentlichte er gemeinsam mit dem aus Mali stammenden Musiker Ali Farka Touré das viel beachtete Album „Talking Timbuktu“, das mit dem Grammy Award in der Kategorie „Best World Music Album“ ausgezeichnet wurde.

Siebzehn Soloalben, vielfältige Kooperationen und unzählige Mitwirkungen als Gastmusiker bei Albumeinspielungen von Captain Beefheart (1967) über Neil Young (1968), Rolling Stones (1969 und 1971) und Randy Newman (1972, 1974, 1977), Eric Clapton (1983), John Lee Hooker (1991) bis James Taylor (2002) und Warren Zevon (2003) zeugen von einem bewegten musikalischen Leben. Das bis dato letzte Album „The Prodigal Son“ von 2018 zeigt Ry Cooder in bester Verfassung und überzeugender Form.

Ry Cooder, 2015 (Foto: Steve Proctor, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commonss)