von Christine Ciampa (veröffentlicht in "Mut & Liebe", Stadtmagazin Offenbach am Main, September/Oktober 2017)
Das Erdgeschoss des unscheinbaren Hinterhauses auf der Bieberer Straße, kurz vor der Abzweigung Rhönstraße, ist eine Baustelle. Ein Maler streicht die Wände des künftigen Kunstraumes weiß, Hausherr Volker Rebell bespricht mit seinem Bauleiter Pläne für die weitere Sanierung. An die einstige Nutzung als Spezial-Werkstatt für die Herstellung von Gewindewerkzeugen erinnern nur noch zwei übriggebliebene Maschinen, die schon fast museumsreif aussehen.
Mit dem Verkauf der Fabrik in 2015 ging eine 90-jährige Offenbacher Firmengeschichte zu Ende. Doch bei Rebell ist keine Wehmut zu spüren, obwohl er über der Werkstatt aufgewachsen ist und als Kind viele Stunden mit Hund Rexi im Hof gespielt hat. Denn es gibt nicht nur schöne Erinnerungen. Der gelernte Werkzeugmacher und studierte Maschinenbau-Ingenieur ist über viele Jahre hinweg auf Druck der Eltern und nur mit Widerwillen in die Fußstapfen seines Vaters getreten, der die Firma 1924 gegründet hatte. „Wenn ich morgens noch im Bett lag, haben die Arbeiter mit Stangen gegen die Decke geklopft, um ihren Juniorchef zur Pflicht zu rufen", erinnert er sich.
Zwei verschiedene Leben
Volker Rebell ist vielen Hörern als langjähriger Radiomoderator bei HR3 ein Begriff. Ab 1970 präsentierte er in beliebten Sendungen wie Volkers Kramladen Popmusik, Künstler und Interviews abseits des Mainstreams. Nebenbei schrieb er Konzertberichte, produzierte eigene Tonträger, veröffentlichte Bücher über Frank Zappa und die Beatles. Dass der leidenschaftliche Musikfan gleichzeitig einem Vollzeit-Job in der elterlichen Fabrik in Offenbach nachging, der auch seine finanzielle Basis bildete, wussten nur wenige. „Ich habe zwei verschiedene Leben gelebt, das war nicht immer einfach", sagt er dazu.
2008 „trennte" sich der Hessische Rundfunk von ihm und seinem Kollegen Klaus Walter (Kultsendung Der Ball ist rund). Das Autorenradio war zum „Anachronismus" (Rebell) geworden und hatte den Kampf gegen die computergenerierte Musikrotation mit maximal anderthalbminütigen Moderationshäppchen endgültig verloren. Doch Rebell wäre nicht Rebell, hätte er sich daraufhin in den kreativen Ruhestand begeben. Anfang 2009 belebt er seinen Kramladen im preisgekrönten „Webradio für gute Musik" ByteFM wieder, er schreibt Bücher und entwickelt eigene Formate wie „Heine goes Pop" oder - zusammen mit Moritz Stoepel - „Dylan auf Deutsch", mit denen er durch Hessen tourt.
Meine erste Leidenschaft ist das Radio
Als Rebell nach der Firma auch das Gebäude verkaufen will, schlägt seine Lebensgefährtin ihm vor, es anstatt dessen als Plattform für seine Projekte zu nutzen. Nach anfänglicher Skepsis stürzt er sich in den Umbau. Die erste Etage ist zwischenzeitlich fertig gestellt und dient als Studiobühne mit Wohnzimmer-Atmosphäre, es gibt Platz für 50 bis 60 Personen. Erste Veranstaltungen und Konzerte für geladene Gäste haben bereits stattgefunden. Ein Höhepunkt war die Release-Party für ein Großprojekt, an dem Volker Rebell mit Freunden über Jahre hinweg „gebastelt" hatte: Eine Mediabox aus Anlass des 75. Geburtstages von Paul McCartney mit fünf Hörbuch-CDs und zwei Büchern.
Künftige Auftritte von Musikern, Autoren, Kleinkünstlern will er für sein lange geplantes Webradio in Eigenregie (Radio-Rebell) aufzeichnen, auch das Publikum soll mit einbezogen werden. „Radio ist immer noch meine erste Leidenschaft" sagt Rebell und strahlt.
Ich krame, also bin ich ...
Mitte November, wenn auch das Erdgeschoss fertig renoviert ist, soll die offizielle Eröffnung der „Rebell(i)schen Studiobühne & Galerie" stattfinden, einige langjährige Wegbegleiter haben ihren Auftritt bereits zugesagt. Der Tausendsassa, der im vergangenen April 70 geworden ist, sprudelt nur so über vor Ideen. Über die Live-Musik hinaus möchte er Ausstellungen (mit passenden Menüs zur Vernissage), Lesungen, Kleinkunst, Kabarett, Vorträge, Tagungen, Feste und Tanzparties veranstalten, den Nachwuchs fördern, neue Kooperationen eingehen und und und. Es scheint, er bleibt seinem Leitmotiv treu: „Ich krame, also bin ich ..."