Randy Newman – zum 80. Geburtstag

Aus dem Archiv: ein Interview mit Randy Newman vom Juni 2008

Podcast zum Album „Harps and Angels“ vom August 2008, inklusive Randy Newman-Interview

 

„Life is sweet on easy street“, sang der Popspötter Randy Newman in diesem Song seines Albums „Harps and Angels“. Harfenklänge und Engelsstimmen aus dem Jenseits hatte das Album nicht zu bieten, aber einiges zum Lachen und zum Nachdenken. Pop und Rock war diesmal nicht im musikalischen Angebot, dafür sehr viel Kino fürs Ohr, also filmmusikähnliche Orchester-Arrangements – kein Wunder, seine letzten Veröffentlichungen der vorausgegangenen Jahre waren alles Filmsoundtracks für Hollywood. Sein letztes Songalbum lag damals ganze neun Jahre zurück. Zum damaligen Album „Harps and Angels“, das am 5. August 2008 veröffentlicht wurde, ist hier ein ausführliches Interview dokumentiert, das der Journalist Thomas Östreicher am 20.06.2008 mit Randy Newman geführt hatte.
Aber zunächst ein Blick zurück ins Jahr 1999 als Randy Newman brillantes Album „Bad Love“ erschien.
Die berühmte Rock-Satire „I’m Dead (But I Don’t Know It)“ sorgte damals für viel Gelächter und Zustimmung. Die Geschichte über einen alternden Rock-Star, der nur noch ein dünner Aufguss seiner selbst ist und es als einziger nicht merkt, hatte Randy Newman auch gar zu lustvoll böse und sarkastisch zelebriert. Diesen Spott-Song hatte er mit etlichen Rock-Klischee-Zitaten angereichert und so ein kleines Meisterwerk in Sachen „Hit und Hohn“ geschaffen.

 

 

Sein folgendes Werk „Harps and Angels“ hatte nun so gar nichts mehr mit Rock zu tun, nicht mal mit Rock-Satire. Ob man das bedauerte oder nicht, Randy Newmans neue Songs hielten eher die Harfe in der Hand, als die E-Gitarre. Und er selbst hielt den Taktstock des Dirigenten in der Hand. Denn fast alle seiner neuen Songs des Albums „Harps and Angels“ waren mit großem Orchester ausgeführt und erinnerten im Stil des Arrangements an die Filmmusik Hollywoods in der glorreichen Zeit der 1930er und 40er Jahre. Randy Newman knüpfte damit an eine ruhmreiche Vergangenheit seiner eigenen Familie an. Drei seiner Onkel waren erfolgreiche Hollywood-Komponisten. Und diesen Weg ging er, zumindest teilweise auch. So hatte er zum Beispiel die Filmmusik zum Kinofilm von George Clooneys Sportkomödie „Leatherheads“ komponiert, die im Juni 2008 unter dem deutschen Titel „Ein Verlockendes Spiel“ in die Kinos kam. Den Soundtrack hatte Randy Newman mit dem „Hollywood Studio Symphony“ Orchester aufgenommen – und einen Teil der Orchestermusiker Hollywoods hörte man dann auch auf Randy Newmans Album „Harps and Angels“.

 

Randy Newman (Foto: 1 Angela George, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons)

Die große Kunst der Hollywood-Arrangeure beherrscht er schon lange perfekt und geht sogar noch darüber hinaus, wenn es um die musikalische Darstellung von Ironie und Witz geht. Wie gut er darin war, bewies auch der Song „Laugh And Be Happy“, in dem Randy Newman den Immigranten, die in den USA nicht klarkommen, den scheinbar gut gemeinten Rat gab, trotz aller Probleme: „Laugh And Be Happy“. Das war textlich ziemlich zynisch, musikalisch clever gemacht, im Stil eines Charleston begnadet arrangiert, insgesamt: einfach großes Kino.

 

 

In nur 2 Minuten und 15 Sekunden wird musikalisch die Geschichte des Charleston abgehandelt und die Trickkiste der Hollywood-Filmmusik-Komponisten und -Arrangeure mal kurz durchgemustert. „Laugh And Be Happy“ war ein typischer Song für das Album „Harps and Angels“ von Randy Newman, vor allem was die stilistische Ausrichtung und die arrangementtechnischen Raffinessen anging. Neben witzigen bis bitterbösen Satiren fanden sich auch wieder bewegende Balladen im Songprogramm, auf das seine Fans ganze neun Jahre warten mussten. Wieso braucht Randy Newman eigentlich so lange? Der Journalist Thomas Östreicher hatte am 20. Juni 2008 Randy Newman zu interviewen. Und dabei stellte er natürlich die Frage, warum es diesmal neun lange Jahre gedauert hatte. Und die Übersetzung von Randy Newmans Antwort hat Thomas Östreicher gleich mitgeliefert.

 

 

Randy Newman hatte dann wieder – wie üblich – deutlich weniger geschrieben aber in seinem typischen Stil – und darin ist er ja auch am besten, wenn er auf seinem Klavier die Bluesakkorde spielt mit Ragtime-Dynamik, Swing-Appeal, Honkytonk-Verve oder Country-Sentiment – und wenn er dazu eine seiner typischen Geschichten ins Mikrofon nuschelt, z.B. über einen älteren Herrn, der sich in ein blutjunges Mädel verliebt hat und sich fragen lassen muss, warum ein hübsches junges Ding wie sie sich mit einem alten Mann wie ihm abgibt, könnte es nicht am Geld liegen? – und der alte Bock will das gar nicht hören und murmelt, so hätte er das noch nie gesehen. Was ist die Moral von der Geschichte: Liebe macht nicht nur blind, sondern auch taub.

 

 

„Only A Girl”, ist eine dieser typischen Songgeschichten von Randy Newman über einen ältlichen Liebhaber, der sich im zweiten Frühling wähnt, und, vor Liebe blind und taub, sich von einer jungen Göre an der Nase herumführen lässt. Musikalisch klang vieles im Album „Harps and Angels“ nach Dixieland und Shuffle und all den Spielarten, die in New Orleans vor 60 bis 80 Jahren en vogue waren und es dort bis heute auch noch sind. Also hat Kollege Thomas Östreicher im Interview mit Randy Newman die Sprache darauf gebracht, dass das Album „Harps and Angels“ stilistisch-musikalisch an sein Südstaaten-Album „Good Old Boys“ von 1974 erinnere, und dass die neuen Songs, trotz der teilweise komplexen Arrangements sehr traditionell klingen würden.

 

 

 

„Losing You“ ist eine dieser traurigen Balladen, die anrührend sind, aber niemals rührselig, weil schon alleine Randy Newmans schnoddrig schräge Sprechsingweise jede Kitschgefahr gar nicht erst aufkommen lässt. Obwohl die Gefahr manchmal nicht so ganz gering sein konnte, setzte er doch oft viele Streicher ein, mit manchmal gar zuckrigen Arrangements. Aber echte Streicher müssen es bei ihm schon sein. Synthetisches kommt bei ihm nicht in die Aufnahme

 

 

Manchmal leicht schief sang er auch im Schluss-Song des Albums „Harps and Angels“, aber diese kleinen Intonationswackler und -reibungen müssen bei ihm sein und machen den Charme und die Authentizität seiner Stimme aus, vor allem bei solch sentimentalischen Balladen, die auch noch mit Streicherzuckerguss versüßt werden. Da wird die ganze rührende Ballade vorm Absturz in den tränenseligen Kitsch nur durch seine unperfekte, menschlich ehrliche Stimme gerettet.
Die schön sentimentalische Ballade „Feels Like Home“, die Bonnie Raitt schon 1995 gültig interpretiert hatte, sang nun der Meister selbst, ohne sentimentales Pathos aber mit viel brüchigem Gefühl.

 

 

Randy Newman, der am 28. November 2023 seinen 80. Geburtstag feiert wird, ist ein gefragter Filmmusikkomponist in Hollywood. Sein Song- Album „Bad Love“ von 1999 war mit nur 60.000 verkauften Exemplaren in den USA und 80.000 in Europa wahrlich kein kommerzieller Erfolg, das sollte sich auch mit dem Folgealbum „Harps and Angels“ nicht entscheidend ändern. Das Titelstück des Albums erzählt die Geschichte von einem Sterbenden, der am Straßenrand in New Orleans liegt und schon die Harfen und Engel hört. Doch dann taucht Gott persönlich auf und macht dem zwischen Leben und Tod Schwebenden klar, dass man ihn nicht im Himmel oder im Fegefeuer aufnehmen könne, es hätte da eine bedauerliche Verwaltungspanne im klerikalen Management gegeben. Und der jazzige Shuffle dazu, der grinst sich eins.

 

 

Gott hat's auch nicht leicht und muss in dieser Songgeschichte die Fehler seiner Mitarbeiter im göttlichen universalen Unternehmen wieder gerade biegen. „Harps and Angels“, das Titelstück des Randy Newman-Albums von 2008 ging das Thema Gott und Tod gewohnt ironisch, humoristisch an. Gott und Tod, das ist ein Themenpaar, auf das Randy Newman sozusagen abonniert ist. Kollege Thomas Östreicher fragte ihn, ob der Eindruck richtig sei, Randy Newman sei auf Gott hin und wieder richtig ärgerlich.

 

 

Unvergessen bleibt Randy Newmans Musical Faust über Gott, den Teufel, und die Religion. Im Song „How Great Our Lord” zeigt sich Gott gelangweilt von den Engelschören, die ihm ständig huldigen. Aber er fühlt sich auch genervt von diesen ewigen Fragen, warum da unten alles drunter und rüber geht, oder warum die Vögel durch die Luft fliegen, während der Apfel vom Baum herunterfällt. Und Gott antwortet auf diese blöden Fragen immer nur: „Ach ,was weiß ich“ ... und wenn ein Engel dann fragt: „Aber du weißt es doch, oder?“, dann antwortet Gott genervt: „Du sagst es, also sing es: How Great Is Our Lord“. Die Rolle des Lord spielte und sang James Taylor.

 

 

Das war eine kurze Rückblende ins Jahr 1995, in Randy Newmans Musical „Faust“, das ziemlich pointenreich, satirisch und humorvoll war. Wie ist das mit der komischen Ader von Randy Newman. Fühlt er sich speziell mit dem jüdischen Humor verbunden, fragte Kollege Thomas Östreicher.

 

 

 

Am Rande des Asien-Kitschs bewegen sich die Musikzitate in diesem Song „Korean Parents“, der von koreanischen Einwanderern handelt, die sich päpstlicher geben als der Papst – respektive amerikanischer als der gemeine Yankee. Einer der musikalisch aber auch textthematisch auffälligsten Songs des Albums „Harps and Angels“ ist „Piece of the Pie“ überschrieben. Kollege Östreicher fragte Randy Newman nach diesem, bei ihm in dieser Schärfe und Klarheit selten vorkommenden explizit politischen Kommentar zu den sich verschärfenden sozialen Konflikten in den USA.

 

 

Da hört man natürlich, dass Randy Newman trotz aller Häme und Schelte, mit der er die damalige Bush-Regierung anging, doch ein Patriot bleibt. Auch das macht das Interview hörbar, wenn er darauf hinweist dass es mit Berlusconi woanders noch schlimmere Politiker gibt - allerdings: Einen Krieg hatte Berlusconi nicht angezettelt.
Noch ein paar Worte zu dem angesprochenen Song „Piece Of The Pie“, in dem Randy Newman alle Register der Arrangierkunst zog. Ein solch furioses Spiel mit Stilformen, Anspielungen und Musikpointen hatte man seit Frank Zappa nicht mehr gehört. Obwohl das orchestrale Arrangement klanglich mehr mit dramaturgischer Filmmusik oder mit szenischen Songs von Brecht/Weill zu tun hat als mit Zappas Rocktheater. Doch dessen spöttischen Witz im kunstvoll gedrechselten Ablauf haben Randy Newmans Arrangements allemal. Mitten im Song zanken sich plötzlich flämische und wallonische Belgier. Danach geht es sofort wieder um die soziale Schieflage in den USA: Wenige werden reicher, für alle andern geht’s bergab – und keinen kümmert’s, außer Jackson Browne, so spöttelt der Text. Auch John Cougar Mellencamp kriegt sein Fett weg, weil der einen seiner patriotischen Songs an General Motors verkauft habe. Doch wenn es mit GM den Bach runter ginge, könne er ja noch einen Song an Toyota verscherbeln, so spekuliert sarkastisch der Songtext. Worauf erboste Konservative innerhalb der Songgeschichte dem Sänger ins Wort fallen und wütend schimpfen, das sei nicht wahr, John sei ein Patriot, anders als du! Mit diesem „du“ ist natürlich der Sänger Randy Newman gemeint.
Und was sagt Bono zu alledem? Der ist ja wiedermal in Afrika unterwegs, immer dann, wenn man ihn mal braucht. Auch dies ist zwischen den Zeilen zu lesen. Und all das, dieser ganze Wahnwitz an espritvollen Gedankensplittern, dieses ganze fulminant sich ergießende Füllhorn an überbordenden Musikideen, das alles findet statt in gerade mal 2 Minuten und 40 Sekunden.

 

 

„A Piece Of The Pie“, jeder will seinen Anteil am Kuchen, das ist, kurzgefasst, die Botschaft dieses Songs, der in arrangementtechnischer Hinsicht den Höhepunkt dieses an Arrangement-Höhepunkten nicht gerade armen Albums darstellt. Bastelt Randy Newman mit solchen Künsten bereits an seiner Unsterblichkeit. Was bedeutet für ihn so etwas wie Vermächtnis und Unsterblichkeit?

 

 

 

"Potholes" ist ein weiterer brillanter Randy Newman-Song aus dem Album Harps and Angels. Knauserige 34 Minuten kurz ist das gesamte Album Harps and Angels, enthält aber 10 Songs mit hoher Informationsdichte. Die musikalische Ausführung der Songs zeigte eine besondere Nähe zum Stil der orchestralen Filmmusik, mit der sich Randy Newman in den letzten Jahren vornehmlich beschäftigt hat.?
Die Annäherung an Rock-Arrangements früherer Produktionen – und vor allem seine Flirts mit dem Pop-Mainstream – waren mit diesem Album jedenfalls erst einmal passé.
Der Journalist Thomas Östreicher hatte am 20.06.2008 die Gelegenheit, ein exklusives Interview mit Randy Newman zu führen. Dieses hoch informative und aufschlussreiche Interview, das für die Sendung hr3-rebell vom 03.08.2008 produziert worden war, sollte hier aus Anlass des 80. Geburtstag von Randy Newman noch einmal zu hören sein.

Der vorstehende Text entspricht weitgehend dem Manuskript meiner Sendung vom 03.08.2008 (Volker Rebell)

 

RandyNewman nojhf May12008