Der Prachtband im Schuber: Lyrics - 1956 bis heute - Mein Leben in 154 Songs - in 2 Bänden
Unglaublich, das Weihnachtsgeschäft des Jahres 2021 wird im Bereich Pop wieder mal von den Beatles dominiert – und das 52 Jahre nach ihrer Trennung. Die Neuabmischung ihres Schwanengesang-Albums „Let It Be“ wurde als Super-Deluxe-Box mit 5 CDs, einer Blue-ray-DVD und einem dicken Hardcover-Buch im Schuber am 15. Oktober 2021 veröffentlicht. Ebenfalls im Schuber, aber noch dicker, noch schwerer und natürlich noch viel spektakulärer erschien pünktlich zum Weihnachtsgeschäft Paul McCartneys Songkompendium „The Lyrics“ in zwei Bänden. 912 Seiten umfasst das Großwerk mit Vorwort und Einleitung – eine Art Autobiografie: „sein Leben und sein Werk im Prisma von 154 eigenen Songs in alphabetischer Reihenfolge angeordnet“ (Klappentext). Neben den abgedruckten Songtexten (auf 156 Seiten) enthält das Mammutwerk eine Vielzahl von Faksimiles handschriftlichter Texte, Notizen, Postkarten, Briefe, Kalenderausrisse und Zeichnungen; darüber hinaus auch private Fotos, Plakate, Gemälde und vor allem mehr oder minder umfangreiche/aufschlussreiche Kommentare zu jedem einzelnen der vorgestellten Songs.
McCartneys Lyrics geadelt von einem preisgekrönten Lyriker
Diese essayistischen Erzählungen sind das Kernstück der „Lyrics“-Bände, weil sie biografische Anekdoten und zeitgeschichtliche Erinnerungen mit dem Versuch der Interpretation der Songtexte teils in assoziativer Herangehensweise verbinden. Die oft sehr privaten Kommentartexte entstanden in einer Reihe von 24 Gesprächen, die Paul McCartney in den Jahren 2015 bis 2020 mit seinem Ko-Autor, dem renommierten Lyriker und Pulitzer-Preisträger Paul Muldoon, führte. Wie die Familie McCartney ist auch Paul Muldoon irischer Abstammung, macht neben seiner schriftstellerischen und journalistischen Arbeit auch Musik, schreibt eigene Songs und gehört bei aller Wertschätzung für den Musiker und Songschreiber Paul McCartney nicht zu den „übertriebenen Fans, die jedes gesprochene Wort gleich in heilige Schrift verwandeln“ wollen, wie es Paul McCartney in seinem Vorwort formulierte. In der späteren Überarbeitung der jeweils zwei- bis dreistündigen Gespräche ist die Dialogform zwischen den beiden Pauls genauso verschwunden wie die Eingangs- und Zwischenfragen von Paul Muldoon. Übrig blieben wohl formulierte, informative Fließtexte, die für Beatles/McCartney-Kenner keine sensationellen Neuigkeiten enthalten, aber als Lektüre amüsant zu lesen und durchaus auch aufschlussreich sind.
Ein lohnendes Weihnachtsgeschenk für die Fans
In Gänze gesehen ist die Werkschau der Songtexte von Paul McCartney ein Prachtband für alle Beatles/McCartney-Anhänger, weil die private Schatztruhe für das Werk geöffnet wurde und weil der Songschreiber Paul McCartney nun erstmals auch als kompetenter Texter und Lyriker gewürdigt wird.
Seine fast als genial zu bezeichnenden Fähigkeiten als Musiker und Song-Komponist sind allgemein bekannt und anerkannt, doch hinter die Qualität seiner Songtexte wurden und werden große Fragezeichen geschrieben. Denkt man an textliche Banalitäten wie etwa in seinen Songs „Bib Bop“, „Oo You“, „Mumbo“ oder „Check My Machine“ bleiben diese Fragezeichen auch bestehen. Auch bei seinen kinderlied-ähnlichen, auch musikalisch beschränkten Beatles-Songs wie „All Together Now“ „Yellow Submarine“ oder „Obladi Oblada“ hat er sich nicht unbedingt mit textlich-literarischem Ruhm bekleckert.
McCartney in der Tradition von Shakespeare und Dickens?
Aber um Literatur und um literarische Bezüge, Querverweise und Meriten geht es ständig in den Kommentartexten des „Lyrics“-Bandes. Da wird der Schlusszweizeiler von „The End“ mit Shakespeare verglichen, der Narr in „Fool On The Hill“ mit dem Narr aus „King Lear, der dem alten König die Wahrheit sagt“ (McCartney). Die populäre Machart des Hits „Come And Get It“, den McCartney für Badfinger schrieb, wird mit Shakespeare und Dickens verglichen. Warum? Weil die ja auch ganz bewusst für die Bedürfnisse des Publikums geschrieben hätten. Der Roman „The Go-between“ des Schriftstellers Leslie Poles Hartley von 1953 erscheint als denkbare Vorlage für den Text von „She Loves You“. Und „Let It Be“ klingt plötzlich nach dem Hamlet-Monolog.
Dem ganzen Lyrics-Werk ist ein Zitat von William Shakespeare aus Hamlet, Akt I. 3. Szene vorangestellt: „To thine own self be true“. Könnte Paul McCartneys bekannte Neigung zur Eitelkeit hier eventuell etwas über die Stränge schlagen?
Lennon/McCartney oder Paul McCartney und John Lennon?
Apropos. Bei der Urheberschaft für „She Loves You“ steht übrigens „Paul McCartney und John Lennon“, nicht wie bei allen Credits der Beatles-Songs üblich, die von den beiden Ober-Beatles gemeinsam geschrieben wurden, „Lennon/McCartney“. Das mag bei Beatles-Songs verständlich sein, die McCartney nachweislich alleine geschrieben hat, wie etwa „Yesterday“, „Blackbird“, „Hey Jude“ und „The Long And Winding Road“. Aber ist das auch verständlich bei „I Want To Hold Your Hand“, einer Gemeinschaftskomposition mit verbrieftem 50/50-Anteil beider Autoren? Oder bei „Ticket To Ride“, der Single von 1965, zu der John Lennon „60% beigesteuert“ habe, wie Paul in einem früheren Interview selbst bestätigte? Auch hier steht im Buch „Lyrics“ als Autorenangabe „Paul McCartney und John Lennon“, genauso wie bei „I’ve Got A Feeling“, der Songmontage aus dem „Let It Be“-Album, bestehend aus dem Songfragment „I’ve Got A Feeling“ von Paul und dem Songfragment „Everybody Had A Hard Year“ von John.
Da fühlt man sich als Bewunderer der McCartney-Songkunst peinlich berührt und fragt sich, warum hat er das nötig?
Die besten Songtexte wurden nicht berücksichtigt?
Der Untertitel der beiden Lyrik-Bände lautet „1956 bis heute“. Nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl der 154 Songs? Schließlich hat Paul McCartney seit seinem ersten Song, den er als 14-jähriger schrieb, rund 500 Songs geschrieben – wenn man auch die bislang unveröffentlichten, nur aus Bootlegs bekannten Songs mitzählt. Man sollte doch annehmen, dass auch die besten Texte, die von Fachleuten entsprechend tituliert wurden, Eingang gefunden hätten. Aber von den sechs gemeinsam mit Elvis Costello geschriebenen Songs, die auch musikalisch, aber vor allem textlich mit zum Besten gezählt wurden, was auf McCartney-Alben je zu hören war, wurde kein einziger berücksichtigt.
Im Kommentar zu seinem Nr.1-Hit „Mull of Kintyre“, den er gemeinsam mit dem Wings-Gitarristen Denny Laine schrieb, erwähnt er seinen Ko-Komponisten mit keinem Wort. Im Text über den besten Song der Beatles-Geschichte „A Day In The Life“, der mindestens zu zwei Dritteln den drei musikalisch wie textlich brillanten Strophen von John Lennon und nur zu einem Drittel dem Mittelteil und der in der Tat außergewöhnlichen, orchestralen Glissando-Idee von Paul McCartney zu verdanken ist, beweihräuchert er sich nur ob seiner Avantgarde-Nähe zu „Stockhausen, Luciano Berio, John Cage“ (Mc Cartney) und widmet sich fast über die Hälfte des Kommentartextes nur seiner Organisation des berühmten Orchester-Crescendo – während der Hauptautor des Songs im ganzen Text kein einziges Mal vorkommt.
Einerseits unterschlägt er Lennons Namen, andererseits handelt das Buch immer wieder von ihm
Tatsächlich aber ist auf den vielen Seiten des Doppelbandes von niemand anderem so oft die Rede wie von John Lennon. Doch neben der offensichtlichen Zuneigung zu seinem Expartner, Freund und Lieblings-Koautoren und neben dem großen Respekt vor der Persönlichkeit und künstlerischen Gestaltungskraft seines kreativen Konkurrenten schwingt durchgängig das zeitlebens größte Dilemma des Paul McCartney durch, dass er der Popöffentlichkeit immer und immer wieder begreiflich machen muss, dass die allgemeine Sichtweise falsch ist, er habe nur die zweite Geige bei den Beatles gespielt und John Lennon sei der intelligentere und genialere Beatle gewesen. Dass das Gegenteil der Fall ist, davon scheint Paul McCartney überzeugt zu sein. Und es wurmt ihn bis heute, dass viele das nicht einsehen wollen.
Dennoch: mit seinem aufwändig und liebevoll gestalteten Doppelband „Lyrics“ macht Paul McCartney jedem Beatles/McCartney-Fan ein großes Weihnachts-Geschenk zum Preis von 78 Euro.
Resümme:
Songtexte und Songs sind zweierlei – das weiß man. Bei fast allen Songtexten von Paul McCartney wird überdeutlich, dass sie als eigenständige Lyrik kaum bestehen können, aber im Verbund mit der Musik einen wichtigen Beitrag zur brillanten Songkunst von Paul McCartney liefern. Als Songkomponist ist er in der Popgeschichte fast unerreicht. Doch die Qualität seiner Songtexte erreicht – wenn überhaupt – nur selten das Niveau seiner Musik.
Die verkürzte Sendung zum Thema, mit kompletter Moderation, aber nur kurzen Musikausschnitten, ist hier zu hören:
Die Playlist zur Sendung:
Artist / Track / Album / Label / Zeitplan
1. L. Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik) /Touch Me There / Zappa Records / 01:04
2. Paul McCartney / Winter Bird, When Winter Comes / McCartney III / Capitol, Universal / 04:15
3. Paul McCartney / And I Love Her / Unplugged (The Official Bootleg) / Parlophone, Capitol / 11:10
4. Ted Chippington / She Loves You / Man In A Suitcase / Vindaloo Records / 16:57
5. The Beatles / I’ve Got A Feeling / Let It Be ... naked / Apple / 21:04
6. Paul Vincent / I Saw Her Standing There / My Beatles Songbook / Bell Records, Luxus Musik / 27:30
7. Paul McCartney / The Other Me / Pipes Of Peace / Parlophone, Columbia / 33:46
8. The B-52’s / Paperback Writer / B-52’s Track Drives Car Ad / Sony, ATV / 40:37
9. Freedom Fry / Paperback Writer / Come Bring Your Love / Bandcamp.com / 44:31
10. The Beatles / A Day In The Life / Love / Apple / 49:06
11. Paul McCartney / Uncle Albert/Admiral Halsey/ Ram / Apple, EMI / 57:43
Das folgende Interview mit Paul McCartney wurde vom Verlag C.H. Beck zur Verfügung gestellt. Aus dem Englischen von Conny Lösch
Das Buch enthält so viele unglaubliche Dinge aus Ihrem Archiv - haben Sie im Lauf Ihrer Karriere denn darauf geachtet, Erinnerungsstücke aufzuheben und zu archivieren?
Paul McCartney: Normalerweise denke ich an so etwas gar nicht, was aber ein Nachteil ist, weil ich immer wieder Textnotizen im Aufnahmestudio liegen gelassen habe, da ich sie ja nur für die Gesangsaufnahmen brauchte und mir nicht bewusst war, dass sie darüber hinaus einen Wert besitzen. Mit der Zeit haben andere aber diese Zettel und Blätter gesammelt, und eines Tages bin ich im Britischen Museum herumspaziert und habe in einer der Vitrinen mein Original-Textblatt für „Yesterday" entdeckt, da ist mir das dann schlagartig bewusst geworden. Ich selbst war also nicht besonders gut darin und dachte immer eher, ich habe ja vieles noch. Die Leute im Büro, für das ich arbeite, sind aber unglaublich, ich habe ein ganz tolles Archivteam. Die haben sich an die Arbeit gemacht und Sachen gefunden, von denen ich dachte, dass sie aufgrund meiner Nachlässigkeit oder warum auch immer längst verloren wären, weil ich das eigentlich gar nicht für so wichtig hielt. Sie haben Sachen gefunden, bei denen ich mich gewundert habe, dass es sie überhaupt noch gibt!
Wie ist es Ihnen gelungen, die mehr als 500 Songs, die Sie komponiert haben, auf die Auswahl der Stücke im Buch einzuschränken?
Paul McCartney: Also, tatsächlich war es so, dass Paul Muldoon und mein Produktionsteam, die Leute, die zusammen mit Paul an dem Buch gearbeitet haben, Songs vorgeschlagen haben, von denen einige sehr naheliegend waren, andere weniger. Wenn Paul und ich uns trafen, bekam ich eine Liste mit Songs, und er sagte, lass uns heute mal über diese Songs reden. Ich musste also eigentlich gar nicht sagen, wie wär's denn damit. Vielleicht habe ich ein oder zweimal im Gespräch erwähnt, dass irgendeiner noch nicht berücksichtigt wurde, dann haben wir den noch dazu genommen. Aber hauptsächlich war es so, dass mir die Songs vorgeschlagen wurden. Ich musste nicht die ganze Liste durchgehen und auswählen, welche ich für wichtig hielt. Mir gefällt es, dass jemand anders entschieden hat, welches die wichtigen sind.
Als Sie mit der Arbeit an dem Buch begonnen haben, gab es da etwas über den kreativen Prozess, das Sie unbedingt vermitteln wollten?
Paul McCartney: Eigentlich nicht. Mich hat vor allem die Idee fasziniert. Wenn man mit jemandem über das Songwriting spricht oder die Geschichten erzählt, die damit zusammenhängen, erwacht plötzlich auch das eigene Interesse. Man denkt „Oh, das hatte ich vergessen" oder „Ach ja, so habe ich das gemacht". Bei einem Song wie Blackbird hatte ich zum Beispiel fast vergessen, dass ich dabei an Bürgerrechtsthemen gedacht habe. Als ich anfing, darüber zu sprechen, fiel mir das plötzlich alles wieder ein. Ich dachte, ach toll, darum ging es also damals. Die Melodie war eine Art Parodie auf Bach, das heißt eigentlich nicht die Melodie, aber die Harmonien ergeben sich daraus, dass die Gitarre umgestimmt wurde, aus dem Zusammenspiel von Bass- und die Obertönen. Also ja, das war sehr interessant für mich, zum Glück und es hat Spaß gemacht.
Das Buch rückt eher die Texte als die Melodien in den Fokus, war es schwierig, diese beiden Elemente des Songwriting überhaupt zu trennen?
Paul McCartney: Im Buch sollte es um die Texte gehen. Eigentlich war es ganz einfach, die Melodien von den Texten zu trennen, denn bei dem Projekt wollten wir uns auf die Texte konzentrieren, also haben wir das gemacht. Ich habe eigentlich kaum über die Melodien gesprochen, höchstens um zu sagen, dass es ein großes Glück ist, wenn einem beides gleichzeitig einfällt. Dann hat man zu einem Melodieeinfall auch schon eine Textidee. Für das Buch mussten wir die Texte aber gesondert betrachten, weil wir ja darüber reden wollten.
Sind Ihnen die Songtexte genauso wichtig wie die Melodien?
Paul McCartney: Darüber denke ich immer noch nach, ich weiß es nicht. Ich mag Melodien sehr, andererseits habe ich auch viel für einen guten Text übrig. Idealerweise sollten beide gleich gut sein und wenn man es richtig hinbekommt, entsteht eine magische Kombination aus beidem, was den Song, wie ich finde, besser macht.
Sie schreiben in dem Buch viel über Ihre Eltern und Ihre Kindheit, können Sie uns etwas über den Einfluss erzählen, den Ihre Familie auf Ihre Arbeit hatte?
Paul McCartney: Da mein Vater Klavier gespielt hat und sehr musikalisch war, wuchs ich in einem sehr musikalischen Haushalt auf. Dann kam dazu, dass ich Radio hörte und überhaupt allerhand Musik zu hören bekam, aber ich denke, am wichtigsten war, dass ich in einer Familie aufgewachsen bin, die Musik geliebt hat. Nicht nur meine Eltern, auch meine Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen waren ziemlich versessen auf Musik, auf unseren Familienfesten wurde immer gesungen. Ich weiß noch, wie meine Cousine Diane einmal bei uns zu Hause war, und ich erinnere mich nicht mehr, wer noch dabei war, aber sie hatten sich so einen kleinen Harmoniegesang überlegt und den gesungen, ich glaube, es war „True Love" aus dem Film High Society. So war das bei uns, Leute kamen vorbei und haben bei Familienfesten gesungen. Ich glaube, das hat mich in meiner Liebe zur Musik stark beeinflusst.
Sie schreiben in dem Buch ganz wunderbar über Ihren Englischlehrer und die Bücher und Autoren, die Sie inspiriert haben. Wer brachte oder bringt Sie literarisch auf Ideen?
Paul McCartney: Ich denke, ich werde immer wieder auf Lewis Carroll zurückgreifen, weil das jemand war, den John und ich beide mochten. Das hat uns sehr verbunden und sich befreiend ausgewirkt, weil seine Texte so völlig verrückt sind, dass wir uns auch berechtigt gefühlt haben, so zu schreiben. Ich würde sagen, dass er sehr wichtig war. Ich mochte aber eine ganze Menge Autoren, ich überlege, welche insbesondere für mein Songwriting wichtig waren... also Lewis Carroll zum einen, dann gefällt mir auch Louis MacNeice stilistisch sehr gut, und Dylan Thomas. Ehrlich gesagt wurde ich aber gar nicht so sehr literarisch wie musikalisch beeinflusst, also durch die Revolution des Rock'n'Roll und dann eben Leute wie Chuck Berry, der für mich Literatur und Musik gleichzeitig ist. So was trat dann in mein Leben und auch Buddy Holly und solche Leute. Als es damit losging, übten sie einen sehr starken Einfluss aus. Bob Dylan auch, dessen Songs ja sozusagen zu einem gesprochen haben.
Haben Sie je unter so etwas wie einer Schreibblockade gelitten, wenn es um die Texte ging?
Paul McCartney: Ja, durchaus, manchmal findet man etwas, das man für eine gute Idee hält, man sucht einen Text dafür und ist mittendrin plötzlich wie blockiert, weil man denkt ,Der Text wird der Melodie nicht gerecht.' Normalerweise lässt man ihn dann erstmal liegen und kommt später darauf zurück. Entweder denkt man dann ,Dieser Teil vom Text ist ganz okay, aber ich muss ihn noch ein bisschen in Ordnung bringen', oder man schreibt einen ganz neuen. Ich glaube, jeder hat hin und wieder so etwas wie eine Sperre, aber ich hatte eigentlich Glück (er klopft auf Holz), weil mir das eher selten passiert ist.
Lesen Sie viel?
Paul McCartney: Ja, ziemlich viel, hauptsächlich wenn ich ins Bett gehe, sonst bin ich meist zu sehr mit anderen Sachen beschäftigt. Ich mache Musik, rede mit Leuten, gebe Interviews oder arbeite an so etwas wie dem „Lyrics"-Projekt, aber ja, ich mag beispielsweise Biografien. Kürzlich habe ich eine über Frederick Douglas gelesen, der war Sklave und Abolitionist, und wie sich herausstellte, war er in England sehr populär. Ich fand es interessant, über sein Leben zu lesen, das war sehr anregend. Im Moment lese ich gerade etwas über Mozart, das ist schon ein irrer Typ, und es ist einfach spannend zu sehen, wie Leute gelebt haben. Er musste sehr praktisch denken, es ging immer darum, einen Auftrag zu bekommen, dem Kaiser Musik anzudrehen oder ein Konzert zu geben, eine Tournee zusammenzustellen oder einen Kardinal zu überzeugen, dass er ihn engagiert. Er ist also sehr bodenständig, und trotzdem komponiert er dieses unglaubliche Zeug, das gefällt mir. Ich habe immer ein paar Bücher gleichzeitig da liegen, aber offen gestanden sind sie manchmal auch ein bisschen trocken, was aber okay ist, weil ich beim Lesen eindöse, dann klappe ich es zu und schlafe.
Wissen Sie noch, welches das erste Buch war, in das Sie sich verliebt haben?
Paul McCartney: Das war die Schatzinsel von Robert Louis Stevenson, meine Tante Dill hat es mir zu Weihnachten geschenkt.
Aus der Pressemitteilung des Verlags C.H.Beck:
Paul McCartney: Lyrics - 1956 bis heute - Mein Leben in 154 Songs
Herausgegeben mit einer Einleitung von Paul Muldoon
Aus dem Englischen übersetzt von Conny Lösch
2021. 874 Seiten mit 647 Abbildungen
Gebunden E 78,00 [D] / E 80,20 [A] / E-Book E 39,99
„Unzählige Male wurde ich schon gebeten, eine Autobiografie zu schreiben, aber nie war die richtige Zeit dafür. Das Einzige, was immer ging, egal ob zu Hause oder unterwegs, war Songs zu schreiben. Wenn Leute erst mal ein gewisses Alter erreicht haben, greifen sie gerne auf Tagebücher oder Terminkalender zurück, erinnern sich Tag für Tag an vergangene Ereignisse, aber solche Aufzeichnungen habe ich nicht. Was ich habe, sind meine Songs — Hunderte — und eigentlich erfüllen sie denselben Zweck. Sie umfassen mein gesamtes Leben." (Paul McCartney)
Paul McCartney betrachtet in diesem außergewöhnlichen Buch sein Leben und sein Werk im Prisma von 154 eigenen Songs aus allen Phasen seiner Karriere - von seinen frühesten Kompositionen aus der Kindheit über das legendäre Jahrzehnt der Beatles, über die Wings und seine Soloalben bis in die Gegenwart. In alphabetischer Reihenfolge angeordnet bilden diese Songs ein autobiografisches Kaleidoskop, in dem McCartney die Entstehungsgeschichten seiner Songs schildert, Menschen und Orte, die ihn beeinflusst haben, und was er heute über seine Lieder denkt. Bislang unbekannte Schätze aus McCartneys Privatarchiv — Skizzen, Briefe und vor allem Fotografien — machen "Lyrics" auch optisch zu einem einmaligen Dokument über einen der erfolgreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts. Wir erfahren viel über ihn persönlich, seinen künstlerischen Schaffensprozess, das Ausarbeiten von Melodien und Augenblicke der Inspiration. Auf diese Weise ist ein einzigartiges Musiker-Memoir entstanden, das Paul McCartneys Stimme und Persönlichkeit auf jeder Seite spürbar werden lässt.
Paul McCartney wurde 1942 in Liverpool geboren, wuchs in der Stadt auf und besuchte das Liverpool Institute. Seit er mit 14 Jahren seinen ersten Song schrieb, träumte McCartney davon, anders zu sein und wagte es. Er lebt in England.
Pulitzer-Preisträger Paul Muldoon ist Autor von vierzehn Gedichtsammlungen, darunter seine neue Sammlung Howdie-Skelp