Meat & Beat
hr1-Moderator Klaus Reichert ist Spross einer angesehenen Frankfurter Feinkost/Metzger-Dynastie, hat ein Buch zum Thema geschrieben: „Fleisch ist mir nicht Wurst - Über die Wertschätzung unseres Essens und die Liebe meines Vaters zu seinem Beruf“ und betreibt gemeinsam mit seinem Bruder Thomas Reichert, der den Feinkost/Metzgerbetrieb in Frankfurt erfolgreich weiterführt, einen podcast „Die Welt von hinter der Fleischtheke“.
Zu ihren regelmäßig erscheinenden Episoden laden sich die beiden Podcaster jeweils einen Geprächspartner ein. Weil Klaus Reichert mich noch aus meiner 40-jährigen hr-Mitarbeit kennt, lud er mich zur Podcast-Episode Nr. 22 ein – mit dem Titel: „Meat and Beat! Wieviel Fleisch und Wurst stecken in der Popmusik?“
Klaus Reicherts Podcasts kann man hier anhören.
Infos zu seinem Buch finden sich hier.
Natürlich habe ich zur Vorbereitung meiner Redebeiträge zum Podcast das eigene Archiv und Gedächtnis durchforscht, im Netz recherchiert und einige Beispiele zusammengetragen. Selbstredend war im Podcast-Gespräch nicht genug Zeit, um meine ganze Ausbeute unterbringen zu können. Was ich zutage gefördert habe, soll hier mit Videos illustriert werden.
Die Pop/Rockmusik verhandelt musikalisch/textlich in der Regel die Wirklichkeit. Also handeln die Songtext natürlich auch von Fleisch- und Wurstwaren.
Fangen wir mit „Sausage“, mit der Wurst an.
Da erinnern wir uns natürlich zuerst an den Neue Welle-Hit von Trio-Sänger Stefan Remmler: „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“.
Helge Schneider sang über die „Wurstfachverkäuferin“ oder über „Bonbon aus Wurst“.
Conchita Wurst hat meines Wissens aber nicht über Wurst gesungen.
Die Berliner Rockband Ostkreutz benannte die drei wichtigsten Dinge im Leben: „Tanzen, Wurst und Bier“.
Jetzt wird’s international: Sausage all over the world.
Die Ramones forderten im Song Commando: „Iss nur koschere Salami („Eat kosher Salami“)
Frank Zappa textete im Song "Dong Work For Yuda" aus dem Album „Joe’s Garage“:
„John's got a sausage that will make you fart“ (John hat ne Wurst bekommen, die lässt dich furzen)
„John's got a sausage that will break your heart“ - die Wurst bricht dir das Herz
Im Zappa-Song „Jezebel Boy“ heißt es im Text: „Old Ralph will make him put that wretched sausage in his mouth again“,
(„Der alte Ralph zwingt ihm die erbärmliche Wurst in den Mund, wieder ein Tag, wieder ne Wurst“) - das kann/wird aber auch ganz anders gemeint sein als man zuerst denkt.
„We built this city on sausage rolls“ (Wir haben die Stadt erbaut aus Würstchen im Schlafrock), das war ein Song von LadBaby, natürlich eine Persiflage auf den Hit „We Build This City on Rock’n’Roll“ von Jefferson Starship
Auch Lou Reed hatte es mit der Wurst: da beklagte er den Zustand der Welt in seinem Song „The Original Wrapper“:
„We were watchin' the news, the world's in a mess
The poor and the hungry, a world in distress
Herpes, aids, the middle east at full throttle
Better check that sausage, before you put it in the waffle“„
(„alles geht mit Vollgas ins Chaos, deshalb solltest du besser die Wurst checken, bevor du sie dir in die Waffel steckst“).
Über Geschmacksverirrungen bei Würsten sang die australische Rockgruppe The Australian Walfare
„Oh when the sausages taste like fried toothpaste“
(Wenn Würstchen schmecken wie gebratene Zahnpasta)
Dagegen jubilierte die Blues-Königin Bessie Smith 1929 im Song „Kitchen Man“
„His Frankfurters are oh so sweet
How I like his sausage meat
I can't do without my kitchen man“
(„Seine Frankfurter Würstchen sind so lecker, oh wie ich seine Fleischwurst liebe. Ich kann nicht sein ohne meinen Küchen-Mann“)
Die US-amerikanische Rock-Metal-Band Tenacius D sang:
„I love you baby, but all I can think about, is sausage“
(„Ich liebe dich baby, aber alles woran ich jetzt denken kann, ist Wurst“).
Und der große Paul Simon reimte im Titelstück seines Albums von 2011 „So Beautiful Or So What“ über ein Rezept mit Wurst
„I'm gonna make a chicken gumbo / Toss some sausage in the pot
I'm gonna flavor it with okra / Cheyenne pepper to make it hot“
(„Ich werde einen Hühnchen-Eintopf machen, geb’ etwas Wurst dazu in den Topf,
würze es mit mit Okra-Schoten und Cheyenne Pfeffer, um es scharf zu machen.“)
Und sogar Eminem hat über Wurst gerappt. „Fuckin' McDonalds egg and cheese sausage“ - das muss man nicht übersetzen.
Ganz ähnlich rappt Machine Gun Kelly in "What's Poppin": "Eat Beef like McDonalds"
Und auch Pink Floyd haben sich in ihrem Titel "Alan's Psychedelicc Breakfast" aus dem Album „Atom Heart Mother“ über Wurst und Speck und Rührei auf Toast ausgelassen „Oh, uh, scrambled eggs, bacon, sausages, toast“
Peter Paul and Mary und Pete Seeger schwärmten im Song „All Mixed Up“ von polnischer Wurst: „I like Polish sausage, I like Spanish rice, and pizza pie is also nice“.
Die irischen Dubliners besangen im Song "The Mero"eine Lady, die Schinken und Wurst liebte: „She loved her ham and sausages“.
Und das Country-Duo The Stanley Brothers sangen schon 1959, dass sie sich Fleisch und Wurst von niemandem verbieten lassen:
„Sliced ham and pickled feet, Ham and eggs and sausage meat
Nobody's business what I eat“ -
(„Geschnittener Schinken, eingelegte Schweinsfüße, Schinken und Eier und Wurstfleisch. Das geht keinen was an, was ich esse.“)
Und die absoluten Highlights der Wurst-Musik sind die Sausage-Raps des weltweiten Sausage Movement:
Zum Thema Fleisch / Meat:
Der Rock’n’Roller Frankie Lane schwärmte von seiner Frau und von ihren Kochkünsten, und wie sie für ihn Fleisch zubereitet:
„Oh, how lovely cooks the meat / When I get back home to eat
I smell it far away / And I thought of it all day
She's cookin' the meat for me / What a meal it's gonna be.“
(„Es duftet schon von weitem und ich denke schon den ganzen Tag daran. Sie kocht das Fleisch für mich. Oh was für ein Mahl wird das werden.“)
gesungen im Duett mit der besten aller braven Ehefrau-Darstellerinnen am heiligen Herd: Doris Day
John Lennon hat für sein Album „Mind Games“ den Song „Meat City“ geschrieben, darin singt er: „Ich bin in der Fleisch-Stadt gewesen, um es selbst zu sehen, war in der Schweinefleisch-Stadt“ usw. Aber es wird nicht so ganz klar, worum es im Text überhaupt geht. John Lennon hat übrigens versucht, sich vegetarisch und makrobiotisch zu ernähren, war aber nie konsequent. Ganz anders als Paul McCartney, der ein Hardcore-Vegetarier geworden ist.
Der Jazz- und Boogie-Pianist Fats Waller sang, was auch Louis Armstrong schon gesungen hatte:
„A man works hard, then comes on home,
Expects to find stew with that fine ham bone.
He opens the door, then start to lookin',
Says, Woman, what's this stuff you're cookin'?
All that meat and no potatoes
Just ain't right, like green tomatoes.
I don't think that peas are bad.
With meat most anything goes.“
(„Ein Mann hat hart gearbeitet, dann kommt er nach Hause
Er erwartet einen Fleischeintopf mit ’nem feinen Schinkenknochen
Er öffnet die Tür und schaut in den Kochtopf
und sagt: ‚Frau, was kochst du da?
All das Fleisch ohne Kartoffeln?
Das ist ja so wie grüne Tomaten.
Ich meine nicht, dass Bohnen schlecht sind.
Mit ein bißchen Fleisch geht alles’.“)
Der englische Comedien LadBaby sang als Parodie auf „I Love Rock’n’Roll“ von Joan Jett: „I Love Sausage Roll“
„We don't want to start a riot / We're not on a veagan diet
'Cause we want meat, yeah, meat / We eat it on every street
Yeah we want meat, yeah meat!“
(„Wir wollen keinen Aufruhr machen, wir sind nicht auf einer veganen Diät. Wir wollen Fleisch, einfach nur Fleisch. Wir essen es überall und jederzeit.“)
Der Country-Sänger Alan Jackson singt, was er bevorzugt:
„I like my steak well done, my taters fried
Football games on Monday night
It's just who I am / A meat and potato man“.
(„Ich mag mein Steak durch, dazu Pommes Frites
ein Fußball-Spiel am Montag Abend. So bin ich halt,
ein Fleisch- und Kartoffel-Mann.“)
Der strenge Vegetarier Morrissey, Sänger von The Smiths klagte an „Meat is murder“. Fleisch ist Mord.
Und der verrückte Popsatiriker Weird Al Yancovic, hat Michael Jacksons Hit „Beat It“ parodiert und sang „Eat It“. Friss noch etwas Hühnchen, darf es noch etwas Schweinebauch sein, Eat It, eat it, eat it, bis du platzt.
Der singende Hackbraten und rockende Fleischklops, das ist ja die Übersetzung von Meat Loaf, also der heute 73-jährige US-Rocksänger Marvin Lee Aday, besser bekannt als Meat Loaf hat meines Wissens nie über Fleisch und Wurstwaren gesungen. Aber er ist natürlich der Inbegriff der Fleischgewordenen Rockmusik.
Die Kölner Acapella-Band Basta sang in ihrem Lied mit dem Titel „Fleisch“:
„Das Leben ist nicht leischt, doch heute Abend gibt es Fleisch(t)“
Und die Liedermacherin Fee Badenius sang ganz allerliebst in ihrem Lied „Fleisch Ess Lust“, über ihre Bemühung, vegetarischer zu leben:
„Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist zart, vegetarisch leben, das ist so hart.“
Und da singt sie ja so vielen aus der Seele.
Pop-und Rockmusiker haben zu Wurst und Fleisch im Durchschnitt kein anderes Verhältnis als die übrige Bevölkerung. Es gibt etliche überzeugte Jäger unter Rockmusikern, z,B. Eric Clapton, Ian Anderson von Jethro Tull, Gary Brooker von Procol Harum. Eric Clapton hat in seiner Autobiografie geschrieben, er sei leidenschaftlicher Jäger und Angler. Er wolle seine Familie ernähren können mit dem, was er jagt und angelt.
Andere Musiker sagen, Tiere sind Geschöpfe Gottes, die darf man nicht töten.
Oder sie führen ethische Gründe an. Oder sie sagen, man muss den Fleischkonsum drastisch reduzieren, weil sonst die Natur Schaden nimmt. Man könne nicht ewig weiter Regenwälder abholzen, um mehr Weideflächen für Rinder zu gewinnen, oder mehr Anbauflächen für die Schweinemast.
Es hat ja schon etwas Absurdes, was kürzlich in einem Fernsehbericht zu sehen war. Da wurden Wildschweine abgeschossen, weil sie in ein Maisfeld eingedrungen waren und den Mais gefressen hatten. Dieser Mais wurde angebaut als Schweinefutter für einen großen Schweine-Mastbetrieb in unmittelbarer Nähe. Und diese gemästeten Schweine werden dann auch getötet, um von uns aufgegessen zu werden.
Irgendwer hat das mal ganz drastisch formuliert. Da wird das Fleisch eines getöteten Tieres püriert und in eine Darmhaut gestopft, um dann als Wurst gegessen zu werden.
Für den Podcast hat mich Klaus Reichert aufgefordert, zu erläutern, warum ich nur noch selten Fleisch esse und Wurst grundsätzlich nicht. Das hat wohl mit einschneidenden Erlebnissen schon in meiner Kindheit und Jugend zu tun.
Meine erste Erfahrung mit dem Töten eines Nutztieres:
Als Sechsjähriger habe ich auf einem Bauernhof in Kilianstädten dies erlebt. Ein Schwein wird im Hof geschlachtet, mit Bolzenschuss auf die Stirn, das getroffene Schwein reißt sich los, rennt quiekend noch ein paar Meter und bricht dann zusammen. Die Schlagader des Schweins wird aufgeschnitten, das herausströmende Blut wird aufgefangen in einem Blecheimer und gleichzeitig gerührt und geschlagen/gekleppert. Ich frage, warum. Antwort, weil daraus Blutwurst gemacht wird. Kein Wunder, dass ich nach dieser Erfahrung niemals Blutwurst essen konnte und auch keine andere Wurst.
Die zweite Erfahrung:
mein Vater war Brieftaubenzüchter. Er hat seine Tauben, die Rennpferde des kleinen Mannes, sehr geschätzt. An Brieftaubenwettflügen hat er sich regelmäßig beteiligt. Ich war als Kind vom Orientierungssystem der Brieftauben, immer wieder den heimischen Taubenschlag zu finden, total fasziniert. Tauben, die meinem Vater nicht gefallen haben, wegen unschönem Wuchs, Körperbau, weil sie seinem Züchterideal nicht entsprachen, oder weil sie bei den Tauben-Flugrennen zu langsam waren, die hat er geschlachtet, in dem er ihnen den Kopf abriss. Als gebratene Tauben kamen die Enthaupteten dann auf den Tisch. Nix für mich. Das war meine erste Totalverweigerung.
Die dritte Erfahrung:
im Vogelsberg auf der Weide. Bei Spaziergängen in einem idyllischen Tal habe ich über Wochen drei Kälbchen beobachten können. Plötzlich waren es nur noch zwei. Warum? Warum wohl, sagte der Bauer, der gerade den Weidezaun reparierte, komische Frage: verkauft und geschlachtet.
Da dachte ich, so gut auch Kalbsschnitzel, Rinderfilet oder ein Chateaubriand schmeckt, ich möchte nicht mehr am Tod dieser Tiere mitschuldig sein. Andere Leute können das machen wie sie wollen. Ich will nicht mehr durch das Kaufen und Essen von Fleisch am Tod dieser Tiere eine Mitschuld tragen. Dazu kam noch, dass mich schon in jungen Jahren buddhistische Lehren sehr beeindruckt hatten, wonach jede Kreatur das gleiche Recht auf Leben hat wie ich selbst.
Paul McCartney wurde Vegetarier von einem auf den anderen Tag – so geht die Mär. Er saß mit seiner Frau Linda und den Kindern in der Küche auf ihrer Farm in Schottland und sie aßen gemeinsam Lamm-Kotelett. Die Tür zur Wiese war offen, plötzlich verirrt sich ein kleines Lamm in die Küche. Alle schauen sich an, das kleine Lämmchen blökt freundlich. Paul, Linda und die Kinder schauen auf ihre Teller und niemand kann weiter essen. Das war der Moment, an dem Paul McCartney Vegetarier wurde.
Ich bin alles andere als ein militanter Vegetarier, ich erlaube mir auch hin und wieder mal den Rückfall, Lust auf Bresaola zu haben. Und ich kann die mit Überzeugung vorgetragene Position von Klaus Reichert und seinem Bruder verstehen und akzeptieren. Dennoch bin ich in Sachen Fleisch- und Wurstverzehr (überwiegend) anderer Meinung.