Eric Clapton – zum 75. Geburtstag

Gitarren-Gott wider Willen

Eine Hommage

Slowhand und Bluesman - Eric Clapton zum 75. Geburtstag.

Eric Clapton
(Foto: Majvdl, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons)

„I had to be true to my roots and my musical vision honoring the blues as a musical direction“ Das ist ein Kernsatz für Eric Clapton, darum ging es ihm immer, den Blues in Ehren zu halten - und damit beantwortete er auch die Frage, warum er immer wieder Bands verließ, oder Tourneen ablehnte, oder sich von Musikern trennte, die sich in eine ihm nicht genehme Richtung entwickelten - er tat das, um sich selbst treu zu bleiben, um seiner eigenen musikalischen Vision folgen zu können - und diese Vision hatte immer auch mit dem Blues zu tun, sagte er. Eric Clapton, eine Würdigung zum 75. Geburtstag

Als unehelicher Sohn einer 16-jährigen Engländerin wurde er am 30.März 1945 geboren. Er war als Kind ängstlich, als Junge schüchtern, als Heranwachsender unsicher und als junger Mann plötzlich ein Gitarren-Gott. Als Eric Clapton von 1965 bis 66 Mitglied und Leadgitarrist von John Mayalls Bluesbreakers war, erspielte er sich bald den Ruf, der beste Bluesgitarrist Englands zu sein. Ein Fan sprayte auf die Wand einer Londoner U-Bahn: „Clapton is God”. Eric Clapton fühlte sich geschmeichelt, gleichzeitig aber auch abgestoßen. Denn dieser Graffitispruch setzte ihn auch unter Druck, weil er diesem gigantischen Anspruch, dieser übergroßen Erwartung nicht entsprechen konnte und auch nicht wollte. Dieser Spruch „Clapton is God” entpuppte sich als Fluch, denn einerseits wurde seine Eitelkeit gekitzelt und sein Ehrgeiz angestachelt, andererseits wusste er als Perfektionist, der auch immer mit Unsicherheiten zu kämpfen hatte, dass er diesem Überanspruch niemals gerecht werden konnte. Natürlich war es dieser Spruch nicht alleine, der die Achterbahn seiner Karriere beförderte, zwischen Drogenabstürzen und privaten Katastrophen, zwischen Rückzug und Comeback. Doch einen gewissen Anteil daran hatte dieser Graffitispruch sehr wohl. Wie er als Gitarrist einzuschätzen ist, wie großartig oder beseelt, wie virtuos oder gar göttlich er spielt, das kann man beurteilen, wenn man seine vielen Studio- und Live-Aufnahmen hört. Welche Qualitäten er als Songschreiber hat, das kann man seinen Songveröffentlichungen entnehmen - und was für eine Art Mensch er ist, welche Eigenschaften und Eigenarten ihn charakterisieren, all dem kann man sich annähern, wenn man in seiner Autobiographie „Eric Clapton Mein Leben“ blättert. Einiges davon wird jetzt passieren in dieser Würdigung zum 75. Geburtstag von Eric Clapton. Sein 19. Studio-Soloalbum erschien 2013 unter dem ironischen Titel „Old Sock“. Darin enthalten der Song „Gotta Get Over“, in dem er um Hilfe bittet: Help me get a little closer to the good side

Eric Clapton "Gotta Get Over" - Album Old Sock

„Gotta Get Over“, war neben „Every Little Thing“ der einzige neue Originalsong in Eric Claptons 19. Studioalbum „Old Sock“, das im März 2013 erschien und ansonsten nur Coverversionen von Songs enthielt, die ihn über Jahre hinweg begleitet hatten und zum Teil bis in seine Kindheit zurückreichten, also zutreffend als „Old Socks“ bezeichnet werden können. Den Albumtitel „Old Sock“ hatte er David Bowie zu verdanken, der in einer Korrespondenz zwischen beiden sich selbst als „alte Socke“ bezeichnete. Was die alte Socke Eric Clapton als Gitarrist vermag, das weiß jeder, der sich halbwegs mit Pop- und Rockmusik auskennt. Doch was er ansonsten für Eigenschaften und Eigenheiten hat, womit er sich neben dem Beruf des Gitarren-Gotts beschäftigt, das wissen nur die wenigsten. Wer wüsste z.B., dass er Jäger und Sammler ist. So stellte er z.B. Hundert Gitarren aus seiner riesigen Sammlung 1999 für eine Versteigerung zusammen, die über vier Millionen Dollar einbrachte zu Gunsten seines Crossroads Center, einer Stiftung, die eine Drogen-Rehaklinik auf der karibischen Insel Antigua betreibt. Dieses „Crossroads-Center“ als Hilfe für Suchtkranke hatte Clapton 1998 auf Antigua eröffnet, um selbst etwas zurückzugeben für die langjährige Hilfe, die er erhalten hatte, um seine eigene Heroin- und Alkoholsucht überwinden zu können.
Und: Eric Clapton ist tatsächlich auch Jäger, ein leidenschaftlicher dazu: Zitat: „Ich schaffte mir diverse edle englische Flinten an, streifte durch alle möglichen Jagdreviere und wurde so nach und nach ein ganz guter Schütze, während ich sehr viel Spaß dabei hatte. Moralisch hatte ich nie ein Problem damit, es ist genau wie beim Angeln. Meine Familie und ich essen, was ich fange und schieße. Ich bin ein Jäger, das ist in meinen Genen so angelegt und ich kann gut damit leben.“ So steht es wörtlich in Claptons Autobiographie „Mein Leben“. Und dort outet er auch gleich noch einige Kollegen als Jäger, vielleicht um mitzuteilen, dass es in der Rock- und Popszene nicht nur Vegetarier und Tierfreunde gibt, die niemals ein Rebhuhn oder einen Rehbock abknallen würden, sondern dass die Jägerei auch unter Musikern weit verbreitet sei. So schreibt er, Zitat: „auch Gary Brooker, Steve Winwood, Roger Waters, Nick Mason und Mark Knopfler sind leidenschaftliche Jäger.“ Zitatende. Hier hören wir die Jägerfreunde Eric Clapton und Mark Knopfler gemeinsam, allerdings ohne Halali im Song „Train To Nowhere“ von J.J. Cale.

Eric Clapton und Mark Knopfler vereint, in ihrer Würdigung von J.J. Cale, der im Juli 2013 verstarb. Ein Jahr später erschien das Tribute-Album „The Breeze - An Appreciation of J.J. Cale“ von Eric Clapton and Friends, eine Hommage an den verstorbenen Laidback-Gitarren-Genius J.J. Cale, kuratiert von seinem glühenden Verehrer Eric Clapton, der schon in den 70er Jahren seine eigene Solokarriere mit den beiden J.J. Cale-Songs "After Midnight" und "Cocaine" befeuert hatte. Das Tribute-Album „The Breeze“ von 2014 blieb nicht die letzte Verbeugung vor J.J. Cale. Das bis dato vorletzte Clapton-Studioalbum „I Still Do“ von 2016 enthält zwei Songs von J.J. Cale: „Can’t Let You Do It“ und „Somebody’s Knockin’“. Beide Songs waren bislang unveröffentlicht, stammten aus dem Nachlass von J.J. Cale und wurden von Eric Clapton neu arrangiert und aufgenommen.
„Can’t Let You Do It“ handelt von „einem Mann der mittleren Gesellschaft, der durch seine neue weibliche Bekanntschaft nicht zur höheren Elite gehören möchte und keine Veränderung zulässt.“ (Wikipedia). Wie bitte?. Selber hören:
Eric Clapton "Can't Let You Do It", Album I Still Do

Am 30. März feiert Eric Clapton seinen 75. Geburtstag. Wird er ihn wirklich „feiern“, fröhlich und ausgelassen? Insider bezweifeln das. Vielen Kritikern und Szene-Beobachtern gilt er als „Schmerzensmann“, dessen Grundbefindlichkeit eine tiefe Melancholie sei. Zitat „Es wäre falsch, sich Eric Clapton als glücklichen, in sich ruhenden Menschen vorzustellen“, schrieb z.B. der Spiegel. Er hat den Blues, auch wenn er ihn nicht immer spielt. Clapton selbst schreibt in seiner Autobiografie dagegen vom häuslichen Glück, er führe ein glückliches Familienleben mit seinen drei Töchtern und seiner 31 Jahre jüngeren zweiten Ehefrau Melia.
Als uneheliches Kind bei den Großeltern aufgewachsen, habe er einen Knacks von Anfang an davongetragen, mutmaßten die Hobbypsychologen unter den Kritikern. Claptons Mutter Patricia war erst 16 Jahre alt als Eric auf die Welt kam. Sein Vater Edward Fryer, ein 24-jähriger kanadischer Soldat, der zu dieser Zeit in England stationiert war, zog noch vor Erics Geburt zurück zu seiner Frau nach Kanada. Als uneheliches Kind hatte Eric unter den kleinbürgerlichen, stockkonservativen Moralvorstellungen der dörflichen Gesellschaft in seinem Heimatdorf Ripley in Surrey zu leiden. Zitat: „Schon als kleiner Junge von sechs oder sieben Jahren beschlich mich das Gefühl, dass an mir irgendwas anders war. Vielleicht lag es daran, wie die Leute über mich sprachen, als ob ich gar nicht dabei wäre.“ - Zitatende. Sogar sein Onkel Adrian nannte ihn nicht nur aus Spaß einen kleinen Bastard. Zitat: „Das volle Ausmaß dieser Erkenntnis war ziemlich traumatisch für mich.“ Zitatende. Wie schwer diese Hypothek für sein weiteres Leben wog? Tatsache ist: Drogenabhängigkeit und Alkoholmissbrauch, Liebesdramen und private Tragödien zeichneten seinen Weg. Wind peitscht ihm ins Gesicht, der Körper fühlt sich wie eine offene Wunde an und die Seele ist längst abgestorben, davon singt er im Titelstück seines Albums Pilgrim von 1998. Den tragischen Tod seines viereinhalb-jährigen Sohnes Conor im März 1991 hätte er nie so recht verwunden, schrieben Insider. Und Kritiker attestierten ihm mal Glaubwürdigkeit, mal warf man ihm Selbstmitleid vor. Der Song „Circus” aus dem Album Pilgrim war der zweite Song nach „Tears In Heaven“, der von seinem verunglückten Sohn handelte. Im Text heißt es: „Der kleine Mann, mit leuchtenden Augen und strahlendem Lächeln. In seinen Händen hält er Spielsachen, die hattest du ihm gegeben, damit sein Herz vor Freude überspringt. Und in der Menge steht ein Zirkusclown, der ein Messer hochhält. Was man sieht und was man hört, das prägt dich für den Rest deines Lebens. Und es ist traurig, so traurig, denn es gibt keinen einfachen Weg heraus. Es ist traurig, so traurig. Alle Freunde von dir kommen zusammen, denn der Zirkus ist schon aus der Stadt. Kleiner Mann, dein Herz ist so rein und deine Liebe auch. Bleib bei mir und ich fahr mit dir bis zur Endstation. Gib mir deine Hand und ich führe dich durch die dunkelste Nacht. Und wenn ich lächle, dann denke ich an dich und selbst die kleinste Kleinigkeit ist dann in Ordnung. Doch es ist traurig, so traurig, es gibt nicht diesen einfachen Weg.“

Eric Clapton "Circus" Album Pilgrim

Über diesen Song „Circus“ schreibt Eric Clapton in seiner Autobiografie, Zitat: „Ich war jetzt seit drei Jahren nüchtern und so weit bei Kräften, dass ich mich geradeso durchs Leben schlagen konnte, besaß aber keinerlei Erfahrung, die mich befähigt hätte, mit einem Schicksalsschlag dieser Größenordnung umzugehen. (Gemeint war der tragische Tod seines Sohnes Conor, der durch ein geöffnetes Fenster aus dem 53. Stock eines New Yorker Hochhauses gestürzt war) Viele Leute mögen gedacht haben, irgendwann würde ich wieder zu trinken anfangen, aber ich hatte ja Freunde, und ich hatte meine Gitarre. Sie war wie schon so oft meine Rettung. Anfangs spielte ich nur so vor mich hin, aber dann wurden allmählich Songs daraus. Als erstes entwickelte sich „The Circus Left Town“, das im Album dann nur noch „Circus“ genannt wurde, über meinen Abend mit Conor im Zirkus, unseren letzten gemeinsamen Abend. Auf Antigua schrieb ich dann einen Song, in dem ich den Verlust meines Sohnes zu den Rätseln um das Leben meines Vaters in Beziehung setzte, ‚My Fathers Eyes’. Hier beschrieb ich, wie ich in den Augen meines Sohnes die Augen meines Vaters zu erkennen versuchte, den ich nie kennen gelernt hatte.“

Eric Clapton "My Father’s Eyes", Album Pilgrim

Ein schönes Slidegitarrensolo zeichnet diesen Song aus, neben Claptons Gesang, für den er erstmals einen Grammy in der Kategorie „Beste männliche Pop Gesangs-Performance“ gewann. Eric Clapton als Sänger, das stand am Anfang seiner Karriere überhaupt nicht zur Debatte. Er mochte seine Stimme nicht, fand sie zu dünn, und überhaupt hielt er sich lieber im Hintergrund, überließ die Funktion des Frontman und Sänger lieber einem anderen. Das änderte sich erst mit seinem Solodebüt, bzw. mit seiner ersten eigenen Band Derek and The Dominos und deren Songklassiker „Layla“, den Clapton ausdrucksstark sang und den er als Ko-Autor über seine unerwiderte Liebe zu Pattie Boyd, George Harrisons Frau geschrieben hatte. Er schien von Pattie geradezu besessen zu sein, warb jahrelang um sie, versuchte sie zu erpressen mit der Drohung, er würde in seiner Verzweiflung Heroin nehmen, wenn sie ihn nicht erhören würde. Was aber damals nichts half, zumal er zu diesem Zeitpunkt um das Jahr 1970 ohnehin schon heroinsüchtig war. Zitat: „Angetrieben von meiner Obsession für Pattie komponierte ich viel, im Grunde handeln alle Songs, die ich für das erste Dominos-Album geschrieben hatte von ihr und unserer Beziehung. ‚Layla’ war der Schlüsselsong, der bewusste Versuch, Pattie darauf anzusprechen, wieso sie mich hinhielt und nicht zu mir ziehen wollte.“ Zitatende. Doch allmählich kriselte es in der Beziehung zwischen Pattie und George Harrison. Und als George schließlich eine Affäre mit Ringos Frau Maureen anfing, verließ Pattie den untreuen George im Sommer 1974 und zog zu Eric Clapton – und kam dabei vom Regen in die Traufe. Pattie begleitete Eric auf dessen Ocean-Boulevard-Tournee 1974. Zitat aus der Clapton-Autobiografie: „Sie blieb bis zum Ende der ersten Hälfte der Amerika-Tour und flog dann nach hause. Sobald sie weg war, stürzte ich mich in eine Serie von One-Night-Stands und benahm mich unverschämt gegenüber jeder Frau, die mir über den Weg lief. Mein moralisches Gleichgewicht war offensichtlich in einem erschreckenden Zustand, der sich durch meinen wachsenden Alkoholkonsum nur verschlimmern konnte. Es war, als würde ich versuchen, meine Beziehung zu Pattie zu sabotieren, als ob ich sie nun, da ich sie hatte, nicht mehr wollte.“ Zitatende. Auf Seite 45 seiner Autobiografie findet sich ein aufschlussreicher Satz. Im Zusammenhang mit der ersten E-Gitarre, die er als 16-jähriger für 10 Pfund erworben hatte und die ihm rasch ans Herz gewachsen sei, wie er schreibt, da steht zu lesen: „Aber etwas noch Grundsätzlicheres war geschehen, als ich diese Gitarre bekam. Sobald ich sie hatte, wollte ich sie plötzlich nicht mehr, ein Phänomen, das in meinem Leben immer wieder auftauchen und mir viele Probleme bereiten sollte.“ - Zitatende - Ein Jahr nach der Scheidung von Pattie erschien im Clapton-Album „Journeyman“ der Song „Bad Love“, in dem er singt: „I’ve had enough bad love. No more bad love.“.

Eric Clapton "Bad Love", Album 24 Nights

Eric Clapton live 1990 in der Londoner Royal Albert Hall, veröffentlicht 1991 im Livealbum „24 Nights“. Den Song „Bad Love“ hatte er gemeinsam mit dem Foreigner-Gitarristen Mick Jones geschrieben. Als Single veröffentlicht erreichte die Studiofassung von „Bad Love“ Platz 1 in den US-Billboard-Charts – es blieb bis heute Claptons letzte Nummer-Eins. Es ist nicht klar, ob mit dem Songtext eine konkrete Person gemeint war. Clapton sang hier von einer neuen Liebe, die anders sei, als all die „bad love“, von der er genug habe. Nach vierzehn Jahren Beziehung und neun Jahren Ehe ließen sich Clapton und Pattie 1988 scheiden, nachdem 1985 aus einer Parallelbeziehung von Eric Clapton eine Tochter hervorgegangen war und nachdem 1986 Claptons Sohn Conor geboren wurde. Conor stammte aus einer weiteren außerehelichen Beziehung mit dem italienischen Model Lori del Santo. Eigentlich kein Wunder, dass Pattie ihren hochgradig untreuen Ehemann verließ. In seiner Autobiografie schreibt Eric Clapton, dass er wegen seiner extremen Alkoholabhängigkeit zu jener Zeit nicht in der Lage gewesen sei, eine tiefe Verbindung zu Pattie auf Dauer halten zu können. Pattie verhalf ihm ungewollt zu zwei seiner berühmtesten Songs: neben „Layla“ von 1970 war das „Wonderful Tonight“ von 1977. Über die Entstehung des Songs schreibt Eric Clapton in seiner Autobiografie, Zitat: "Zur damaligen Zeit ging es für mich vor allem ums Trinken und darum, mich vor meiner Verantwortung als Bandleader zu drücken. Meine Musik war damals sehr schlicht, handgemacht und überwiegend akustisch, und aus dieser Stimmung heraus entstand auch der Song 'Wonderful Tonight'. Den Text schrieb ich an einem Abend, als ich wartete, während sich Nell (Anmerkung: das war Claptons Kosewort für Pattie)  zum Abendessen umkleidete." Mehr dazu kann auf Seite 181 seiner Autobiographie nachgelesen werden. Die Überschrift zur nachfolgenden Fassung von Claptons international erfolgreichstem Song "Wonderful Tonight", der als Single über vier Millionen mal verkauft wurde und statistisch gesehen 400 mal täglich irgendwo auf der Welt im Radio läuft lautet:
„Eric Clapton performs 'Wonderful Tonight' live at The Royal Albert Hall. Taken from the concert film 'Slowhand At 70'.“

„wütend und frustiert“ sei er gewesen, als er den Songtext schrieb, während er auf seine Pattie wartete, schreibt Eric Clapton in seiner Autobiografie. Sein Songtext klingt da aber ganz anders. Übersetzt lautet der Text: „Es ist spät am Abend, sie überlegt, was sie anziehen soll. Sie schminkt sich und kämmt ihr langes blondes Haar. Und dann fragt sie mich: ’Seh ich okay aus?’ und ich sag: ’ja, du siehst wundervoll aus, heut Abend.’ - Wir gehen auf eine Party und alle drehn sich um und schaun nach dieser wunderschönen Frau, die an meiner Seite ist. Und dann fragt sie mich: ’Fühlst du dich wohl?’ Und ich sag: ’ja, ich fühl mich wundervoll, heut Abend’. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen. Ich hab einen Brummschädel. Drum gab ich ihr die Autoschlüssel und sie half mir ins Bett. Und dann sagte ich zu ihr, während ich das Licht ausmachte, ich sagte: 'Liebling, du warst wundervoll heut Abend'.“

„Wonderful Tonight“ von 1977 gehört zu den erfolgreichsten Pop-Balladen von Eric Clapton. Popsongs wie diese hatte er in den sechziger Jahren noch rigoros als zu kommerziell abgelehnt. Als die zu Beginn ihrer Karriere blues-bezogene Band The Yardbirds den Popsong „For Your Love“ im Januar 1965 mit Bongos und Cembalo (gespielt von Brian Auger) aufnahmen, stieg ihr Gitarrist Eric Clapton unmittelbar danach, im März 1965, kurz entschlossen aus.

Eine kleine Chronik der Karriere von Eric Clapton.
In seinen Anfangsjahren durfte es keine fremden Götter neben dem Blues geben. Nichts anderes interessierte ihn, nichts anderes wollte er spielen. Deshalb verließ er, wie gesagt, seine erste bekanntere Rhythm’n’Blues- Band, die Yardbirds 1965, als die Band eine stilistische Kehrtwende in Richtung Pop vollzog. Die nächste Station seiner Karriere waren John Mayalls Bluebreakers (bis 1966),
hier zu hören 37 Jahre später, wiedervereint live in Liverpool 2003 mit „Hideaway“ Eric Clapton & John Mayall and The Bluesbreakers

Nach John Mayall and The Bluesbreakers folgte das richtungweisende Trio Cream, das von 1966 bis 1968 bestand und anschließend die nur kurzlebige Supergroup Blind Faith im Jahre 1969, mit Steve Winwood, Ginger Baker, Rick Grech und Eric Clapton. Gegründet im Januar 1969, fiel die Band schon im September 1969 wieder auseinander – nach nur einer Albumeinspielung und kurzen, aber ausverkauften Tourneen durch Skandinavien und USA. Das offizielle Live-Debüt von Blind Faith fand am 7. Juni im Londoner Hyde Park vor 100.000 Menschen statt. Trotz guter Verkaufszahlen des Albums – alleine in den USA ca. 1 Million – war das Ende der Band bald besiegelt. Es hatte sich schnell herausgestellt, dass die Chemie zwischen den Bandmitgliedern nicht stimmte. Die Kritik des Melody Maker lautete: „Blind Faith ist Steve Winwood plus Begleitband“.

Nach seinem legendären Bluesrock-Trio Cream, nach Blind Faith und dem Intermezzo mit Delaney & Bonnie und Derek and The Dominos näherte sich Eric Clapton mit seinen Soloalben zwar immer mehr dem Pop-Mainstream an und konnte etliche Welthits verbuchen, doch er kehrte auch immer wieder zu seinen Blues-Wurzeln zurück, wie etwa 1994 im Roots-Album „From The Cradle“. Im Jahre 2004 überraschte Clapton mit einem reinen Blues-Coveralbum, gewidmet dem 1938 an einer Strichnin-Vergiftung gestorbenen Robert Johnson, dem Urvater des urbanen Blues, Autor von Klassikern wie „Crossroads“ und „Love In Vain“. Den Titel „Crossroads“ hatte Clapton schon mit Cream gespielt. Kein anderer Song wurde von ihm live bis heute so oft interpretiert wie dieser. Und bezeichnenderweise nannte er seine große Werkschau von 1988 ebenso: „Crossroads“. Dieser Robert Johnson-Klassiker muss es ihm auf besondere Weise angetan haben, denn er nannte nicht nur seine Stiftung nach diesem Song, sondern auch die von ihm organisierte mehrtägige Benefizveranstaltung „Crossroads Guitar Festival“, die im 3-Jahre-Rhythmus bislang 2004, 2007, 2010 und 2013 stattfand und hochkarätige Musiker auf die Bühne brachte. „Crossroads“ scheint auch für seinen persönlichen Lebensweg eine wichtige Bedeutung zu haben, wann immer er in seiner Karriere an einer wichtigen Wegscheide ankam, entschied er sich für den Blues. Wir hören den Robert Johnson-Klassiker „Crossroads“ in drei verschiedenen Live-Fassungen, zunächst von Cream 1968, dann Clapton live 2008 mit Phil Collins am Schlagzeug und schließlich Clapton live während des Crossroads Guitar Festivals 2007 mit John Mayer und Sheryl Crow. Aber am Anfang steht Cream live 1968.

Clapton and Friends, Phil Collins etc.

Clapton, Sheryl Crow, John Mayer, Robert Randolph, etc

Der "Crossroad Blues" von Robert Johnson begleitete Eric Clapton durch sein ganzes Gitarristenleben. Er hat diesen Bluesklassiker adaptiert, umarrangiert und in „Crossroads“ umbenannt.
Sein Plattenwerk des Jahres 2004 nennt sich „Sessions For Robert J“ und ist die Fortsetzung seines ein Jahr zuvor veröffentlichten Blues-Coveralbums „Me and Mr. Johnson“, mit dem er zu seinen Blues-Wurzeln zurückkehrte und sich ein weiteres Mal vor seinem großen Vorbild Robert Johnson verneigte, dem Blues-König aus dem Mississippi-Delta, dessen Einfluss auf die Bluesorientierung der Rockmusik in den 1960er Jahren sowohl im Britischen Blues als auch in den USA nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Die Stones coverten Robert Johnson-Titel genauso wie Led Zeppelin, John Mayall, die Pretty Things, die Animals und jede zweite Band des britischen Bluesbooms. Sogar die kalifornischen Red Hot Chili Peppers berufen sich auf Robert Johnson, jenen wilden Delta-Blues-Gitarristen, dem nachgesagt wurde, er sei mit dem Teufel im Bunde, weil er so gnadenlos und entfesselt den Blues spielte. 1938 starb Robert Johnson im Alter von 27 Jahren an den Folgen eines Giftcocktails. Weil Johnson eine Affäre mit der Gattin eines Kneipenwirtes hatte, stellte der eifersüchtige Ehemann dem Nebenbuhler eine mit Strichnin vergiftete Whisky-Flasche hin. Johnson überlebte knapp, starb aber kurz darauf geschwächt an einer Lungenentzündung. Eine weniger lebensgefährliche Liebschaft besang er in seinem „Kind Hearted Woman Blues“, den Clapton exzellent interpretiert, enthalten in der Hybrid-Box „Sessions for Robert J.“, die eine CD und eine DVD enthält.

Kein anderer Gitarrist genießt seit 55 Jahren sowohl bei Kritikern wie beim Publikum gleichermaßen eine solche Wertschätzung wie Mr. Slowhand Eric Clapton. Weitgehend Einigkeit herrscht auch darüber, dass Clapton auch als Sänger eine gute Figur macht. Doch seine Qualitäten als Songschreiber werden zum Teil sehr unterschiedlich eingeschätzt. Die Blues-Fraktion unter seinen Anhängern kritisiert natürlich seine Mainstream-Pophits und nahm z.B. den folgenden Charts-Titel aus dem Jahre 1983 richtiggehend übel. Da sang Clapton: „Ich hab das Gefühl, das könnte was ernsthaftes mit uns sein. Genau in diesem Augenblick könnte ich dir die Welt versprechen. Bevor wir ausflippen, bevor wir explodieren musst du eines noch von mir wissen: Ich werde angetörnt von alten Chevys und einer schreienden Gitarre. Ich habe ein Rock’n’Roll-Herz“ – so hieß es im Text. Und manch einer dachte, das muss aber ein altersschwaches Seniorenherz sein – und würde er doch nur mal seine Gitarre geil aufschreien und explodieren lassen. Und nicht so ein betuliches, locker flockig gefälliges Liedchen anstimmen, ohne jegliche Schärfe und Rotzigkeit, ohne irgendwelche Kanten und Rauhigkeiten, die doch für den Rock’n’Roll sozusagen Voraussetzungen sind. Dieses Rock’n’Roll-Herz schlägt so aufregend und impulsiv wie das einer Schnecke unter Schlaftabletten.
Eric Clapton "Rock'n'Roll Heart", Album Money and Cigarettes

Hier ließ Eric Clapton sein Rock’n’Roll Herz wie im heruntergeregelten Winterschlaf schlagen. Der Song stammt aus dem Album „Money and Cigarettes“ von 1983, auf dessen Cover er sich im teuren Maßanzug und mit Fluppe in der Hand ablichten ließ, natürlich nicht unironisch gemeint, aber weder gegen Zigaretten noch gegen Geld hatte er je etwas einzuwenden. Er gilt als der bestbezahlte Gitarrist der Welt, Sein Vermögen wird auf etwa 175 Millionen Euro geschätzt. Gemessen an der geballten instrumentalen Wucht und improvisatorischen Freiheit des Bluesrock á la Cream wirkten manche der späteren Soloaufnahmen von Eric Clapton verwässert, brav angepasst, ja fast banal. Er wurde natürlich immer gescholten, wenn er vermeintlich simple Popballaden sang. Diese Kritik ist durchaus berechtigt, schoss aber manchmal über das Ziel hinaus, oder gar am Ziel vorbei. Nicht alles, was einfach ist, ist auch simpel. Clapton hat auch die Gabe der Reduktion, was nicht nur die oftmals wenigen, aber gespürvoll gesetzten Töne in seinen Gitarrensoli angeht, sondern auch seine Songkompositionen betrifft. Er beherrscht die einfache Form, die Beschränkung aufs Schlichte und Wesentliche. Nehmen wir als Beispiel den einfach gehaltenen Song „Believe in Life“ aus seinem Album „Reptile“ vom März 2001. Den könnte man musikalisch gesehen als braves bis belangloses Popliedchen abtun, wie dies ja auch geschehen ist. Man kann aber, wenn man will, auch etwas Ungeschminktes, Ursprüngliches und Ehrliches heraushören, wenn da einer seine Liebe besingt, die Liebe zur Geliebten wie zum Leben überhaupt – und wenn er mit einer leicht bluesig-schmutzig getönten Gitarre die Gesangsmelodie umspielt und im Solo auch mal distanziert nachahmt. Und auch ganz schön zu hören, dass dieser kleine Song gegen Ende in eine Art Pop-Gospel mündet. Und gegen die Text-Botschaft „I believe in life“ gibt’s ja nu auch keine Einwände.
Eric Clapton "Believe In Life", Album Reptile

An Clapton-Songs wie diesem „Believe in life“ scheiden sich die Geister. Für die einen ist das ein Beleg für die heutige Durchschnittlichkeit des einstmals herausragenden Instrumentalisten, der er im übrigen auch heute immer noch ist, nämlich ein bedeutender Gitarrist, für die anderen sind Songs wie dieser ein Zeugnis für die Souveränität und Gelassenheit eines gereiften Künstlers. Der 20-fache Grammy-Gewinner wurde als bislang einziger Musiker gleich dreimal in die „Rock And Roll Hall Of Fame“ aufgenommen und gilt allgemein, hinter Jimi Hendrix, als zweitbester Gitarrist aller Zeiten. Diese Karriere-Highlights zeichnen Claptons Superstar-Bild in der Öffentlichkeit. Ganz andere, zum Teil bislang unbekannte Aspekte seiner Persönlichkeit gibt seine Autobiographie „Mein Leben“ preis. In dieser Würdigung zum 75. Geburtstag von Eric Clapton waren bereits ein paar aufschlussreiche Zitate aus seiner Autobiographie zu hören - nicht zu vergessen dieses Zitat: „Ich hatte die Nase voll von dem ganzen ‚Gitarren-Gott-Act’“. Die Clapton-Lobpreisung in dieser Würdigung geht zu Ende mit einer letzten Enthüllung. In seiner Autobiografie, in der er vieles, auch viel Negatives über sich selbst offen und ehrlich preisgibt, findet sich auch eine Passage über ein mehr oder minder unbewusstes Plagiat. Da gibt er zu, dass sein Song „Let It Grow“ von 1974 ein Teil-Plagiat von Led Zeppelins Hymne „Stairway To Heaven“ ist, was deutlich im Gitarrenthema des Clapton-Songs zu hören ist. Zitat: „Erst Jahre später sollte ich bemerken, dass ich die Akkorde und Melodie komplett von „Stairway To Heaven“ geklaut hatte.“
Eric Clapton "Let It Grow", Album 461 Ocean Boulevard

Dass Clapton im Grunde seines Wesens konservativen Denkmustern anhängt, ist bekannt. Doch dass der überzeugte Anhänger der schwarzen Bluestradition ein Rassist und „Neger-Hasser“ sein könnte, das ist nicht zu glauben. Und doch passierte genau das am 5. August 1976 bei einem Clapton-Konzert in Birmingham. Der offenbar stark angetrunkene Gitarren-Gott schwankt ans Mikrofon und redet sich um Kopf und Kragen. Weil ein „Scheiß-Araber“ seiner Frau im Hotel an den Po gegriffen habe, wütet er gegen „all die verfluchten Ausländer und Kanaken, die einfach widerlich sind. Ihr solltet einfach abhauen, nicht nur aus dieser Halle, sondern aus unserem Land“. Erst mal in Rage geredet, wurde es noch schlimmer. „Ihr müsst verhindern, dass Großbritannien eine schwarze Kolonie wird. Schmeißt die Kanaken raus. Schmeißt die Neger raus. Großbritannien muss weiß bleiben. Normalerweise bin ich auf Droge, jetzt bin ich auf Rassismus. Das ist viel härter, Mann!“ Später versuchte er sich auf alkoholbedingte Unzurechnungsfähigkeit herauszureden. Seine Hassrede sei eine Art Monty Python-Joke gewesen, sagte er in einem Interview und machte es mit dieser Pseudo-Entschuldigung nur noch schlimmer. Weil er sich von seiner rassistischen Tirade niemals richtig distanzierte, blieb ein Makel zurück. Und den Fleck auf seiner weißen Weste konnte auch kein Armani-Anzug verdecken, schrieb der Rolling Stone. Kritiker stellten auch das berühmte Graffiti „Clapton is god“ in Frage, das doch erst die Inthronisation Eric Claptons als überirdisch begnadeter Gitarren-Gott insinuieren half. Der Sprayer des Graffitis habe womöglich „aus Versehen oder Farbmangel ein ‚o’ zu wenig verwendet“ (FR).

Seinen 70.Geburtstag am 30. März 2015 feierte Clapton mit zwei Shows im New Yorker Madison Square Garden am 1. und 2. Mai. 2015. Der Mitschnitt seiner „70th Birthday Celebration" in der Royal Albert Hall am 21. Mai 2015 erschien im November 2015 auf seinem Live-Album "Slowhand at 70 – Live at the Royal Albert Hall". Inzwischen liegen zwei weitere Alben von ihm vor: „I Still Do“ von 2016 mit zwei Tribute-Songs für J.J. Cale und „Happy Xmas“ von 2018 mit bluesbetont arrangierten Weihnachtsliedern.
Seine für Mai/Juni 2020 geplante Europatournee wurde wegen der Corona-Krise auf Frühjahr 2021 verschoben.
Die nächste Live-Begegnung mit dem Gitarren-Gott wider Willen steht dann also unter der Überschrift „Slowhand at 76“
Was Geburtstagständchen angeht, muss man sich also trösten mit "Slowhand at 70 – Live at the Royal Albert Hall"

Eric Clapton- eine Hommage zum 75. Geburtstag des Gitarren-Gottes, der immer nur ein Blues-Gitarrist sein wollte.

(Der Text entstammt weitgehend meinem Manuskript meiner Kramladen-Sendung vom 26.03.2015)