Don McLean – zum 75. Geburtstag

Eine Hommage zum Geburtstag des großen US-amerikanischen Singer/Songwriters

mit der Würdigung auch weniger bekannter Songs, neben seinen großen Hits wie "American Pie" und "Vincent"

Don McLean, 2012 (Foto: Egghead06, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons)

Dieser Story-Beitrag von radio-rebell feiert einen US-amerikanischen Singer-Songwriter, der in den sechziger Jahren mit Bob Dylan und Pete Seeger verglichen wurde, dessen Name heute aber nicht mehr viele kennen. Dafür sind zwei seiner berühmtesten Songs auch heute noch fast jedem im Ohr, auch wenn sie in den Jahren 1971 und ’72 veröffentlicht wurden.
Sein Name löst erst mal bei den allermeisten Stirnrunzeln aus. Wenn man dann aber nachschiebt, der hat die Songs „American Pie“ und „Vincent“ geschrieben, dann sagt jeder: „Achso der ist das, ja natürlich, den kenn ich“ – Don McLean wurde vor 75 Jahren (am 02.10.1945) im Staate New York geboren, als Sohn eines Handelsvertreters. Und von seinem Vater hat er offenbar gelernt, mit seinen wenigen Erfolgssongs optimalen Handel zu treiben. So hat er sich z.B. den Titel seines Hits „American Pie“ als Markenzeichen rechtlich schützen lassen. Alleine das hat ihm ein kleines Vermögen eingebracht. Aber er ist natürlich nicht nur ein cleverer Vermarkter seines geistigen Eigentums, er ist auch ein großartiger Sänger, fähiger Songschreiber und versierter Gitarrist und Banjo-Spieler.
Und er hatte auch immer ein Gespür für die Schwachpunkte und die Kritikwürdigkeit der westlichen Konsumwelt im Allgemeinen und der US- amerikanischen Gesellschaft im Besonderen. In seinem Song „Prime Time“ von 1977 zieht er vom Leder und klagt die Verrohung im alltäglichen Leben an, die Gewalt in der U-Bahn, im Fernsehen die Deodorant-Werbung nach grausamen Bildern von Kriegsschauplätzen. Der US-General sagt: „Wir mussten die Stadt auslöschen, weil die Leute nicht einsehen wollen, dass unsere Demokratie für sie besser ist.“
Dann vermischt sich der Fernsehkommentar aus der Glotze mit dem Gespräch beim Abendessen. „Die Kugel traf ihn in die Brust. – Gib mir noch ein Stück von der Hühnchen-Brust.“

Prime Time, war das Titelstück des siebten Albums von Don McLean aus dem Jahre 1977, ein anklagender, satirischer Song, der mit einer fast zynischen Pointe endet: „Verpassen sie nicht die neueste Show-Reportage auf Kanal C: die Show ist zum Sterben gut. Sie sehen live, den Untergang der Welt.“
Das Album „Prime Time“ war ein durchgängig gutes Qualitäts-Album von Don McLean, kommerziell gesehen war es allerdings ein Misserfolg. Dafür hatte er 5 Jahre zuvor umso mehr Erfolg. Don McLean ist der lebende Beweis, dass es in der Popmusik möglich ist, mit zwei Songs unsterblich und reich zu werden. Und dass es weiterhin möglich ist, anschließend die Hände in den Schoß zu legen, beziehungsweise alle Schaltjahre mal ein Lebenszeichen von sich zu geben und mal eine bessere, mal eine unerhebliche neue Platte zu produzieren, die fast niemanden mehr interessiert – außer es ist ein weiteres Best-of-Album mit seinen zwei Superhits plus Füllmaterial.
Denn was hat er denn schon hervorgebracht dieser Don McLean, außer „American Pie“ und „Vincent“. So gemein könnte man über Don McLean herziehen und würde damit die Wahrheit nicht mal gänzlich unlauter verzerren, sondern nur etwas polemisch zuspitzen. Wirklich gerecht wird man ihm allerdings mit einer solchen Polemik nicht. Denn es gab auch nach seinen beiden frühen Hits auch später noch eine Menge hörenswerter Songs, die aber kaum einer noch so recht hören wollte.

Don McLean (Promofoto EMI)

Hier soll aber an ein paar mehr oder minder vergessene oder wenig beachtete Songpreziosen von ihm erinnert werden – neben seinen bekannteren Songs. Zur letzteren Kategorie zählt auch der Song „Dreidel“ aus dem dritten Album von Don McLean, das schlicht seinen Namen trug und 1973 erschien. Der Song erzählt von der inneren Konfusion eines Zeitgenossen, der mit der Schnelllebigkeit um ihn herum nicht klarkommt. Er kommt sich vor wie ein Kreisel, der sich nur im Kreise dreht, während die Zeit an ihm vorbeirast. Die Musik versucht, diese unruhige Drehbewegung auf der Stelle hörbar zu machen, mit einem Gitarrenmuster, das sich scheinbar endlos und leicht nervig um sich selbst dreht. Doch dann öffnet sich die Musik in ein schwungvolles Bläserarrangement. Ein Ausweg aus dem taumelnden Karussell weist auch das ruhige Zwischenspiel und die Kernbotschaft: „Du solltest langsamer machen“

Und da wird der hektische Kreisel abgebremst, die einzige Möglichkeit aus dem Hamsterrad auszusteigen. Don McLean hat oft in seinen Songs Stellung bezogen und Botschaften verbreitet. Seine Lyrik war zwar oft verklausuliert und nicht immer leicht zu verstehen, doch in seinen ironischen bis spöttischen Liedern, hat er es an Klarheit und Eindeutigkeit nicht fehlen lassen. In seinem Song „Color TV-Blues” von 1977 verteilt er Watschen nach allen Seiten, auch die Popmusik bekommt ihr Fett ab. Die Rock’n’Roll-Stars würden die Kids blenden und die Popmusik sei der letzte Schrei. Der einzige Song, den das Fernsehen singen würde, hieße: „Lass die Pennies vom Himmel regnen“ und klinge nach der Ladenkassenklingel. Deren Devise würde lauten, was gutes Geld bringt, sei auch gute Kunst. Danach kriegt der Papst eine auf die Mütze, genauso wie der CIA. In USA müsse man den gewählten Präsident vor seinem eigenen Geheimdienst schützen. Wenn der Präsident sich nicht so verhielte, wie man es von ihm erwarte, könne da auch schon mal ein Schuss fallen, denn nicht alles, was für die amerikanischen Bürger gut sei, sei auch gut für General Motors. – Und so haut Don McLean einen Seitenhieb nach dem anderen raus und verpackt das alles in einen nett swingenden Boogie

„Jedermann ist gut drauf, man sieht es im Fernsehen, nur ich hab den Farbfernseh-Blues. Glaub nicht, nur weil du sowieso schon wahnsinnig bist, dass sie nicht versuchen würden, dich noch wahnsinniger zu machen“ – so etwa könnte man die Schlusszeilen dieses ziemlich frechen bis provozierenden Songs interpretieren. Der „Color TV Blues“ entstammt dem Don McLean-Album „Prime Time“ von 1977. Es war ein überdurchschnittlich gutes Album, ging aber völlig unter. Seine große Zeit schien zu Ende zu sein. Doch als Live-Performer war seine Wirkung noch immer außergewöhnlich. Er hatte die Gabe, alleine mit seiner akustischen Gitarre und seiner schönen Stimme eine geradezu intime Atmosphäre selbst in einer Konzerthalle vor 5000 Menschen herzustellen. Gerade seine Solo-Auftritte zogen die Konzertbesucher in ihren Bann, vor allem wenn er poetische und melancholisch-romantische Gitarrenballaden sang. Wie z.B. seinen schön sentimentalischen Song „Castles In The Air“ von 1970

Castles In The Air

Es trug sich zu, dass bei einem Don McLean-Konzert in einem Folkclub im New Yorker Greenwich Village die Folksängerin Lori Lieberman im Publikum saß, die selbst Songs schrieb und die von dem Don McLean-Auftritt so beeindruckt war, dass sie wenig später ein Gedicht über dieses Konzerterlebnis schrieb. In diesem Gedicht berichtete sie von dem, was sie im Konzert erlebt und wie sie sich gefühlt hatte – ohne aber den Namen des Sängers zu nennen, der das alles bei ihr ausgelöst hatte. sie erzählte also im Text ihres Gedichts von den außergewöhnlichen Empfindungen, die sie im Konzert verspürt hätte. Sie erzählte, man habe ihr von diesem neuen Sänger nur Gutes berichtet, also sei sie hingegangen, um sich selbst davon zu überzeugen.. Was sie dann emotional erlebte, habe sie fast aus der Bahn geworfen. Dieser Sänger löste bei ihr intensivste Gefühle von seligem Schmerz und wohltuend peinigender Qual aus. sie hatte das Gefühl, dieser Sänger würde ihr ihr eigenes Leben vorsingen.
Es sei ihr so vorgekommen, als hätte der Sänger ihre intimsten Briefe gefunden und würde sie jetzt vor allen Leuten laut vorlesen. Sie habe Stoßgebete zum Himmel geschickt, der Sänger möge aufhören. Doch der sang immer weiter. Und so empfand die zutiefst betroffene Zuhörerin ein Gefühl, als würde sie von diesem Sänger und seinem Song auf sanfte Weise umgebracht. Aus diesem Gedicht entstand mit tätiger Unterstützung des Songschreibers Charles Fox ein neues Lied, Und diesen Song über die Live-Wirkung von Don McLean machte Roberta Flack 1973 zum Welthit –

Es soll der Song „Empty Chairs“ gewesen sein, den Don McLean 1971 bei seinem Konzert „At The Troubadour“ sang und der die Folksängerin Lori Lieberman so sehr verwirrt und ins Mark getroffen hatte, dass sie einen Text über diese Erfahrung schreiben musste. Und daraus entstand schließlich der Song „Killing Me Softly“, der viele Jahre nach Roberta Flacks Erfolg nochmals in die Charts kam, diesmal von der Gruppe The Fugees. Das war 1996.

„Killing Me Softly“, dieser softe Hip-Hop-Hit der Fugees basiert textlich auf einer wahren Begebenheit. Auch Madonna hat zu den Songs von Don McLean eine besondere Affinität, vor allem zu dessen Nummer-Eins-Hit des Jahres 1972, den sie als Teenager auswendig mitsingen konnte.
Don McLean feierte am 2. Oktober seinen 75. Geburtstag. Und da muss natürlich auch sein „Birthday Song“ erwähnt werden, in dem er leicht lateinamerikanisch angehaucht singt: „Ich glaube nicht an Magie, aber ich glaube an dich. Und wenn du sagst, dass du an mich glaubst, dann bin ich imstande, Magisches zu tun. Das Leben geht weiter, mal richtig, mal falsch, auch wenn ich dieses Geburtstagslied spiele. Ich habe es von dir gelernt und du kannst nicht mal singen.“

Im März 2000 hat Madonna dem so langsam in Vergessenheit geratenen Don McLean erneut zu einem reichen Geldsegen und zu ein wenig neuer Popularität verholfen. Ihre Neufassung seines Song-Klassikers „American Pie“ bescherte ihr im Frühjahr 2000 einen Welthit und ihm eine Menge Tantiemen. Den 8.1/2-minütigen Originalsong kürzte sie auf das heutige radiotaugliche Format von 4.1/2 Minuten, dabei wurden komplette Strophen entsorgt. Doch ein guter Song hält eine Menge aus, in diesem Fall sogar eine elektronische Programmierverwurstung zum coolen Techno-Dance-Pop.
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Madonna interpretierte und verkürzte „American Pie“, dessen Originalversion von Don McLean im November 1971 erstveröffentlicht wurde und im Text eine Menge an Anspielungen auf Ereignisse aus der damaligen Zeit enthielt. Doch Don McLean hatte diese wahren Begebenheiten geradezu kryptisch verschlüsselt.
„Der Text ist rätselhaft wie ein gutes Kreuzworträtsel“, schrieb die New York Times, und wer sich mit etwas Phantasie dranmachte, dieses Kreuzworträtsel zu lösen, stieß z.B. auf folgende versteckte Wahrheit. Die Zeile „the day the music died“, bezog sich auf den 3. Februar 1959, als bei einem Flugzeugabsturz drei Pioniere des Rock’n’Roll ums Leben kamen: Richie Valens, Big Bopper und Buddy Holly. Aber auch Anspielungen auf das John F. Kennedy-Attentat, auf Charles Manson und Vietnam, auf die Drogenhymne „Eight Miles High“ und auf die verlorene Unschuld der Flower Power-Hippie-Bewegung und der Woodstock-Generation sind aus dem Text herauszulesen. Eine der gängigen Interpretationen des Textes lautet: Der trauernde Sänger berichtet, wie er am Todestag Buddy Holly’s mit seinem Chevy auf den Kiez fuhr (Levee bedeutet soviel wie Vergnügungsviertel). Doch dort war nichts los, außer dass sich ein paar der üblichen Verdächtigen voll laufen ließen und dabei Buddy Holly’s berühmtesten Hit sangen „That’ll be the day“. Im Text heißt es unter anderem: „Hast du das Buch der Liebe geschrieben. Und glaubst du an Gott im Himmel, weil es in der Bibel steht? Glaubst du auch an Rock and Roll? Kann Musik deine sterbliche Seele erlösen?“ Don McLean sang seinen größten Hit in jedem seiner Konzerte, auch 1999 im Paramount Theatre in Austin, Texas

„American Pie“, das war der eine Tophit, der nicht nur kommerziell extrem erfolgreich war, sondern gleichzeitig auch qualitativ zu überzeugen wusste. Der zweite Hit, der ebenfalls als grandioser Song in die Popannalen einging, war „Vincent“. Und das sei in rund 50 Jahren auch fast schon alles gewesen, was Don McLean an Bedeutsamkeiten zur Popgeschichte beigesteuert habe, so lautet die Vorhaltung mancher Kritiker.
Tatsächlich hat der talentierte US-Singer-Songwriter, der seinen Folk-Stil an Vorbildern wie Pete Seeger und dem frühen Dylan geschult hat, nur diese beiden wirklich überragenden Songs veröffentlicht – und zwar in den Jahren 1971/72. Bis 1977 folgten dann noch ein paar bemerkenswerte Songs. Doch danach ist er im Mittelmaß versunken und enttäuschte in der Folgezeit sowohl die Kritiker als auch seine Fans mit wenig originellen Selbstzitaten, uninspirierten Country- und Easy Listening-Alben, oder einem weiteren Aufguss seiner alten Hits. In den letzten Jahren allerdings waren wieder einige bemerkenswerte Songs von ihm zu hören, etwa in seinen beiden jüngsten Alben „Addicted To Black“ (2009) und „Botanical Gardens“ (2018)

2018 erschien sein bislang letztes Album „Botanical Gardens“, das allerdings kaum Beachtung fand.
Es lohnt sich ohne Zweifel, vor allem seine frühe kreative Phase Revue passieren zu lassen, weil sich dort, neben den zwei großen Hits, noch etliche Song-Preziosen finden, wie etwa seine Ballade über das Schicksal des einbeinigen Hobos Andrew McCrew, der bei einem Sturz von einem Frachtzug ums Leben kam. Sein Leichnam wurde einbalsamiert und als bizarre Attraktion auf Jahrmärkten ausgestellt. Erst 60 Jahre nach seinem Unfalltod fand er seine letzte Ruhe - im Grab. Nachdem der mittellose Trunkenbold Andrew McCrew 1913 in Texas vom Zug gefallen und gestorben war, übernahm ein Bestattungsunternehmen den Leichnam und balsamierte ihn ein und wartete, dass ein Verwandter oder Freund ihn abholen und für den balsamierten Leichnam bezahlen würde. Aber die Verwandten kamen nie, so wurde der mumifizierte Andrew McCrew an eine Schaustellertruppe verkauft, die ihn 40 Jahre lang als „Der versteinerte Mann“ zur gruseligen Belustigung landauf landab zur Schau stellte. Irgendwann ging die Truppe Pleite und verkaufte die Mumie an eine alte Krankenschwester mit Sinn fürs Morbide in Dallas. Sie verstaute den Leichnam in ihrem Keller, wovon das städtische Gesundheitsamt und die örtliche Presse Wind bekam. Man war empört über diesen Verstoß gegen die Menschenwürde – ausgerechnet von einer Krankenschwester, die sich einen leblosen Mitbewohner in ihrem Hause hielt. Der öffentliche Aufschrei führte zu einer großen Sammelaktion, die dem armen Andrew McCrew späte 60 Jahre nach seinem Dahinscheiden doch noch ein richtiges Begräbnis plus Grabstein ermöglichte. Don McLean hat über diese wahre Geschichte den Song „The Legend of Andrew McCrew“ geschrieben, in dessen Text es heißt: „Was für eine Art, ein Leben zu leben. Was für eine Art zu sterben, geblieben, um einen Tod zu leben. Und niemand da, der weint. Eine versteinerte Attraktion, ein Wunder, das keinen Wert hat. Ein Mann, der mehr Leben im Tod fand, als Leben ihm durch die Geburt gegeben wurde.“

„The Legend Of Andrew McCrew“ stammt aus dem Don McLean-Album „Homeless Brother“ von 1974. Er selbst ist kein einbalsamierter, versteinerter Pop-Held aus vergangenen Tagen, Don McLean ist keine Popstar-Mumie. Er ist noch immer aktiv, sporadisch jedenfalls, war z.B. erst kürzlich wieder auf einer Tournee. Doch seine große Zeit als anerkannter Songschreiber, der den Nerv der Zeit nicht nur traf, sondern poetisch gleichermaßen reizte wie tröstend beruhigte und dazu auch noch ein Sänger mit Hitpotential war, diese große Zeit liegt 40 Jahre zurück. Heute erinnert man sich seiner gerne, das ist aber auch alles und ist doch so wenig nicht.
Zu seinem 60. Geburtstag erschien mit „Rearview Mirror“ ein „neues“ Album von Don McLean – es war schon wieder ein rückblickender Sampler mit Archiv-Material. Dazu gehörte, wer hätte das gedacht, erneut einer seiner beiden Tophits: „American Pie“ in der Originalversion.
Was aus nur zwei großen Songs so alles werden kann.
Mit dem anderen großen Song von ihm, seiner einfühlsamen Gitarrenballade „Vincent“ über den gebrochenen Malergenius van Gogh gelang ihm eines der schönsten romantischen Lieder aller Zeiten.
Dies ist der Versuch einer Textübersetzung:

Die sternenübersäte Nacht malt deine Palette in Blau und Grau.
Du hast den Blick für einen Sommertag mit Augen,
die das Dunkel meiner Seele erkennen.
Schatten über den Hügeln skizzierte Bäume und Narzissen,
überrascht von der Kühle einer Winterbrise,
festgehalten in Farben auf einer verschneiten Leinwand-Landschaft.
Und jetzt verstehe ich, was du mir sagen wolltest.
Und wie du gelitten hast um deine geistige Gesundheit zu erhalten.
Wie sehr du versucht hast, sie alle zu befreien.
Sie haben dir nicht zugehört, weil sie nicht wussten wie.
Vielleicht hören sie jetzt.

Sternenübersäte Nacht.
flammende Blumen, die hell lodern.
Wolkenwirbel in violettem Dunst reflektieren Vincents tiefblaue Augen
Farben in fortwährendem Wechsel.
Bernsteingelbe Felder im Morgenlicht.
Verwitterte Gesichter, in die der Schmerz hineingezeichnet ist,
gelindert von der liebevollen Hand des Künstlers.

Sie konnten dich nicht lieben,
so sehr und so ehrlich du sie auch geliebt haben magst.
Und in dieser Nacht aus Sternenlicht,
als in dir die Hoffnung erlosch,
in dieser Nacht hast du dich ausgelöscht,
so wie es Liebende oftmals tun.
Nur, Vincent, ich hätte dir sagen können,
dass diese Welt nicht gemacht ist für jemanden,
der so wunderbar ist wie du.

Sternenübersäte Nacht.
Porträts hängen in leeren Hallen.
Gesichter ohne Rahmen auf namenlosen Wänden.
Mit Augen, die die Welt gesehen haben und nicht vergessen können.
So wie Fremde, die man getroffen hat.
Zerrissene Menschen in verschlissenen Kleidern
liegen zwischen den silbernen Dornen blutig roter Rosen
zerstört und gebrochen auf jungfräulich weißem Schnee.

Ja, heute glaube ich zu wissen, was du mir zu verstehen gabst.
Wie du gelitten hast, in Angst um deine geistige Gesundheit
und wie du versucht hast, dem Ausdruck zu verleihen,
Sie haben dir damals nicht zugehört, sie hören dir heute nicht zu.
Sie werden dir wohl nie zuhören.

“Vincent” live 1972

“Vincent” live 1999

1976 wagte Don McLean ein schönes Experiment mit seinem Publikum. Das Auditorium zum Mitsingen zu bewegen, das kann jeder. Aber mit seinem Publikum gemeinsam einen Kanon zu singen, das ist schon etwas ganz Besonderes, vor allem, wenn der Kanon deutlich schwieriger zu singen ist als z.B. „Bruder Jakob“
Der Solist Don McLean gibt den Anstoß und führt sozusagen Regie, doch dann übernimmt das Publikum die Idee des Kanons und dessen Ausführung. Der Impuls gebende Solist wird dann gar nicht mehr gebraucht, erst am Ende, um das erreichte Ziel zum harmonischen Abschluss zu bringen. Don McLean singt die Gesamtmelodie des dreigliedrigen Kanons zunächst unisono mit seinem Publikum, dann teilt er das Publikum in drei Teile auf und lässt die drei Teile nacheinander versetzt in den Kanon einsteigen und meint in seiner Zwischenansage launig, sie sollen alle ihren Part tapfer weitersingen und sich vom Nachbarn nicht durcheinander bringen lassen, selbst wenn man meinen würde, es würde drunter und drüber gehen wie in einer Waschmaschine. Der Kanon heißt „Babylon“ – und diese Live-Aufnahme gehört für mich zu den anrührendsten der Popgeschichte.

Der Jubel ist groß beim Publikum, zu recht, da wäre man gerne dabei gewesen. Diese Live-Aufnahme von 1976 strahlt eine ungemein innige Emotionalität aus, das ergreift, berührt, löst Gänsehaut aus. Don McLean sang den Kanon Babylon gemeinsam mit seinem Konzertpublikum. Das war eine weitere Hommage an den Sänger und Songschreiber, der 75 Jahre alt geworden ist.
Die von ihm alleine aufgenommene Studioaufname seines Songs „Babylon“ klingt so: (nicht schlecht, aber in der Ausstrahlung nicht vergleichbar mit der Liveaufnahme und dem Chor des Publikums):

Nach 14 Jahren Sendepause erschien im Mai 2009 das bis dato vorletzte Album von Don McLean mit neuen selbstverfassten Songs „Addicted To Black“, eine durchaus hörenswerte Sammlung von 11 neuen Songs, darunter die Vertonung eines Gedichts von William Shakespeare „Lovers Love The Spring“. Aber neue Songs von Don McLean schienen niemanden mehr zu interessieren. Das Album blieb unbeachtet. Nicht besser erging es auch seinem letzten Album „Botanical Gardens“ von 2018.
In seiner Ballade „I Was Always Young“ aus dem Album „Addicted To Black“, singt er zur Akustikgitarre in seinem typischen Stil, der sich seit seinen frühen Anfängen kaum verändert hat: „Während ich alt wurde, bin ich in der Vergangenheit hängen geblieben. Die Zukunft muss irgendwo gestoppt worden sein. Vielleicht hat sie nie existiert. Doch zu guter Letzt bin ich alt georden“. Und das, obwohl er doch immer jung war

Auch wenn seine große Zeit längst Geschichte ist, Don McLean war und bleibt ein großer Singer/Songwriter. Er erhielt viele Ehrungen und Auszeichnungen und wird von manchen jungen Musikern wie Jake Bugg oder Drake als wichtige Inspiration für die eigene musikalische Entwicklung genannt.
Und nicht zu vergessen: Don McLean war und ist auch ein Könner als Banjo-Spieler.

Don McLean 2018, live in Gateshead, UK (Foto: Don McLean, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons)