Corona Selbsttest

Bin ich infiziert?

Corona und kein Ende

Coronavirus
(Graphik: Wikipedia, Nilses, Public domain, via Wikimedia Commons)

Corona-Selbsttest: Wenn Sie wissen, wie man dieses Telefon bedient, gehören Sie zur Risikogruppe

Wählscheiben-Telefon 50er Jahre (Foto: Bran, Public domain, via Wikimedia Commons)

Ja, ich gehör’ zur Risikogruppe und ich glaub, mich hat’s erwischt. Muss so sein. Die Symptome sind eindeutig. Ja, ich bin mir sicher: Ich hab mich infiziert – an der Corona-Glotzeritis. Wie manisch kucke ich sie alle: die Corona-Spezial-, Corona-Extra-, Corona-Sondersendungen, ob in ARD, ZDF, HR-Fernsehen, Arte, 3-sat, Phönix, Tagesschau24, n-tv, zur Not auch RTL. Die Not ist groß, wenn zwei Corona-Spezial-Sendungen parallel, also gleichzeitig laufen. Was dann? Hektisches hin-und-her-zappen, wenn ein Politiker redet, oder wenn Reporter in leeren Fußgängerzonen stehen und berichten, dass die Fußgängerzone „wie sie hinter mir sehen“ leer ist. Und wie ich mich freue, wenn genau in diesem Augenblick ein tapferer Passant durch das Bild läuft, als Beweis, es gibt doch noch Leben auf dem Planeten.
Diese furchtbaren Bilder aus Kliniken in Italien, New York und anderswo:
"Wir werden einer nach dem anderen in den Sack gesteckt, sagte seufzend mein Bedienter jeden Morgen, wenn er mir die Zahl der Toten oder das Verscheiden eines Bekannten meldete. Das Wort ,in den Sackstecken‘ war gar keine Redefigur; es fehlte bald an Särgen, und der größte Teil der Toten wurde in Säcken beerdigt."
Heinrich Heine berichtete über die Cholera-Epidemie in Paris im April 1832 – erschreckend aktuell: http://www.heinrich-heine-denkmal.de/heine-texte/cholera.shtml
Man kriegt diese Bilder nicht aus dem Kopf, fühlt sich wie gelähmt, ausgeliefert, ohnmächtig. Auch wenn man sich ablenkt, mit Dingen sich beschäftigt, die eigentlich und tatsächlich Freude machen, da ist immer dieser dunkle Schatten, der sich über das objektiv Schöne, das es doch immer noch gibt, über das kleine Pflänzchen Lebensfreude, über die draußen sichtbare sonnendurchflutete Landschaft unheilvoll legen will. Was sind das für komische, absurde, gefährliche Zeiten. Es ist Frühling, die Zeit des Aufbruchs und man selbst fühlt sich und ist es: eingesperrt. Die Luft ist erfüllt von aufknospender Freiheit, vom wunderbaren Duft der ersten Blüten, vom vitalisierenden Odem der Natur – und man soll Mundschutz oder Atemmasken tragen.
Aber auch das passiert: wenn ich mit dem Rad durch die Felder und an Streuobstwiesen vorbeifahre und begegne einem Spaziergänger oder Radfahrkollegen, dann schenkt man sich ein kurzes Lächeln oder nickt sich aufmunternd zu. Wildfremde Menschen kommen sich mit kleinen Gesten für kurze Momente mitmenschlich näher. Und das gerade in Zeiten des „social distancing“. Wie schön.
Man denkt mehr an seine Lieben, rückt näher mit ihnen zusammen, freut sich über kommunikativen Austausch mit Freunden und Bekannten, und schenkt auch andern mehr Beachtung. Und es wird einem täglich bewusst, dass die Kassiererin im Supermarkt und der Pfleger im Seniorenheim und die Krankenschwester auf der Intensivstation abertausendfach „systemrelevanter“ und für die Gesellschaft wertvoller sind als der Hedgefonds-Manager, der auf fallende Kurse wettet.
Und dann freue ich mich über witzige Corona-Videos und Fotos, die mir von Freunden und Bekannten zugeschickt werden, kreative digitale Heimarbeit-Basteleien mit dem Impetus „Wir-lassen-und-nicht-unterkriegen“, die sich mit ihrem trotzigen Galgenhumor noch schneller verbreiten als das Virus selbst. Und ich freu mich erst recht über ein Gedicht, das uns Freund Ludo schickt:

Im Hier und Jetzt II

Täglich diese bittere Pille:
Immer noch kein Land in Sicht
Die Hoffnung trägt uns durch den Tag
Üben wir halt weiterhin Verzicht

Nebensächliches wird zur Nebensache
Das Hauptsächliche ist keine Fiktion
Wir befinden uns in einem Horror-Film
Mit Überlänge – das wissen wir schon

Setzt Sommerhüte auf und öffnet die Fenster
Bleibt bitte zuhause trotz Sonnenschein
Lasst uns eine gute Flasche köpfen
Es soll und wird nicht die letzte sein

P.S. Natürlich – bezogen auf die letzte Strophe – geht es auch mit Grünem Tee, Cola, Bier, Sprudel, Apfelsaftschorle… Je nach Gusto. Prost!
(Erster Entwurf; März 2020 > Ludo A. Kaiser)

Die Neufassung von The Knack "My Sherona" spricht/singt/schreit uns aus der Seele. Lasst uns alle auf unsere Balkone treten und lauthals mitsingen: