Einer der letzten seiner Art – Radiolegende Werner Reinke zum 75. Geburtstag (am 19. Juni 2021)

Als Moderator eine Institution der deutschen Radiogeschichte („Bester deutscher Radiomoderator 2012“)

daneben Zeitzeuge und musikjournalistischer Begleiter der Pop-Historie

Werner Reinke in der Rebell(i)schen Studiobühne, Dez. 2017 (Foto Klaus Faust)

Format-Radio hat mit „Format“ im Sinne einer besonderen Qualität, eines herausragenden Ranges wenig zu tun, sondern nur mit Formatierung, Reglementierung und Schablonisierung. Im Gespräch aus Anlass seines 75. Geburtstags plädiert Werner Reinke vehement für die Betonung von Autorensendungen und damit für das Einschalt-/„Hinhör“-Radio im Gegensatz zum Nebenbei-/„Weghör“-Radio, wie es auf den Popwellen des öffentlich rechtlichen Radios seit Jahren praktiziert wird. Reinke prophezeit dem „linearen“ Formatradio einen dramatischen Niedergang, sollte sich nichts an den überholten Formatkonzepten ändern.

Wie die öffentlich rechtlichen Radios auf den Erfolg der kommerziellen Privatradios reagiert hätten, sei völlig falsch gewesen, sagt Reinke: „Wir sollten Wortbeiträge nicht nach der Länge, sondern nach der Qualität beurteilen und wir sollten Musik nicht nach Charts beurteilen, sondern nachdem, was wir unsern Hörern Gutes tun können.“

In Zeiten von Musik on demand, Podcasts, Audio-Streaming-Diensten und Musikplattformen „sehen all die Leute, die Formatradio gemacht haben (und machen) ziemlich alt aus. Denn irgendwann wollen die Leute auf einen Knopf drücken und Inhalte hören. Und Inhalt ist nicht: ‚Hallo, hier ist der Sender sowieso. Ich bin der Hermann Hugendödel. Wir haben gute Laune und ziehen Ihnen jetzt die Bettdecke musikalisch weg mit den Simple Minds. Viel Spaß!“
Dieses Radio wird über kurz oder lang in der Versenkung verschwinden, davon ist Werner Reinke überzeugt. Und fragt man ihn, wie die Rettung des Radios aussieht, respektive sich anhört, dann verweist er auf seine dreistündige Sendung „Reinke am Samstag“, die populärste Sendung der formatierten Radiowelle hr1. Wobei jedem Programmverantwortlichen zu denken geben sollte, dass Werner Reinke sich herzlich wenig an die vorgegebenen Formatierungsrichtlinien hält. Heißt es im Stylebook des Formatradios als eindeutige Anweisung an den Moderator: „Du darfst in unserem Sender über (fast) alles reden, außer über 2 Minuten Länge“, erlaubt sich Reinke auch schon mal einen Redebeitrag von 8 Minuten am Stück – und seine Hörer jubeln. Was lernen wir daraus ... ?
Hier ist das knapp zweistündige Interviewgespräch zu hören:

Auf die Frage zu seinen persönlichen musikalischen Vorlieben und ob es einen besonderen Song gibt, der ihm ganz besonders wichtig ist, nennt Werner Reinke im Gespräch einen Song von Bob Seger & The Silver Bullet Band "Like A Rock" - so wollte er sein.

„Werner Reinke ist aus dem Radio nicht wegzudenken. Als Moderator mit Haltung und Leidenschaft sorgt er dafür, dass seine hr1-Sendungen nie flüchtig geraten. Seine Musikbegeisterung und sein unerschöpfliches Fachwissen machen ihn zu einem glaubwürdigen Vermittler. Mit Erzähltalent und tausenden Geschichten hinter den Songs weiß er zu fesseln. Und was wäre Hörfunk ohne diese Stimme? Sein zart schmelzender Sprechbariton ist eine markante Gabe, die er präzise einsetzt, gepaart mit herausragendem Sprachgefühl." So urteilte die Jury des Grimme-Instituts in ihrer Begründung für die Verleihung des Deutschen Radiopreises 2012 in der Kategorie „Bester Moderator“ an Werner Reinke.

Werner Reinke in der Rebell(i)schen Studiobühne Dez. 2017 (Foto: Klaus Faust)

Ich durfte Werner Anfang der siebziger Jahre kennen lernen, als er noch zwischen Radio Bremen, wo er als Nachrichtensprecher und DJ angefangen hatte, und dem Hessischen Rundfunk pendelte. Ich war damals schon von seiner Professionalität und seinem Selbstbewusstsein schwer beeindruckt. Irritiert hatte mich zwar anfänglich seine – nach meinem Empfinden – etwas überstrapazierte DJ-Masche, in seinen Sendungen statt Moderationen zwischen den Songs vorproduzierte Jingles einzubauen, Jingles, in denen die Power-Stimme eines AFN-Kollegen zu hören war: „and now Werner Reinke presents Soul Music / Rock’n’Roll ...“ etc.. Derlei signalisierte, dass Mr. Reinke sich nicht als normaler Popmusik-Ansager, sondern als Star-DJ verstand. Und das war er ja auch, dank seines Könnens und seiner Raum und Äther füllenden Ausstrahlung. Aber er war und ist das ohne Starallüren, ohne im Entferntesten arrogant oder überheblich zu sein. Er war und blieb ein Kumpel und freundlicher, stets hilfsbereiter Kollege.
Was ich von ihm lernen konnte, war z.B. Lockerheit, Chuzpe und Attacke statt Rückwärtsgang. Mit großen Augen und offenem Mund konnte man nur bewundern, wie er mit Pannen in einer Live-Sendung umging. Natürlich hakte mal ’ne Platte, oder war der falsche Schnitt eingestellt; oder etwas Unvorhersehbares passierte, oder er verstolperte mal ein Wort (was extrem! selten vorkam) – doch das waren niemals Fehler oder Pannen für ihn, sondern immer ein geradezu willkommener Anlass, damit improvisierend zu spielen und einen Spontan-Gag, eine kesse Pointe daraus zu entwickeln.
Seine Live-Sendungen waren und sind bis heute perfekte Anschauungsbeispiele für eine technisch „saubere“, souveräne Radio-Performance. Ich kenne keinen Radiomacher und „Selbstfahrer“ (sprich: Moderator und DJ/Techniker in Personalunion) von Live-Sendungen, der dieses Medium – formal wie inhaltlich – ähnlich souverän beherrscht wie Werner Reinke.

Werner Reinke (Foto hr1)

Von 1974 bis 1989 moderierte und „fuhr“ Werner als Live-DJ das Flagschiff der Hörfunkunterhaltung im hr, die ungemein populäre hr3-Sendung „Hitparade International“, immer donnerstags abends. Heute ist Werner die „prägende Stimme“ (hr) im Sender hr1 und führt mit seiner Kult-Sendung „Reinke am Samstag“ eine große Radio-Tradition weiter: die Tradition der Personalityshows, in der Charakterköpfe mit Herz und Sachverstand ihren Hörern ein individuelles Programm vermitteln konnten, ohne sich durch Formatvorgaben gängeln zu lassen, und: ohne das Diktat der Einschaltquoten. Werner Reinke gelingt es bis heute, Anspruch und Quote in der Balance zu halten. (V. Rebell)

Werner Reinke & Volker Rebell in der Rebell(i)schen Studiobühne Dez. 2017 (Foto Klaus Faust).

Ein Ausschnitt aus Werner Reinkes Bühnenprogramm „Blues & Blödsinn“ mit Bluesgitarrist und Sänger Biber Herrmann. (aus vertragsrechtlichen Gründen leider ohne Werner Reinkes Textrezitation)

mehr Infos über Werner Reinke, siehe: http://www.wernerreinke.de/

als Zugabe noch ein schönes Video: Werner Reinke erzählt, wie er zum Radio kam: