Er hat mehr als nur ein zärtliches Gefühl
Dieser Künstler ist ein Phänomen, ein Unikat. Niemand ist mit Herman van Veen vergleichbar. Als schier grenzenlos begabter Kunst-Universalist nimmt er seit Jahrzehnten eine Ausnahmestellung ein. In erstaunlich vielen Kategorien besticht er mit hoher künstlerischer Qualität: als Sänger, Songschreiber, Violinist, Schriftsteller, Geschichtenerzähler, Clown, Pantomime, Parodist, Tänzer, Performer, Entertainer und Maler. Und dann ist da noch sein Charisma, seine außergewöhnliche Bühnenpräsenz, womit er sein Publikum schon seit den frühen siebziger Jahren fesselt. Seine Musik, seine Texte, seine Konzerte zeichnen sich gleichermaßen durch Sensibilität und Haltung aus, durch Fantasie und Stringenz, durch überbordende Kreativität und gleichzeitig professionelles Handwerk.
Am 14. März 1945 wurde er als Hermannus Jantinus van Veen im niederländischen Utrecht geboren. Sein 80. Geburtstag ist Anlass genug, das beeindruckende Lebenswerk dieses vielseitigen Künstlers zu würdigen, der wie kaum ein anderer die Grenzen zwischen Musik, Literatur, Clownerie, theatraler Performance und bildender Kunst verwischt hat.
Musik zwischen Chanson, Singer/Songwriter-Stil und Kunstlied
Seine Musik, mal zart, konzertant und fragil, dann wieder mit einem Hauch von irritierender Expression und Launenhaftigkeit, erinnert oft an die tiefgründigen Chansons der französischen Tradition genauso wie an das angloamerikanische Singer/Songwriter-Genre und nicht minder an das Kunstlied der europäischen Romantik. Van Veen versteht es, seine Melodien mit einer subtilen Harmonik zu verweben, die mehr ist als nur ein musikalisches Gerüst – sie wird zur Brücke, die den Hörer über das Gewöhnliche hinaus in eine Welt voller Geheimnisse und Stimmungen führt. Seine Arrangements, gemeinsam mit seinen hervorragenden Begleitmusikern ausgearbeitet, sind ein Meisterwerk an Feinarbeit, in denen sich scheinbare Widersprüche vereinen: Die Violine, als eines seiner Markenzeichen, erklingt erst sanft, dann wieder schneidend, und trifft immer den richtigen Ton, um zu berühren. Die originelle, meist konzertante Instrumentierung, die von Klavier und Konzertgitarre geprägt wird, aber auch Pauken, Tuba, Triangel, Kazoo und sogar eine verzerrte E-Gitarre einschließen kann, eröffnet Klangräume von seltener Sound-Vielfalt.
Diffizile Arrangements und eine Stimme, die berührt
Die Arrangements seiner Stücke sind oft diffizil und vielschichtig, sie laden den Zuhörer ein, in eine Klangwelt einzutauchen, die sowohl melancholisch als auch hoffnungsvoll ist. Hier trifft die klassische Musikausbildung auf die Freiheit des Chansons und des europäischen Artpop. Das Ergebnis ist eine harmonische Symbiose, die auch Reibung und Irritation kennt.
Und über allem schwebt diese unverwechselbare Stimme, warm und raumfüllend, sonor und seelentief und der eine emotionale Strahlkraft innewohnt, die ihresgleichen sucht.
Doch die Arrangements sind nur ein Teil von van Veens einzigartiger Musikalität. Es ist auch die Struktur seiner Lieder, die sie zu einem intensiven Erlebnis machen. Van Veen lässt sich nicht in vorgefertigte Formen pressen, sondern scheint mit jeder neuen Komposition ein eigenwilliges, durchdachtes Gefüge neu zu entwickeln. Es sind diese mal zarten, mal schroffen Übergänge, die plötzlich nach einem Moment der Zurückhaltung zu einem Ausbruch an ungestümer, herausfordernder Emotionalität führen – ein Signet, das von der Wirkungsmacht der Kontraste lebt.
Poetische Texte, universell, tiefgründig und voller Ironie und Humor
Die Song-Lyrics, so feinsinnig und oft mit einer melancholischen Leichtigkeit, wirken in ihrer einfachen Sprache universell und tief zugleich. Seine poetischen Texte, die von Liebe, Verlust, Freude und Trauer handeln – Themen, die universell sind und die jeder Mensch auf seine Weise erlebt – wurden und werden vom deutschen Drehbuchautor, Übersetzer und Fernsehredakteur des WDR Thomas Woitkewitsch ins Deutsche übertragen.
In den Liedern findet man oft eine subtile Ironie, mitunter auch schwarzen Humor, Sarkasmus und Spott, während gleichzeitig immer eine tiefere, nachdenkliche Ebene mitschwingt. Van Veen versteht es meisterhaft, mit wenigen Worten große Emotionen zu transportieren, und seine Fähigkeit, das Alltägliche in etwas Außergewöhnliches zu verwandeln, ist bemerkenswert.
Doch nicht nur seine Musik und Texte machen Herman van Veen zu einem außergewöhnlichen Künstler. Auch seine Konzerte sind legendär. Auf der Bühne verwandelt er sich in einen Harlekin, der mit Charme und Witz das Publikum in seinen Bann zieht. Seine Bühnenpräsenz ist magnetisch, und es scheint, als würde er mit jedem einzelnen Zuschauer eine persönliche Verbindung eingehen.
Harlekin und Geschichtenerzähler, sensibel und subversiv
Im Konzert ist er ein Geschichtenerzähler, der das Publikum auf eine Reise mitnimmt, in der man auf absurde Wendungen gefasst sein muss. Die oftmals schrägen Glossen und verspielten Texte, die er vorträgt, wirken wie Surrealitäten aus der Welt des Theaters, in denen jede noch so kleine Geste und jedes Wort von Bedeutung ist. Manchmal sind sie die überhöhte Form von Banalisierungen, manchmal verschroben und irritierend, dann wieder lyrisch und tiefsinnig, oft auch politisch brisant. Doch stets versteht er es, eine Atmosphäre zu schaffen, die den Raum zwischen den Worten und Tönen zum Leben erweckt.
Das Besondere an seinen Auftritten ist nicht nur seine Musikalität und sprachliche Fantasie, sondern auch seine beeindruckende Ausdruckskraft. Er ist der Archetyp des Harlekins, der in seiner Rolle als Narrenfigur in der Lage ist, tiefe Wahrheiten zu vermitteln und auch mal frech zu provozieren. In einer Welt, die oft von Eitelkeit und Leere geprägt ist, zeigt er durch seine Musik und seine Geschichten eine alternative Perspektive auf die Welt: Eine, die geprägt ist von Authentizität, Sensibilität und einer ganz eigenen, leisen Form der Subversion.
Herman van Veen ist ein Künstler, der es verstanden hat, den Menschen nicht nur Musik zu schenken, sondern auch eine Haltung zur Welt. 80 Jahre voller Kreativität, Witz, Liebe und (selbst-)ironischer Distanz – und das alles in einem Konzert, in dem sich das Leben, das Lachen und das Weinen ständig die Hand reichen. Wenn er auf der Bühne steht, so ist es nicht nur seine Musik, die berührt, sondern auch der Mensch, der hinter den Tönen steht: Der Harlekin, der zeigt, wie schön es ist, auch mal aus der Rolle zu fallen.
Auf „80“-Tour
Seit dem 7. März ist er auf großer „80“-Tournee, steht sogar an seinem 80. Geburtstag, dem 14. März in Amsterdam auf der Bühne und kommt ab dem 27. März auch auf deutsche Bühnen.
Playlist zur Sendung „Herman van Veen – zum 80. Geburtstag“
Artist / Track / Album / Label
1. L. Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik) / Touch Me There / Zappa Records
2. Herman van Veen / Fallen oder Springen / Fallen oder Springen / Universal
3. Herman van Veen / Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl / Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl / Polydor
4. Herman van Veen / Kleiner Fratz / Ich hab‘ ein zärtliches Gefühl / Polydor
5. Ralph McTell / Girl On A Bicycle / My Side of Your Window / Sanctuary Records Group Ltd., BMG
6. John Lennon / Look At Me / Plastic Ono Band / EMI, Apple
7. Herman van Veen / Look At Me / Als Het Goed Is, Live in Carré 2022 / Harlekijn
8. Herman van Veen / Einsam, zweisam, dreisam / Die Anziehungskraft der Erde / Polydor
9. Herman van Veen / Bis jemand mich hört / Unter uns / Polydor
10. Herman van Veen / Esel / Hin und wieder / Boutique, Universal
11. Herman van Veen / Ja, aber was / Hin und wieder / Boutique, Universal
12. Herman van Veen / Signale / Signale / Polydor
13. Herman van Veen / Jahreszeiten / Jahreszeiten / Droemer Knaur
14. Herman van Veen / Bilanz / Fallen oder Springen / Universal
15. Herman van Veen / Fenster (instrumental) / Was ich dir singen wollte / Polydor
Die Sendung „Herman van Veen – zum 80. Geburtstag“ läuft in ByteFM am 13.03. um 23 Uhr und am 15.03.2025 um 14 Uhr, wird von Antenne Mainz über DAB+ und UKW ausgestrahlt am 13.03. um 23 Uhr und am 16.03.2025 um 22 Uhr – und läuft in Radio-Rebell vom 8. bis 15. März 2025, jeweils um 22 Uhr.
Der Zusammenschnitt der Sendung „Herman van Veen – zum 80. Geburtstag“ ist als Podcast hier zu hören: