Demontiert sich der umstrittene Pink Floyd-Gründer nun auch noch musikalisch?
„Welcome to hell“, brummelt Roger Waters mit knarziger Grabesstimme im neu hinzugefügten Text seiner Überarbeitung des Pink Floyd-Songklassikers „Money“ aus dem bahnbrechenden Album „Dark Side Of The Moon“ von 1973. Die neue Songzeile „Willkommen in der Hölle“ könne man wörtlich nehmen, schrieb ein Kritiker: „Das ist die musikalische Hölle!“ In einem anderen aktuellen Kommentar kann man lesen, Roger Waters sei „der Mann, der Pink Floyd erfand und nun zerstört“ (Stuttgarter Zeitung 06.09.23). Und dpa fragte, war es „Geltungsdrang oder Größenwahn“, was Roger Waters dazu getrieben habe, eine Neubearbeitung des Meisterwerks „Dark Side Of The Moon“ ohne die übrigen Pink Floyd-Musiker als Soloproduktion aufzunehmen?
Zwei Songs seiner „Redux“ genannten Neufassung, die am 6. Oktober erscheinen soll, sind vorab veröffentlicht worden – neben „Money“ auch der Song „Time“, beides echte Neuinterpretationen. Nicht nur die soundprägenden Toncollagen der Originalsongs, die Ladenkassenklingeln (Money) und das Uhrenticken (Time) sind in der Neufassung gänzlich verschwunden, auch die ursprüngliche Rock-Anmutung wurde zugunsten einer klangreduzierten, im Tempo verlangsamten, kammerpop-ähnlich dunkel schimmernden Sound-Inszenierung aufgegeben. Statt E-Gitarrensoli hört man Theremin-Melodien; statt E-Piano und Synthie-Klangflächen übernehmen durchaus originelle Streicherarrangements und akkordische Motive der Hammondorgel die Grundierung für Roger Waters raunenden Sprechgesang, der an Charakterstimmen von Cohen, Dylan und Waits erinnert.
Für alle, die jeden Ton der Originalsongs im Ohr haben, klingen die Neufassungen fremd, gewöhnungsbedürftig, vielleicht langweilig oder anmaßend, auch überflüssig. Aber „musikalische Hölle“? „Pink Floyd-Zerstörung“?
Roger Waters spricht in der Videoankündigung seines neuen „Dark Side Of The Moon-Redux“ Soloalbums von einer künstlerischen Großtat: „Die neue Aufnahme ist reflektierter und zeigt mehr, was das Konzept der Platte war. Es ist eine Neuinterpretation, und ich hoffe, dass wir ihr mehr abgewinnen können als 1973, als sie zum ersten Mal herauskam.“ Ist das ein Beleg für „Geltungsdrang und Größenwahn“?
Selbst in Fanzirkeln der Pink Floyd-Gemeinde wird das neue Waters-Werk mit gemischten Gefühlen, mit Vorbehalten und Skepsis erwartet.
So scheint Roger Waters nach den massiven Irritationen, die seine umstrittenen politischen Meinungsäußerungen und seine Provokationen auf der Bühne ausgelöst haben, nun auch noch ein musikalisches, künstlerisches Problem mit seiner „Redux“-Produktion zu bekommen. Reduziert, um nicht zu sagen demontiert sich ein einstmals gefeierter Rockstar selbst?
Seine unbestrittenen Qualitäten als Songschreiber und Album-Konzeptionist, vor allem zu Zeiten von Pink Floyd, aber auch in seiner Solozeit, kommen in der Radiosendung zu Roger Waters 80. Geburtstag zur Sprache und zu Gehör, aber auch die Schwierigkeit, ob eine Trennung zwischen dem künstlerischen Werk und dem Künstler Roger Waters überhaupt noch möglich ist.
Die Playlist zur Sendung zum 80. Geburtstag von Roger Waters
Artist / Track / Album / Label / Zeitplan
1. L.Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik) / Touch Me There / Zappa Records /
2. Roger Waters / Smell The Roses / Is This The Life We Really Want? / Columbia
3. Roger Waters / Two Suns In The Sunset / The Lockdown Sessions / Legacy
4. Roger Waters / The Bravery of Being Out of Range / Amused To Death / Columbia
5. Roger Waters / Eclipse (Live in Amsterdam, June, 2018) / Us & Them / Columbia
6. Roger Waters / Introducing The Dark Side Of The Moon Redux / https://rogerwaters.com /
7. Roger Waters / Breath, Breathe (Reprise) / Us & Them / Columbia
8. Roger Waters / Money (Redux) / The Dark Side Of The Moon Redux / Legacy
9. Roger Waters / Time (Redux) / The Dark Side Of The Moon Redux / Legacy
Die Radiosendung wird von Antenne Mainz am 07.09.23 um 23 Uhr über DAB+ und UKW ausgestrahlt – und ist in Radio-Rebell zu hören: am 08. und 09.09.23, jeweils um 22 Uhr.
Der Zusammenschnitt der Sendung zum 80. Geburtstag von Roger Waters mit Moderation, O-Tönen und nur kurz angespielten Songs (lediglich zur Dokumentation, wiedergegeben mit geringer Bitrate 112 kBit/sec.) ist als Podcast hier zu hören: