vom Jazz zur Hitfabrikation, von dort zum Jazzrock-Experiment und schließlich zum ambitionierten Qualitäts-Rock,
Davy ist noch immer gerne on the road
Zum 80. Geburtstag von Manfred Mann
Der in Südafrika geborene Jazzmusiker Manfred Lubowitz kam 1961 erwartungsvoll nach London. Doch da sein Jazzquartett erfolglos blieb, wechselte er ins Pop-Lager über, nannte sich und seine Beat-Band Manfred Mann, produzierte simple Single-Songs und hatte auf Anhieb durchschlagenden Erfolg. Zwischen 1964 und ’68 konnte er 11 Top-Five-Notierungen verbuchen, darunter die Nr.1-Hits „Doo Wah Diddy“, „Pretty Flamingo“ und „Mighty Quinn“.
Diese Charts-Erfolge wurden dem ehemaligen Jazzpianisten zunehmend peinlich. Weil er keine musikalische Befriedigung mit seiner Manfred Mann-Hitmaschinerie finden konnte, gründete er 1969 die avantgardistische Jazzrock-Band Chapter Three. Nun konnte er zwar wieder erhobenen Hauptes auf die Bühne und ebenso selbstbewusst auch wieder von ihr herunter gehen, doch vor der Bühne standen nur wohlwollend applaudierende Kritiker und Jazzrock-Fans. Um auch wieder ein breiteres Publikum erreichen zu können – ohne auf ambitioniertes Musizieren verzichten zu müssen – startete er 1971 sein viertes Band-Kapitel: Manfred Mann’s Earth Band, charts-orientiert, aber progressiv ausgerichtet.
Nach Anfangsschwierigkeiten konnte sich die Earth Band Reputation und Erfolg gleichermaßen erspielen, vor allem mit gelungenen Cover-Versionen – wobei nur Songs bedeutender Songschreiber interpretiert wurden, um nur Bob Dylan, Bruce Springsteen, Bob Marley, Sting, Joni Mitchell und Paul Weller zu nennen. Sogar Single-Hits stellten sich ein, etwa mit „Blinded By The Light“(1976) und „Davy’s On The Road Again“(1978), aber auch großartige Alben entstanden wie z.B. „The Roaring Silence“ (1976), „Watch“ (1978) oder – als Trendsetter – das erste Ethno-Pop-Album überhaupt: „Somewhere in Africa“ von 1982. In seinem hörenswerten Soloalbum „Manfred Mann’s Plains Music“ von 1991 beschäftigte er sich mit der ethnischen Musik der nordamerikanischen Indianer. Das Album „2006“ (veröffentlicht 2004) enthält eine Kooperation mit dem Fanta Vier-Rapper Thomas D.
Die Liste der Gruppenmitglieder, die den verschiedenen Manfred Mann-Formationen angehörten, enthält etliche namhafte Musiker wie z.B. Jack Bruce, Paul Jones, Tom McGuiness, Klaus Voorman, Mike D’Abo, Chris Slade, Chris Thompson, Mick Rogers, etc..
Manfred Mann ist mit seiner Earth Band – was deren musikalische Bedeutung und Marktwert angeht – inzwischen ins zweite oder dritte Glied zurückgetreten, doch live kann die Band noch immer überzeugen. Die für Frühjahr und Sommer 2020 geplanten Konzerte mussten allerdings wegen Corona abgesagt werden. Alle Konzerte sollen ab 2021 jedoch nachgeholt werden. Für August 2021 sind bereits zwei Konzerte in Dänemark betätigt.
Mit den frühen Manfred Mann-Hits der sechziger Jahre tourt seit 1991 die Oldies-Band The Manfreds durch die Lande, ein Zusammenschluss von Bandmitgliedern der Original-Manfred Mann-Besetzung (u.a. mit Paul Jones, Tom McGuiness, Mike Hugg, Mike D’Abo). Deren umfangreiche Tour, die von März bis November 2020 durch das gesamte Vereinigte Königreich führen sollte, musste ebenfalls corona-bedingt verschoben werden.
Aus Anlass seines 80. Geburtstag würdigt radio-rebell das musikalische Werk von Manfred Mann.
2014 erschien sein bis dato letztes Album unter seinem Namen mit dem Titel „Lone Arranger“, in dem er etliche Rock-Klassiker auf seine Weise neu und zum Teil jazzig arrangierte, darunter auch den Paradesong von Free „All Right Now“ aus deren Album „Fire And Water“ von 1970. Die Trompete spielte Till Brönner
Manfred Mann „All Right Now“
Das Album „Lone Arranger“ enthält bis auf zwei Eigenkompositionen nur Coverversionen, allerdings von ihm recht eigenwillig bearbeitet. Darunter hochgradig originell arrangierte Rockklassiker wie „Light My Fire“ von den Doors, „We Will Rock You“ von Queen oder „Nothing Compares To You“ von Sinead O’Connor/Prince. Als Arrangeur zeigt er seine ganze Klasse, während er seine Qualitäten als Komponist selbst nicht besonders hoch einschätzt. Als Songschreiber sei er nicht so talentiert wie als Arrangeur, sagte er in einem aktuellen Interview. Als Großvater mit zehn Enkeln erwarte er nicht, dass er noch großen Erfolg haben müsse. Dennoch schreibe er aktuell an neuem Songmaterial. Das mache ihm heute deutlich mehr Spaß als früher, sagte Manfred Mann in einem Interview kurz vor seinem 80. Geburtstag der Deutschen Presseagentur in London.
Am 25.10.2004 erschien sein bislang letztes Studioalbum „2006“ mit Original-Songs, an denen er als Komponist beteiligt war – so auch beim zeitlos zeitkritischen Song „Mars“ über den Gott des Krieges, dem immer wieder von Menschen gehuldigt wird.
„Mars“ • Manfred Mann's Earth Band
In einem aktuellen Interview sagte er von sich selbst, er sei nicht Manfred Mann. Doch unter diesem Namen kenne man ihn seit inzwischen 57 Jahren in der Popmusik. Mit seinem bürgerlichen Namen Manfred Lubowitz wissen nur die wenigsten etwas anzufangen. Manfred Mann gibt es seit rund 60 Jahren und Manfred Lubowitz feuert am 21.10.2020 seinen 80. Geburtstag.
Die Pophelden der 60er und 70er Jahre kommen allmählich ins fortgeschrittene Alter. Und aus den ehemaligen Stars der Jugendkultur werden reife Senioren. In den nächsten Monaten werden Phil Collins (* 30. Januar 1951), Chris Rea (* 4. März 1951), Wolfgang Niedecken (* 30. März 1951) und Sting (* 2. Oktober 1951) 70 Jahre alt. Und ihren 80. können Eric Burdon, Bob Dylan, Joan Baez, David Crosby und Paul Simon im nächsten Jahr feiern. Zu diesem runden 80. Geburtstag kann sich gerade Manfred Mann gratulieren lassen. radio-rebell reiht sich da ein in die Gratulantenschar und würdigt mit diesem Blog das musikalische Schaffen von Manfred Lubowitz alias Manfred Mann, der seit über 60 Jahren musikalisch in der Öffentlichkeit aktiv ist. Seine große erfolgreiche Zeit ist zwar längst vorüber, dennoch ist er – wie sein Song-Held „Davy“ immer noch „on the road“ (wenn auch derzeit von Corona ausgebremst) und überzeugt seine Fans nach wie vor mit hörenswerten Konzerten seiner „Earth Band“. Die nächste Deutschland-Tour ist ab Mai 2021 angekündigt.
In den Sixties war er Top of the Pops, 1969 kam dann ein radikaler Stilwechsel in Richtung Jazzrock mit seiner neuen Band Chapter Three, dann folgte 1971 der nächste Stilwechsel mit seiner Earth Band, die bis heute existiert. Die Zeiten haben sich gewandelt, sind über manchen hinweggegangen. Aber Manfred Mann ging nicht unter, sondern ging mit der Zeit und wandelte sich mit den Zeitläuften, die sich stetig ändern. For the times, they are a-changin’
„Was heute noch gilt, das hat morgen verspielt. Die Reihenfolge ändert sich und komm rasch ins Gleiten. Der Erste von heute wird einmal der Letzte sein, denn die Zeiten werden sich ändern.“ So heiß es im Originaltext von Bob Dylan. Manfred mann, der diese Bürgerrechtshymne der sechziger Jahre für sein Live-Doppelalbum „Mann Alive“ von 1998 neu interpretiert hat – gemeinsam mit seiner Earth Band – er hat in den Sechzigern und Siebzigern mal zu den Ersten in den Charts gehört. Doch die Zeiten haben sich natürlich auch für ihn geändert. Er zählt heute zwar nicht zu den Letzten, doch keines seiner Alben, die nach 1988 erschienen, konnte sich in den Charts platzieren, was, wie man weiß, nichts über die musikalische Qualität aussagt. Umjubelte Konzerte gab er mit seiner Earth Band auch in den letzten Jahren noch. Das Qualitätsnieveau der Konzerte wie der Albumveröffentlichungen war durchweg überdurchschnittlich, auch wenn es in den vergangenen 50 Jahren auch mal ein etwas schwächeres Album gab. Aber eine richtig schlechte Arbeit hat Manfred Mann mit seiner Earth Band niemals abgeliefert. Es gab im Gegenteil sogar richtig gute, wie etwa das Album „Somewhere In Africa“ von 1983, an dem auch die neuseeländische Sängerin Shona Laing beteiligt war, so auch im prophetischen Song „Eyes Of Nostradamus“
„Mensch, deine Zeit ist wie Sand, deine Wege sind wie Blätter auf dem Meer. Ich sehe mit den Augen von Nostradamus und deine Wege sind mir alle bekannt.“ Dieser Song „Eyes Of Nostradamus“, der mit apokalyptischen und visionären Themen spielt, entstammt dem im Januar 1983 veröffentlichten Album „Somewhere in Africa“, mit dem Manfred Mann seiner Zeit voraus war. Mit diesem Album hatte er sich seiner südafrikanischen Herkunft erinnert und spielte gemeinsam mit südafrikanischen Musikern das erste Ethno-Pop-Album der Rockgeschichte ein, drei Jahre bevor Paul Simon mit seinem Südafrika-Album „Graceland“ auf den Markt kam und die Lorbeeren erntete, die eigentlich Manfred Mann zugestanden hätten. Schließlich war er es, der als erster südafrikanische Rhythmen, Chöre und traditionelle Folklore-Themen mit einem Pop-Rock-Konzept verband, wie es unter anderem auch im kurzen Titelstück des Albums zu hören ist
Mit diesem südafrikanisch-europäischen Popmix hat Manfred Mann bereits 1982/83 Zeichen gesetzt, mindestens 3 Jahre bevor der Ethno-Boom in der Popmusik einsetzte. Verglichen mit früheren Alben von Manfred Mann’s Earthband, die publikumswirksamer, weil erfolgreicher gewesen sind, etwa Alben wie „The Roaring Silence“ von 1976 mit dem Single-Hit „Blinded By The Light“, oder das Folgealbum „Watch“ von 1978 mit dem Single-Hit „Davy’s On The Road Again“, verglichen damit war das Album „Somewhere In Africa“ von 1983 der inhaltlich wichtigste Beitrag von Manfred Mann für die Popentwicklung. Unerklärlicherweise blieb dieses großartige Album, das auch eine hervorragende Neufassung des Bob Marley-Titels „Redemption Song“ enthielt, wenig beachtet. Manfred Mann hatte den „Redemption Song“ musikalisch-inhaltlich und geografisch von Jamaika nach Südafrika verlagert und damit Stellung bezogen gegen das Unrechtssystem der südafrikanischen Apartheids-Politik. „No Kwazulu - Redemption Song“
Auch der großartige „Redemption-Song“ konnte als Singleauskopplung am schlechten Abschneiden des Albums „Somewhere in Africa“ beim Publikum leider nichts ändern.
Überhaupt zeigte die Popularitätskurve von Manfred Mann’s Earthband ab den 80er Jahren stark nach unten. Auch die sehr viel mehr auf Hitparadentauglichkeit hin produzierten Alben, die auf die Ausnahme-Produktion „Somewehre in Africa“ folgten, die beiden Alben „Criminal Tango“ von 1986 und „Masque“ von 87 konnten den Abwärtstrend nicht stoppen, und auch alle Folgealben bis heute fanden beim zahlenden Publikum längst nicht mehr die Aufmerksamkeit wie die populären Alben von Mitte bis Ende der 70er Jahre.
Die ersten Alben von Manfred Mann’s Earth Band, die zwischen 1972 und 75 veröffentlicht wurden, waren zwar keine Verkaufsschlager, konnten aber musikalisch und inhaltlich überzeugen. Das dritte Album der Earth Band „Messin’ von 1973 hatte sich dem Thema Ökologie gewidmet. Im Titelstück wurde die ökologische Katastrophe heraufbeschworen, die über das Raumschiff Erde hereinbrechen würde. „Wir verschandeln unser Land, das Meer, die Luft und uns selbst“ so heißt es im Text. „We’re messing up you and me”
Damals 1973 sprach noch niemand von der Klimakatastrophe, doch dieser frühe Öko-Song „Messin’“ von Manfred Mann’s Earth Band thematisierte genau dieses Problem. Das Titelstück des Albums „Messin“ ist knapp 10 Minuten lang.
So wie „Messin’“ waren auch die Songs der beiden Vorläuferalben von Manfred Mann’s Earth Band aus den Jahren 1971 bis 73 in keiner Hitparade aufgetaucht, ganz im Gegensatz zu Manfred Manns Singlehits der sechziger Jahre.
Ganz nach oben geschnellt war Manfred Manns Popularitätskurve zum ersten Mal Anfang 1964. Der im südafrikanischen Johannesburg als Sohn eines Druckers und einer Pianistin geborene Manfred Sepse Lubowitz kam als Jazzpianist 1961 nach London, weil er sich dort größere Chancen für eine Karriere ausrechnete als in seiner Heimat. Sein erstes Jazzquartett, das er gemeinsam mit dem Drummer Mike Hugg gegründet hatte, blieb erfolglos. Die in England damals aufkommende Begeisterung für Beat und Rhythm’n’Blues erfasste auch die beiden Jazzer. Also gründeten sie Ende 1962 die Band „Mann-Hugg Blues Brothers“, der sich bald auch der Sänger Paul Jones anschloss. Schon im März 1963 hatte sich die Band mit ihrem Stil aus Jazz, Beat und weißem Rhythm’n’Blues eine Fangemeinde im Londoner Marque erspielt, dem damaligen Club-Mekka in London.
Aber erst als eine Stiländerung zu noch mehr Eingängigkeit und Simplizität erfolgte, stellet sich auch der erste nationale Erfolg in England ein. Die Gruppe, die sich auf Drängen der Plattenfirma nun kurz und bündig Manfred Mann nannte, erhielt das Angebot für die populäre BBC-TV-Show „Ready Steady Go“ eine neue Titelmusik zu komponieren. So entstand der von Manfred Mann später selbst als „peinlich blöde“ bezeichnete Hit „Five Four Three Two One“, der Anfang 1964 Platz 5 in den britischen Singlecharts erreichte
Doch es kam noch besser. Im Juli 1964 veröffentlichten sie ihre erste Nr.1-Single, die allein in Großbritannien über 700.000 mal verkauft wurde und selbst die Beatles mit ihrem damaligen Hit „A Hard Day’s Night“ überrunden sollte. Von den unbekannten „Exciters“ übernahm Manfred Mann den bis dato wenig erfolgreichen, schlagerhaften Song „Doo Wah Diddy Diddy“ polierte ihn auf und machte daraus einen internationalen Bestseller.
„Dort ging sie die Straße entlang und sang „Do wah diddy diddy dum diddy do", sie schnippte mit den Fingern und schlurfte mit den Füßen und sang „Do wah diddy diddy dum diddy do" , textlich wie musikalisch nicht gerade ein großer Wurf.
Aber so simpel gestrickt waren damals im Sommer 1964 die meisten Singlehits in England und in den USA. Der Welt-Hit „Doo Wah Diddy“ war nur der Auftakt für eine Serie von Erfolgstiteln aus der Hitfabrik von Manfred Mann.
Im Rhythmus von 3 bis 6 Monaten erschienen nun Hits wie am Fließband, darunter Songs wie „Sha La La“, „Come Tomorrow“, „If You Gotta Go, Go Now“, dann der Mega-Seller vom Frühjahr 1966 „Pretty Flamingo“, danach im Sommer die erste Dylan-Coverversion „Just Like A Woman“, dann im Frühjahr 1967 wieder ein Riesenhit „Ha ha said the Clown“ und im Januar 1968 schließlich der absolute Zenit mit dem gleich folgenden Song. Schon seit 1965 war Manfred Mann bereits eine Institution im britischen Pop-Zirkus. Mit seinen dynamischen, eingängigen Singles war er ein Garant für weltweit hohe Charts-Notierungen. Die deutlich anspruchsvoller gestalteten Manfred Mann-Alben jener Zeit verkauften sich allerdings – gemessen an den Single-Erfolgen – eher dürftig. Der Erfolg-verwöhnte Manfred Mann produzierte gar mit einem Filmprojekt und dem dazugehörigen Soundtrack-Album „Up The Junction“ im Januar 1968 einen regelrechten Total-Flop. Doch die Single, die parallel dazu erschien, übertraf noch alle vorherigen Single-Erfolge – und dieser Song blieb als einziger aus Manfred Mann’s Hit-Ära der sechziger Jahre bis heute im Repertoire der Earth Band erhalten.
„Kommt alle ran, kommt alle her, so etwas wie den großen Quinn seht ihr so schnell nicht mehr”. Dieser Dylan-Song in neuer Bearbeitung ist sozusagen das Markenzeichen von Manfred Mann geworden und wird mit ihm und seiner Musik wohl am meisten identifiziert. Noch heute spielt er diesen Songklassiker von 1968 „Mighty Quinn“ bei fast jedem seiner Konzerte. Mit diesem Dylan-Song kann er sich auch selbst bis heute identifizieren. Doch die meisten seiner anderen Hitsingles begannen ihm ab 1968 eher peinlich zu werden. Anfang 1969 war dann Schluss mit popig. Er wollte und musste aus dem sicheren Popgefängnis ausbrechen, das er selbst viele Jahre lang clever und fast ausbruchssicher ausgebaut hatte. Danach setzte eine Entwicklung ein, die im Pop-Business in der Regel umgekehrt verläuft. Hier fand eine radikale Abkehr von der simplen Hitparadenmusik statt. Manfred Mann’s Entwicklung verlief geradezu extrem, jedenfalls vollzog er einen Bruch: vorher gefälliger Teenie-Pop-Klingklang, jetzt anspruchsvoller komplexer Jazzrock. 1969 schlug er dieses, sein drittes Musik-Kapitel auf, die experimentierfreudige Jazzrock-Band Chapter Three. Gemeinsam mit seinem alten Drummer Mike Hugg, dem einzigen und letzten Musiker, der noch seit der Anfangszeit dabei war, gestaltete er das neue Musikkonzept, das musikalische Spontaneität und solistische Freiheit betonte und korsettähnliche Songstrukturen vermied. Mit zeitweilig bis zu 13 Mitgliedern, darunter 6 Jazzbläsern stieg die Gruppe bald zu einer der wichtigsten britischen Jazzrockformationen auf. Eines der stärksten Stücke von Manfred Mann’s Chapter Three versuchte, durch einen mitsingbaren Refrain die alten Fans auf die neue Reise mit zu nehmen.
Manfred Mann’s Chapter Three „Happy Being Me“
Happy Being Me nannte sich dieses Stück aus dem Jahre 1970, entnommen dem Album „Chapter Three Volume Two“. Mit Musik wie dieser wurde der ehemalige Hitparadenlieferant Manfred Mann auch in der seriösen Musiker-Szene wieder akzeptiert. Die Identifikation mit seiner neuen musikalischen Praxis drückte er selbst so aus: „zum ersten Mal seit Jahren gehe ich mit erhobenem Kopf auf die Bühne und komme nicht verlegen wieder herunter“. Doch sein ehemaliges Pop-Publikum wollte diese Wandlung nicht mitmachen und wandte sich geradezu entsetzt von dieser neuen Manfred Mann-Musik ab, die sogar Freejazz-Ausbrüche zuließ und experimentierfreudige Improvisationen betonte. Jedenfalls wurden die alten Fans total vergrault und nur wenige neue begrüßten das neue Konzept. Folglich blieb das avantgardistische Jazzrock-Projekt Chapter Three nur ein Intermezzo. Um nicht völlig im Abseits der Spezialisten-Ecke zu landen, schlug Manfred Mann 1971 sein viertes Kapitel auf, genannt Earth Band. Die dahinter stehende Überlegung war, das Hitpotential der 60er Jahre mit dem musikalischen Anspruch seiner Jazzrock-Erfahrung zu verbinden und daraus einen kultivierten Rockstil zu kreieren, der originell und qualitativ hochwertig sein sollte und dennoch populär und charts-tauglich gestrickt ist. Spätestens 1976 ging dieses Spagat-Konzept mit dem Album „The Roaring Silence“ auf. Das Album enthielt den Superhit „Blinded By The Light“, eine effektvolle Bearbeitung des gleichnamigen Songs von Bruce Springsteen und verarbeitete in anderen gelungenen Songs Musikzitate von Franz Schubert und Igor Strawinsky. Ein Thema aus Stravinskys Ballett „Der Feuervogel“ lieferte die Basis für den mit a-capella-Gesang beginnenden Song „Starbird“.
Bei diesem Song „Starbird“ von 1976 wird ein Ballett-Thema von Stravinsky zitiert und in einer eigenen Komposition verarbeitet. Im Repertoire von Manfred Mann’s Earth Band finden sich allerdings überwiegend Interpretationen von Fremdkompositionen. Die Bearbeitungen von Fremdmaterial sind ein Charakteristikum für Manfred Mann schon immer gewesen. Kein einziger seiner großen Hits wurde von ihm selbst geschrieben und nur sehr wenige stammten aus dem unmittelbaren Umfeld seiner Mitmusiker, wurden also speziell für seine Band geschrieben. Die Neigung zu Fremdbearbeitungen ging im Album „Criminal Tango“ von 1968 gar so weit, dass nur noch ausschließlich Coverversionen auf dem Album zu finden waren, wofür Manfred Mann auch kritisiert wurde. Tatsächlich aber hat Manfred Mann nur Songs der namhaftesten Songwriter bearbeitet. Darunter findet sich die Elite der berühmtesten Songautoren wie – neben den bereits genannten Bob Dylan, Bruce Springsteen und Bob Marley – Randy Newman, Joni Mitchell, Sting und z.B. auch Paul Weller. Mit The Jam hatte Paul Weller 1980 auf dem Höhepunkt der New Wave einen Nummer-1-Hit mit seinem Song „Going Underground“, den die Earth Band für das erwähnte Album „Criminal Tango“ aufnahm und auch als Single veröffentlichte, allerdings ohne nennenswerten Erfolg.
Das einzige Manfred Mann-Album, das nur Eigenkompositionen enthielt, erschien 1992 unter dem Titel „Manfred Mann’s Plains Music“ und ging völlig unter. Gänzlich zu Unrecht. Nicht mit seiner Earth Band sondern mit einer eigens für dieses Projekt zusammengestellten Begleitband hatte Manfred Mann dieses Album eingespielt. Inhaltlich beschäftigte er sich unter anderem mit der Kultur der nordamerikanischen Indianer, wobei er aber seine eigene Vorstellung von der indianischen Kultur musikalisch ausdrückte, so wie fast jeder einem mehr oder minder romantischen Indianer-Mythos nachhängt und meistens das eigene naturverbundene tapfere Indianerherz in einem selbst meint, wenn man an Sitting Bull, Winnetou und Co denkt. Oder an Geronimo.
Dem legendären Apachen-Häuptling und Schamanen Geronimo war der folgende Song gewidmet
„Der Song des Medizinmanns klingt wahrhaftig. Er greift die Melodien auf, die auch schon Geronimo sang“, so heißt es im Text dieses „Medicine Song“ aus dem hörenswerten Album „Manfred Mann’s Plains Music“ von 1992.
„Komm herein, hier bist du sicher vor dem Sturm“, diese Dylan-Zeile ist eine Metapher, die auch für die Musik von Manfred Mann’s Earth band bis heute gilt. Er hat mit seiner Band die aktuellen Musikströmungen und Turbulenzen größtenteils zwar aufgegriffen, aber immer eingebettet in seinen vertrauten 70er Jahre Mainstream-Rockstil, der stets kultiviert gespielt und professionell arrangiert war, aber niemanden jemals über Gebühr anstrengte. Wer von Grunge, schrägem Indie-Rock, Techno, HipHop, Jungle, Drum’n’Bass etc. überfordert war, der fand immer einen sicheren Hafen und Schutz vor den Stürmen der Neutöner in der Musik der Earth Band
Zu den Paradestücken der Earth Band und zum Inbegriff der Arrangierkunst von Manfred Mann zählt deren gemeinsame Neufassung des Bruce Springsteen-Songs „Blinded By The Light“. Die Refrainzeile greift die biblische Erzählung der Wandlung des Christenverfolger Saulus zum gottesfürchtigen Apostel Paulus auf. Von einem plötzlich aufflammenden Licht geblendet sei Saulus vom Pferd gefallen und kurzzeitig erblindet. Er habe die Stimme Gottes gehört und erkannt, dass Christus der Sohn Gottes ist, so die Bibel. Die Strophentexte sind dagegen schwer verständlich. Es scheint um den Ruhm von Stars und deren Überheblichkeit zu gehen, um Bars und Spelunken, abgerissene Typen, Drogen, Prostituierte und Zuhälter, Indianer im Sommer und Teenager-Diplomaten, um Prediger aus dem Osten und eine Mitfahrgelegenheit und jemanden, der mal wieder ein Liebesabenteuer bräuchte usw.. Die textliche Wirrnis wird im Musikarrangement von Manfred Mann in eine formal stabile Struktur eingebunden, wobei dramatische Soundwechsel und verspielte Keyboardfiguren für die notwendige Spannung sorgen. Manfred Mann’s Earth Band hat aus dem nervös zerfasernden Songoriginal von Bruce Springsteen ein klar konturiertes Poprock-Stück von besonderer Attraktivität geformt, ein Paradebeispiel für ein gelungenes Arrangement-Kunstwerk
Das war eine kleine Feier für den bekanntesten Mann der Popgeschichte, für Manfred Mann, der gerade seinen 80. Geburtstag feiern kann. Da kann man ihm nur wünschen, dass er noch lange so wie sein Songheld Davy on the road sein kann.
Zugabe:
Manfred Mann feat. Thomas D (Fanta 4) mit „Demons and Dragons“ aus dem Album „2006“, veröffentlicht am 25.10.2004