Spencer Davis starb im Alter von 81 Jahren
So viele großartige Songs hat Spencer Davis ab den siebziger Jahren noch veröffentlicht, doch sein weltweit bekannter Referenzsong war und blieb „Gimme Some Lovin’“, für den er auch als Koautor verantwortlich zeichnete, veröffentlicht im Oktober 1966 von seiner Spencer Davis Group, in deren Mittelpunkt aber nicht der Namensgeber und Bandleader stand.
Natürlich geht es jedem Rockmusiker so, wenn der Starruhm verblasst ist, dass er die Hits seiner frühen Erfolgsphase immer wieder spielen muss und dass seine späteren Veröffentlichungen beim Publikum kaum ankommen. Doch im Falle von Spencer Davis hat es schon etwas Tragisches, dass er sein ganzes Leben lang auf allen Konzerten die vier großen Hits der Jahre 1965 bis ’67 spielen und auch zum Teil singen musste, wobei jeder im Publikum wusste und hörte, dass diese Hits untrennbar mit der einzigartigen Stimme von Steve Winwood verbunden waren. Die Live-Aufnahme vom März 2017 macht hörbar, dass Spencer Davis als Sänger in keiner Weise mit Steve Winwood vergleichbar ist (um nicht zu sagen, dass er mit Winwood nicht mithalten konnte [und wollte]). Außerdem ist zu hören, dass der damals knapp 77-jährige Davis große Intonationsproblem hatte, die hohen Gesangstöne im Song „Gimme Some Lovin’“ akkurat zu treffen. Zu hören ist aber auch, dass er perfekt Deutsch sprach und, dass der Entertainer am Schlagzeug Pete York immer für einen launigen Spruch gut war.
Noch 2017 war Spencer Davis mit seiner reformierten Spencer Davis Group wieder auf deutscher Clubtournee. An der „Gimme Some Lovin’ Tour 2017“ beteiligten sich Pete York, der Schlagzeuger der Spencer Davis Group-Urbesetzung und die Miller Anderson Band.
Spencer David Nelson Davis, wie er mit komplettem Namen hieß, wurde am 17. Juli 1939 im walisischen Swansea geboren. Als examinierter Deutschlehrer, der nicht nur Deutsch fließend sprach, sondern auch Französisch und Spanisch, spielte er während seines Studiums an der Freien Universität Berlin Dixieland-Jazz mit den „Spree City Stompers“. Doch seine eigentliche Liebe galt dem schwarzen Rhythm’n’Blues und Folkblues. Und 1963 gründete er in Birmingham seine erste eigene Band, die Spencer Davis Group mit Steve Winwood (voc., Orgel, Klavier), Muff Winwood, Steves älterer Bruder (Bass), Pete York (drums) und natürlich mit ihm selbst als Gitarrist und Sänger.
Ein Jahr später gab die Band ihr Single-Plattendebüt mit einer Bearbeitung des John Lee Hooker-Klassikers „Dimples“, allerdings ohne nennenswerten Erfolg.
Lange vor dem späteren britischen Bluesboom machte die Spencer Davis Group –neben Alexis Korner und John Mayall – hörbar, dass auch englische „Milchgesichter“ den US-amerikanischen Rhythm’n’Blues beeindruckend interpretieren konnten. Dies lag vor allem an den Talenten des damals erst 16-jährigen Wunderkindes Steve Winwood, dessen schwärzer als schwarz gefärbte Stimme und Gesangsdiktion an Ray Charles erinnerte. Zwischen 1965 und ’67 erschienen Welthits wie „Keep On Running“ (geschrieben von Jackie Edwards), „Somebody Help Me“ (Jackie Edwards), „Gimme Some Lovin’“ (Steve und Muff Winwood, Spencer Davis) und „I’m A Man“, deren Erfolge vor allem auf das Konto des blutjungen Sängers und Organisten ging. Steve Winwood war Koautor des Bluesrock-Titels „I’m A Man“, den er gemeinsam mit Jimmy Miller, dem Produzenten der Spencer Davis Group (Jimmy Miller produzierte später Traffic, Blind Faith, die Rolling Stones u.a.) geschrieben hatte. Seine unverwechselbare Stimme und sein Orgelsound prägten diesen letzten großen Hit der Spencer Davis Group.
Die Band Chicago Transit Authority (später Chicago) sollte „I’m A Man“ für deren Debütalbum von 1969 covern. Als Single veröffentlicht, erreichte die Neufassung von Chicago, die für die damaligen Verhältnisse eine epische Länge von fast 8 Minuten aufwies, Platz 8 in den britischen Singlecharts. Etwas kurios war, dass die Chicago-Vokalisten teilweise einen anderen Text sangen als von Winwood/Miller geschrieben. Der Grund war nicht, dass sie einen eigenen, abweichenden Text singen wollten, sondern, dass sie den Originaltext missverstanden hatten. Die kraftvolle, perkussiv angelegte Version von Chicago gehörte über viele Jahre zu den meist bejubelten Songs ihrer Konzerte. 1969 spielte die Band ihr Vorzeigestück auch im Beatclub in Bremen
Im April 1967 verließ Steve Winwood die Spencer Davis Group, um seine eigene Band Traffic zu gründen. Die Weltkarriere von Spencer Davis war damit beendet. In wechselnden Besetzungen veröffentlichte er zwar mit seiner Group noch etliche hörenswerte Alben, doch einen gleichwertigen Ersatz für das kreative Ausnahmetalent Steve Winwood konnte er niemals mehr finden.
Obwohl er Namensgeber der Band war, stand Spencer Davis eher im Hintergrund. Er war ein solider, doch nicht solistisch überragender Gitarrist und auch als Sänger war er selbstkritisch genug, sich nicht in den Vordergrund zu drängen. Seine besondere Qualität war neben einer profunden Musikalität vor allem seine Organisations- und Koordinierungsfähigkeit und seine persönliche Autorität, die ihn bei aller Bescheidenheit zum Bandleader befähigte.
Die große erfolgreiche Vergangenheit mit Steve Winwood wurde auch von späteren Besetzungen der Spencer Davis Group immer wieder beschworen. Man achte mal auf ein interessantes Dèjá-vu-Erlebnis im Song „Catch You On The Rebob“ aus dem Album „Gluggo“ der Spencer Davis Group von 1973. Bei 1:35 ist ein besonderes Zitat zu hören.
Witzigerweise hatte die Spencer Davis Group des Jahres 1973 ein Zitat ihres früheren Erfolgssongs von 1966, Steve Winwoods Glanznummer „Gimme Some Lovin’“ für 20 Sekunden in diesen Song „Catch You On The Rebob“ eingepflanzt. War das ein ironisches Augenzwinkern? Oder Galgenhumor? Denn die neuformierte Group konnte machen, was sie wollte, die frühen Erfolge der Urformation mit Steve Winwood an Mikrofon und Orgel waren nicht mehr erreichbar – obwohl der neue Sänger und Organist Eddie Hardin wahrlich kein schlechter Sänger und Organist war und als talentierter Songschreiber allgemein anerkannt war. Doch es wollte mit Erfolgen einfach nicht mehr klappen – selbst wenn die Group fast schon plagiatähnlich versuchte, den Erfolgstitel „Gimme Some Lovin’“ von 1966 im Rhythmus, Sound und Musikthema nachzuempfinden; so geschehen im Song „Living In A Backstreet“, veröffentlicht 1974 im gleichnamigen Album
Die Spencer Davis Group logierte 1974 längst nicht mehr in der Prachtstraße, was ihren kommerziellen Erfolg anging, sondern eher in der „Backstreet“, der kleinen Nebenstraße, was schließlich als Sackgasse endete. Die Group löste sich auf – nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal.
Anfang 1968 sah es für die neuformierte Spencer Davis Group mit Frontmann Eddie Hardin noch recht positiv und optimistisch aus. Der Hit „I’m A Man“ aus der gerade zu Ende gegangenen Ära mit Steve Winwood stand noch hoch in den Charts, als das neue Album „With Their New Face On“ auf den Markt kam. Die ausgekoppelte Single „Mr. Second Class“ wollte allerdings kein Hit „zweiter Klasse“ sein. Eddie Hardin, der neue Sänger, bemühte sich redlich seine Hammond-Orgel so klingen zu lassen wie zuvor Steve Winwood – und auch seine Stimmgebung orientierte sich an dem Jungstar, der ein Jahr zuvor gegangen war, um Traffic zu gründen. Diese – böse gesagt – Steve Winwood-Imitation schaffte es doch immerhin auf Platz 35 der britischen Singlecharts.
Auch diese Singleauskopplung „Mr Second Class“ konnte nicht verhindern, dass die Spencer Davis Group ab 1968, kommerziell gesehen, in die Zweite-Liga-Klasse abstieg, oder gar „in der Bedeutungslosigkeit versank“, wie ein Kritiker (übertreibend) schrieb. Das insgesamt gelungene Album „With Their New Face On“, das neue Gesichter nach dem Weggang von Steve und Muff Winwood im Line-up der Group präsentierte und musikalische Erweiterungen in Richtung Psychedelic und Classic Rock enthielt, wurde nur wenig beachtet.
Doch die Allman Brothers Band schenkte dem Album Beachtung und coverte die Spencer Davis/Eddie Hardin-Komposition „Don't Want You No More“ für deren Debüt-Album von 1970. Der Song blieb lange im Live-Repertoire der Allman Brothers Band, wie hier dokumentiert in einer Aufzeichnung der TV-Sendung „Ohne Filter“ von 1991
Dass die Allman Brothers Band ihren Song „Don't Want You No More“ coverte, freute die Spencer Davis Group, konnte aber nichts am Haupt-Dilemma ändern, dass sich der Großteil des Publikums nach dem Weggang von Steve Winwood von der Spencer Davis Group abgewandt hatte. Im Konzert musste die neuformierte Group vor allem die alten Songs aus der Zeit mit Steve Winwood spielen, weil das neu erarbeitete Songrepertoire nicht so recht ankam. Das frustrierte natürlich den neuen Sänger, Songschreiber und Organisten Eddie Hardin, der nicht länger einen Zweite-Klasse-Winwood abgeben wollte. Deshalb verließ er gemeinsam mit dem Gründungsmitglied der Spencer Davis Group, dem Schlagzeuger Pete York die Gruppe, um ein eigenes Duoprojekt zu starten: die „kleinste Bigband der Welt“ Hardin & York.
Deren erstes Album „Tomorrow Today" erschien Ende 1969 und erhielt durchweg gute Kritiken. Auch ein gewisser Publikumserfolg stellte sich ein, vor allem in Deutschland, nicht aber im Heimatland Großbritannien.
Hardin & York, live beim zweiten Essener Pop & Blues-Festival 1970 in der Gruga-Halle – unter anderem mit ihrer Neudeutung des Stones-Klassikers „Sympathy For The Devil“
Weil dieses musikalisch hochklassige und eigenwillige Duo-Projekt außer in Deutschland nirgendwo sonst größere Beachtung fand, kehrten Eddie Hardin und Pete York 1972 doch wieder zu Spencer Davis zurück. Allerdings war 1974 dann aber schon wieder Schluss, siehe oben.
Eine ironische Pikanterie in der Bandgeschichte der Spencer Davis Group ergab sich, als Hardin und York Ende 1968 zum ersten Mal gegangen waren. Denn Spencer Davis holte sich als Ersatz die beiden Musiker Dee Murray, Bass und Nigel Olsson, Schlagzeug, die Mitte 1969 ebenfalls ihren Dienst bei Spencer Davis quittierten und wohin wechselten? In die Backing-Band jenes Sängers und Pianisten, der sich 1967 bei Spencer Davis angeboten hatte, die vakante Stelle des Sängers und Keyboarders nach dem Weggang von Steve Winwood zu übernehmen. Doch Spencer Davis hatte dankend abgelehnt. Und wer war dieser verschmähte Sänger und Pianist?
„I’ve Been Loving You“ war Elton Johns Debütsingle, veröffentlicht am 1. März 1968.
Und, kaum zu glauben, aber wahr: der junge Elton John, damals 20 Jahre alt und mit seiner ersten Band „Bluesology“ unterwegs, hatte sich angeboten, die verwaiste Stelle des Sängers und Keyboarders in der Spencer Davis Group zu übernehmen. Doch Bandleader Spencer Davis hatte abgelehnt und sich für Eddie Harris entschieden, was natürlich keine schlechte Wahl war. Aber diese Entscheidung wird Davis später wahrscheinlich noch bereut haben. Doch wie sollte er ahnen, welches Potential in diesem 20-jährigen Reginald Kenneth Dwight steckte, der später als Elton John zu Weltruhm kam.
Dagegen hatte Spencer Davis 1963 ein absolut glückliches Händchen und das richtige Gespür, als er den damals erst 15-jährigen Steve Winwood für seine Spencer Davis Group verpflichtete. Im „Golden Eagle“, einem Pub in Birmingham, hatte Spencer Davis im August 1963 die sehr junge traditionelle „Muff-Woody Jazzband“ gehört, die Jazztraditionals in einem rauen, soul-orientierten Bluessound spielte. Davis war vor allem von dem Teenie-Sänger und -Pianisten der Band beeindruckt. Diese unglaublich schwarze, ausdrucksstarke Stimme, die aus der Kehle dieses milchgesichtigen, pubertären Hänflings wie ein Orkan herausbrach, verblüffte und begeisterte ihn total.
Spencer Davis wurde mit dem Leiter der Jazzband Muff Winwood, dem fünf Jahre älteren Bruder von Steve rasch handelseinig, dass beide Winwood-Brüder in die gerade gegründete Spencer Davis Group einsteigen. Bindeglied war das gemeinsame musikalische Interesse am schwarzen US-amerikanischen Rhythm’n’Blues. Ähnlich wie die frühen Rolling Stones, wie die Pretty Things, Yardbirds, Them und Animals der Jahre 1963/64, aber im Grunde ein paar Wochen früher, also noch kurz vor diesen Bands, erarbeitete die Spencer Davis Group mit ihrem 15-jährigen Sänger ein Repertoire von Bluesstandards und Rhythm’n’Blues-Klassikern – und begann Anfang 1964 mit ersten Plattenaufnahmen. Ein gutes Beispiel ist die Leiber-Stoller-Nummer „Searchin’“, die Steve Winwood – zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade mal 16 Jahre alt – souverän sang. Das von Spencer Davis gespielte Banjo verwies auf dessen Folk- und Skiffle-Vergangenheit.
„Searchin’“ wurde 1964 eingespielt in der Besetzung Steve Winwood Gesang und Keyboard, Muff Winwood Bass, Pete York Schlagzeug und Spencer Davis hier am Banjo.
Spencer Davis hatte während seiner Schulzeit und seiner späteren Ausbildung zum Deutschlehrer unter anderem auch in Berlin – als er an der Freien Universität studierte – Dixieland gespielt, aber auch Skiffle und vor allem Folk. Als Gitarrist und Sänger fühlte er sich zum afroamerikanischen Folkblues genauso hingezogen wie zum US-amerikanischen Folksong eines Woody Guthrie oder Pete Seeger.
So war es auch kein Wunder, dass die Spencer Davis Group neben Blues-Nummern auch den Folk-Klassiker der amerikanischen Hobos über den Mitternachtszug nach Santa Fe aufnahm: „The Midnight Special“, gesungen übrigens von Spencer Davis selbst, nur im Refrain begleitet von Steve Winwood als Zweitstimme
Sogar die Hobo-Hymne „Midnight Special“ nahm die Spencer Davis Group für ihr drittes Album „Autumn 66“ auf. Auch das war ein früher musikalischer Einfluss für Spencer Davis: der Folksong und Folkblues, Stilrichtungen zu denen er 1970, nach der ersten Auflösung der Spencer Davis Group auch wieder kurzzeitig zurückkehren sollte. Da trat er nämlich für eine Weile als Folksänger-Solist, oder gemeinsam mit seinem Freund aus alten Tagen in Birmingham Peter Jameson als Folk-Duo auf.
Der Blues aber war seine wichtigste musikalische Leidenschaft. In seinen jungen Jahren spielte er als Amateur-Sänger/Gitarrist viele Folkblues-Stücke nach, etwa von Son House, Mississippi Fred McDowall oder Blind Willie McTell. Von ihm, dem Letztgenannten, hatte übrigens der als Ralph May geborene Folksong-Kollege Ralph McTell seinen Bühnennamen geborgt.
Der Blues-Einfluss des jungen Spencer Davis zeigte sich auch in der allerersten Singleplatte, die seine Spencer Davis Group mit Steve Winwood im August 1964 veröffentlichte. Es war eine Bearbeitung des Bluestitels „Dimples“ von John Lee Hooker. Auch dieser Song sollte Spencer Davis sein Leben lang begleiten. Noch 2017 zählte „Dimples“ zum Liveprogramm seiner Deutschland-Tour.
Dimples 2017
Die Debütsingle „Dimples“ der Spencer Davis Group von 1964 blieb zunächst noch ohne jeglichen Erfolg. Live konnte die Band allerdings überzeugen oder sogar richtig begeistern. Aber die ersten vier Singles und auch das Debüt-Album, das im Juli 1965 veröffentlicht wurde, alle diese ersten Platten blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Das sollte sich aber wenige Monate später schlagartig ändern, als die Single „Keep On Running“ auf den Markt kam – mit dem markanten Verzerrer-Gitarrenriff, dem pumpenden Bass und der soulgetränkten, bluesgefärbten Stimme des damals 17 jährigen Wunderknaben Steve Winwood.
Das war der erste Nummer-1-Hit für die Spencer Davis Group in Großbritannien, „Keep On Running“, geschrieben von Jackie Edwards, einem jamaikanischen Songschreiber und Reggae-Sänger, der den Song 1965 für sein Soloalbum „Come On Home“ ohne großen Erfolg aufgenommen hatte. Auch der Folgehit der Spencer Davis Group „Somebody Help Me“ war eine Komposition von Jackie Edwards.
Die Mitglieder der Spencer Davis Group hatten sich bis zum damaligen Zeitpunkt mit Eigenkompositionen noch nicht sonderlich hervorgetan.. Bis auf ein paar instrumentale Blues-Sessions war noch keine Autorenschaft von Band-Mitgliedern in Erscheinung getreten. Steve Winwood war es, der den ersten selbstverfassten Song beisteuerte.
„When I Come Home“ war vom Textinhalt her das Liebeslied eines Frustrierten und Verschmähten, der feststellen muss, dass sich seine Angebetete für einen anderen entschieden hat. In einem Brief schreibt sie ihm, sie habe einen Besseren gefunden. Er, der sich für sie abgeschuftet hat, gibt nicht so schnell klein bei. Er kann und will es nicht glauben. Im Refrain heißt es: „Wenn ich nach Hause komme, dann erzähle mir das alles.“ Was wohl heißen soll: darüber müssen wir noch mal reden. Steve Winwood war noch 17 als er diesen Text und die Musik schrieb.
When I Come Home
Dies war die erste Eigenkomposition der Spencer Davis Group, verfasst von Steve Winwood, als Single veröffentlicht im August 1966 und immerhin bis auf Platz 12 der britischen Charts vorgedrungen. Die beiden folgenden Tophits „Gimme Some Lovin’“ und „I’m A Man“, die maßgeblich von Steve Winwood geschrieben wurden, machten den inzwischen 18-jährigen Jungstar auch als Songschreiber zu einer anerkannten Musikergröße. Ohne die vier großen Hits der frühen Phase, die durch Frontmann Steve Winwood weltweit für Furore sorgte, hätte die Popwelt von Spencer Davis wahrscheinlich kaum größere Notiz genommen. Der Kritiker Siegfried Schmidt-Joos schrieb im Rock-Lexikon vielleicht überspitzt: „Als Musiker blieb Davis, was nicht gegen sein musikalisches Können spricht, stets im zweiten Glied der britischen Rockmusik. Ohne Steve Winwood hätte er nicht einen einzigen erinnerungswürdigen Hit gehabt.“
Die Fähigkeiten von Spencer Davis als Bandleader, so kann man in verschiedenen Quellen nachlesen, waren kommunikativer und führungstechnischer Natur. Er ließ seinen Mitmusikern genügend Raum der Entfaltung, er förderte sie geradezu, animierte sie, das beste aus sich herauszuholen. Und er behandelte sie als gleichberechtigte Partner. Er gab jedem, der mit ihm spielte, das Gefühl, er stehe als Co-Star neben und mit ihm auf der Bühne. Das allerdings galt für seine späten Bands deutlich mehr als für seine frühe Zeit in den sechziger und siebziger Jahren. Vom Charakter her sei er – das sagen alle, die ihn kannten, übereinstimmend – „a sensitive kind“. Diesen gleichnamigen J.J. Cale -Song interpretierte die Spencer Davis Group des Jahres 1985 für das Album „24 Hours“. Auch der neue Sänger, Organist und Pianist Bobby Crew hatte eine blues-getränkte Stimme in guter alter Tradition der erfolgreichen Ära mit Steve Winwood.
Ähnlich wie der frühere Bassist aus der Urbesetzung der Spencer Davis Group, Muff Winwood, der als Plattenproduzent und Talentscout mit Bands/Acts wie Dire Straits, Sparks, Prefab Sprout, Terence Trent D’Arby, Sade, Marianne Faithful u.a. zusammenarbeitete, betätigte sich auch Spencer Davis in diesem Metier, allerdings weniger erfolgreich als Muff Winwood. Nach der ersten Auflösung der Spencer Davis Group und während der Pausen zwischen späteren Reformierungen und Wieder-Auflösungen arbeitete er in verschiedenen Bereichen im Popbusiness, aber auch außerhalb davon. Er verdingte sich als freier Produzent, unterstütze als Promotion-Mitarbeiter einer großen Plattenfirma Künstler wie Bob Marley und Robert Palmer, er arbeitete als Übersetzer von Originaltexten der US-AirForce ins Deutsche und gründete eine Künstleragentur, die er auch für seine eigenen Tourneeplanungen nutzte.
Im Herbst 2008 erschien sein letztes Soloalbum „So Far“. Im Titelstück resümiert er zufrieden mit sich und seiner Musikerkarriere: „I look back and I smile at every mile, I must have a lucky star. It’s been a good ride so far.“
Die lange Reise, die bislang so gut für ihn verlief, wie es im Text seines rückblickenden Songs „So Far“ heißt, ging am 19.Oktober 2020 zu Ende. Spencer Davis starb im Alter von 81 Jahren an den Folgen einer schweren Lungenentzündung.
In seinem Nachruf würdigte Steve Winwood seinen verstorbenen Mentor als: „frühen Pionier der britischen Folkszene, die in seinem Fall den Folk-Blues und schließlich das, was damals ‚Rhythm and Blues‘ genannt wurde, fest umarmte. Er beeinflusste meinen Musikgeschmack und er besaß die erste 12-saitige Gitarre, die ich je gesehen habe. Er war von der Musik von Huddie ‚Lead Belly‘ Ledbetter und Big Bill Broonzy angetan. Ich hatte bereits einen großen Bruder, der mich stark beeinflusste, und Spencer wurde zu dieser Zeit selbst wie ein großer Bruder für mich. Er war definitiv ein Mann mit einer Vision“.
Das abschließende Video zeigt Spencer Davis bei einem Konzert in Florida in der Rolle des Frontmann, der auf einer vorgebauten Bühne vor seiner Begleitband im Rampenlicht steht und seine soliden Fähigkeiten als Gitarrist und Sänger demonstrieren kann. Dass er sich in dieser Rolle als herausgehobener Frontmann nicht gänzlich wohl fühlte, sieht man, wenn er sich immer wieder zu den solierenden Musikern seiner Band umdreht. Obwohl er seine Rolle als Star im Rampenlicht gut ausfüllte, ist zu spüren, dass Spencer Davis mit seinem bescheidenen Charakter auf gleicher Ebene wie seine Mitmusiker besser aufgehoben gewesen wäre.