¿COMO TE LLAMAS? Wie lautet Ihr Name?: Gerdo Sintrenza

Gerd Knebels Verwandlung in den Sänger Gerdo Sintrenza („Gerd ohne Zopf“)

Podcast und Radiosendung über das neue Soloalbum „Babuchas De Seda Granate“

Cover Gerdo Sintrenza

 

Jetzt singt er über kastanienbraune Seidenpantoffel – und zwar auf Spanisch – und tingelt als Straßenmusiker mit Akustikgitarre von Torremolinos bis Marbella entlang der Costa del Sol. Vamos a la playa? Gag oder Wahrheit?
Ersteres stimmt. Gerade erschien Gerd Knebels neues Soloalbum „Babuchas De Seda Granate“ mit 12 spanisch-sprachigen Pop/Rocksongs. Letzteres plant er für den Sommer 2023. Der hessische Comedy-Star, die eine Hälfte von Badesalz, überlegt ernsthaft, seine Comedian-Karriere auf Zeit in ein Straßenmusiker-Dasein zu verwandeln und als Gerdo Sintrenza mit Gitarre bewaffnet sich in Andalusien an Straßenecken zu stellen und seine selbstverfassten spanischen Lieder vor flanierenden Touristen und geschäftig vorbei eilenden Einheimischen zu singen.
Die spinnen die beiden, Gerd und Gerdo, oder?
Nein, das ist pure Leidenschaft, etwas spinnert vielleicht, aber aus reinem Herzen sprudelnd. Gerd Knebel hat seine Begeisterung für die spanische Sprache entdeckt. „Wie schön diese Sprache ist“, sprudelt es im Podcast-Gespräch aus ihm heraus. „Im Spanischen klingt alles gut. Und selbst der Müll ‚Basura’ klingt schön. Der Schrank ‚Amario’ klingt wie ein Liebhaber, nicht wie ein Aktenschrank“.
Weil er schon seit vielen Jahren in Kontakt mit der spanischen Sprache stand – schließlich waren etliche Bühnenprogramme und Sketche mit seinem Badesalz-Partner Henni Nachtsheim auf La Gomera und Mallorca erarbeitet worden – sich aber nie auf Spanisch mit den Einheimischen dort verständigen konnte, was für einen kommunikativen Mensch wie ihn auf Dauer unerträglich war, beschloss er, diese Sprache, für die er schon immer einen Faible hatte, endlich zu erlernen.
Und mit den zunehmenden Lernfortschritten überkam ihn schließlich auch das Bedürfnis, sich in dieser Sprache, die für ihn wie keine andere Klang, Energie und Rhythmus hat, auszudrücken.

 

Rhythmiker Gerd Knebel (Foto: Markus Gruber)

 

Also schrieb er als besondere Herausforderung zwölf neue Songs zunächst in Deutsch, um sie dann mit Unterstützung von Muttersprachlern ins Spanische zu übersetzen.
Und wie schon in seinen früheren Soloprojekten „Die Groben Junggesellen“, „Angst vor Clowns“, „Nette Rabenväter“, „Gift Dwarf“, „Dirty Dabbes“, „The Knebells“ etc. sind auch viele Songtexte seines neuen Alter Egos Gerdo Sintrenza von Ironie und Spott durchzogen oder pendeln zwischen Nachdenklichkeit, Melancholie und Galgenhumor. Manche der Songtexte gleichen Kurzgeschichten, die dem zwischenmenschlichen Alltagsleben abgelauscht scheinen.
Im Titelstück macht die Ehefrau ihrem Mann klar, dass sie weder eine Kreuzfahrt noch teuren Schmuck oder ein Luxusauto geschenkt haben möchte, sondern nur ein paar kastanienbraune Seiden-Pantoffeln.

 

 

Der Song „Por El Bien En De Los Niños“ („Um der Kinder willen“) erzählt die tragikomische Geschichte eines Mannes, der trotz Trennung von seiner Frau nicht ausziehen kann, sondern auf der Couch im Wohnzimmer schlafen muss, damit die Kinder nicht ohne Vater aufwachsen müssen.
Im (übersetzten) Text heißt es: „Du hast unsere Beziehung beendet, aber du wolltest, dass ich bleibe – um der Kinder willen. Ein zerrüttetes Zuhause ist schlecht, sagtest du. Wir müssen zusammenbleiben um der Kinder willen. Also schlafe ich jetzt seit zwei langen Jahren auf der Couch. Für einen Anschein von Stabilität, einen Hauch von Häuslichkeit – um der Kinder willen. Du hast gesagt, wir schaffen das schon.
Und wir könnten Freunde sein – um der Kinder willen
Ich muss immer noch auf der Couch schlafen, während du deine Liebhaber fickst – um der Kinder willen. Seit 3 langen Jahren schlafe ich immer noch auf dem Sofa
um der Kinder willen.“
Mit Ethno-Groove und Folkgitarre beginnt der melodiöse Softpop-Song, dessen sanftmütig klingender Sound im deutlichen Kontrast zum unterschwelligen Unmut und zur latenten Wut des Ich-Erzählers der Textgeschichte steht.

 

 

Im Text des discophilen Heavyrock-Songs „Metallica“ kann man einen besonderen Dialog verfolgen, der übersetzt so lautet: „Wenn du zu Metallica gehst, bringe ich den Müll raus, werde das Haus saugen, deine Hosen bügeln, das Geschirr spülen, meine Brille putzen und die Stille genießen. Ich weiß, dass nichts davon Heavy Metal ist. Aber Heavy Metal steht nicht auf meiner Liste, nur Ordnung, Sauberkeit und Pflege. Und das hat seinen Preis.“ Gerd Sintrenza teilt sich den Gesang hier mit Catalina Olea, einer aus New York stammenden Sängerin mit lateinamerikanischen Wurzeln.

 

 

Der Song „Sin Corazon“ („Herzlos“) beginnt als Gitarrenfolk mit den einleitenden Worten – hier übersetzt: „Mit jedem Schlag pumpt das Herz Blut in den Körper und versorgt ihn mit Sauerstoff und Nährstoffen. Du siehst, das Herz ist wichtig ... ja sehr, sehr wichtig.“ - gegen Ende entwickelt sich das Arrangement zu einer pompösen Pathoshymne mit dem Text des Chorgesangs: „sin corazon cada cancion es sin amor“ – „ohne Herz ist jedes Lied ohne Liebe“.

 

 

Die rhythmisch angeschlagene, nett groovende Mandoline und die lustig klingende, durch die Lippen gepresste Bläserimitation kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Gerdo Sintrenza textlich auch ziemlich gemein sein kann. In seinem Song „Viva La Denunciación“ singt er – übersetzt: „Du sagst, dein Leben ist leer und so traurig. Es passiert nichts und vor allem: jeden Tag die gleiche Routine. Doch du hast so viele Möglichkeiten, um dein Leben in Schwung zu bringen. Beginne mit dem, was am wichtigsten ist – und am nächsten zu dir: Dein Nachbar! Beobachte, ob er alles richtig macht und sich an alle Regeln hält. Wenn er das nicht tut, melde ihn. Trennt er den Müll korrekt? Hat er die Putzfrau angemeldet? Falls nicht, zeige ihn an. Baut er heimlich Marihuana an? Braut er Schnaps im Keller? Hat er illegal Filme kopiert? Hortet er Schwarzgeld im Safe? Falls ja, schwärze ihn an. Es lebe die Denunziation. Menschen zu melden ist wunderbar. Und mit ein bisschen Glück erhältst du dreißig Silbertaler.“

 

 

Im fröhlich klingenden Song „Jammern - Jammern - Jammern“ kriegen die deutschen Pauschaltouristen und Beschwerdeweltmeister ihr Fett weg:
„Das Bett ist weich. Das Essen ist kalt. Der Strand ist weit weg. Das Hotel ist laut. Das Licht im Badezimmer ist zu hell. Der Taxifahrer fährt zu schnell. Das Fleisch riecht fischig, der Fisch riecht nach Fleisch. Die Tische sind sehr klein und die Kinder sind sehr laut. Aber wäre alles in Ordnung, das wäre eine Katastrophe für mich. Denn dann hätte ich nichts zu beklagen, das würde mich krank machen. Jammern, jammern, jammern. Wir Deutschen sind gut darin.“

 

 

Die musikalische Struktur der 12 Songs ist bewusst schlicht gestrickt. Die harmonischen Abläufe und Melodiebögen sind berechenbar, vertraut und leicht mitsingbar. Auf den Einwand die Harmonik der Songs sei überschaubar bis arg reduziert, antwortet er, natürlich würde er all die tausend verschiedenen Akkorde kennen, aber es sei ein Fehler zu glauben, dass ein Song besser würde, wenn man viele Akkorde reinstopft. Das Arrangement sei wichtiger als die Menge an verwendeten Akkorden. Tatsächlich sind die Arrangements der 12 Songs abwechslungsreich instrumentiert, fein austariert und sorgfältig ausgearbeitet – wie die gesamte Produktion einem hohen Qualitätsstandard entspricht.

 

Gerd Knebel (Foto: Markus Gruber)

 

Im Podcast-Gespräch gibt Gerdo Sintrenza aka Gerd Knebel nicht nur Auskunft über seine Begeisterung, die „Faszination und Anziehungskraft“, die alles Spanische, ob Filme, Fernsehshows, Musik, Sprache, Land und Leute auf ihn ausübt und er redet auch nicht nur über sein neues Album, das er gemeinsam mit seinem musikalischen Partner bei diesem Projekt, Niklas Kleber, aufgenommen und produziert hat, sondern findet auch bedenkenswerte Worte, wie mit den aktuellen Mengen an Krisen, Kriegen und Plagen, die die Menschheit gegenwärtig heimsuchen, umzugehen sei: Man müsse seine Sinne beisammenhalten und dürfe sich nicht da reinfallen lassen, zu sagen, morgen geht alles unter. Auch wenn vieles beängstigend sei, dürfe man sich dem nicht komplett ausliefern.
Seine Empfehlung ist, einfach weiterzumachen. Er lernt jetzt auch noch Portugiesisch. Vielleicht singt er im nächsten Soloalbum dann in portugiesischer Sprache – natürlich in seiner Mischung aus Ironie, Spott und melancholisch eingefärbter Empathie.

 

Gerd Knebel (Foto: Spachmann)

 

Hier ist das komplette 50-minütige Gespräch mit Gerd Knebel zu hören – mit ihm geführt am 24.10.2022 über sein Soloalbum „Gerdo Sintrenza: Babuchas De Seda Granate“:

 

Die Radiosendung über das Album „Gerdo Sintrenza: Babuchas De Seda Granate“ mit Ausschnitten aus dem Podcast-Gespräch läuft im Webradio ByteFM am Do 27.10.22, 23 Uhr und am Sa 29.10.22, 14 Uhr. Außerdem: Ausstrahlung über DAB+ und UKW von Antenne Mainz am Do 27.10.22, 23 Uhr. Weiterhin läuft die Sendung in Radio-Rebell am 29., 30., und 31.10.22, jeweils um 22 Uhr.

Die Playlist zur Sendung:

Artist / Track / Album / Label / Zeitplan
1. L. Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik) / Touch Me There / Zappa Records / 00:30
2. The Knebells / My Little Black Sister / The Knebells / Frau Batz Records, Indigo / 03:59
3. Gerdo Sintrenza / Babuchas De Seda Granate / Babuchas De Seda Granate / Frau Batz Records, Indigo / 15:03
4. Gerdo Sintrenza / Sin Corazon / Babuchas De Seda Granate / Frau Batz Records, Indigo / 22:04
5. Gerdo Sintrenza / Viva La Denunciación / Babuchas De Seda Granate / Frau Batz Records, Indigo / 29:52
6. Gerdo Sintrenza / Por El Bien De Los Ninos / Babuchas De Seda Granate / Frau Batz Records, Indigo / 36:18
7. Gerdo Sintrenza / Quién - Cómo - Cuándo - Dónde / Babuchas De Seda Granate / Frau Batz Records, Indigo / 48:04
8. Gerdo Sintrenza / Jammern Jammern Jammern / Babuchas De Seda Granate / Frau Batz Records, Indigo / 55:16

Hier kann man einen Zusammenschnitt der Sendung hören, beinhaltend Moderation, Interviewausschnitte und kurz angespielte Songs (nur zur Dokumentation in geringer Bitrate 112 kBit/sec.):