Aus dem Archiv: ein ausführliches Interview mit Steve Harley, aufgenommen im September 2006
1970s rock singer Steve Harley performing at an outdoor show in 2018. PHOTO CREDIT: Jan Fialkowski
Stephen Malcolm Ronald Nice wurde am 27. Februar 1951 in Deptford, London geboren. Seine Mutter war Jazz-Sängerin, sein Vater ein semiprofessioneller Fußballspieler. Im Alter von 2 Jahren erkrankte Stephen Nice an einer Kinderlähmung so schwer, dass die behandelnden Ärzte mit seinem Tod rechneten. Doch er überlebte, musste aber mehrere Operationen und lange Krankenhausaufenthalte überstehen. In seiner Zeit im Krankenhaus las er Poesie von T. S. Eliot und D. H. Lawrence, die Prosa von John Steinbeck, Virginia Woolf und Ernest Hemingway. Im Alter von 10 Jahren begann er Gitarre zu spielen, schrieb schon bald erste eigene Songs und ließ sich von Bob Dylan und den Beatles inspirieren.
Ab 1968 lernte Steven Nice die Popszene zuerst als Musikjournalist kennen. 1972 wechselte er die Fronten, nannte sich nun Steve Harley und gründete in London die Glamrock-Band Cockney Rebel, deren Sänger und Hauptsongschreiber er war.
Steve Harley & Cockney Rebel, 1974
Seine früher erworbenen Innenansichten des englischen Popjournalismus könnten der Grund dafür sein, dass sein Verhältnis zu den Medien äußerst gespannt war. Sein extrovertiertes und eigensinniges Verhalten brachte ihm bald den Ruf eines Egomanen und Großmauls ein. „Muhammed Harley“, wie er vom New Musical Express tituliert wurde, machte auf die englische Musikpresse den Eindruck, er wolle sich als Mischung aus David Bowie, Brian Ferry und Ray Davies profilieren. Hierfür fehle ihm aber an deren Klasse, schrieb das britische Magazin Sounds. Andere Kritiker feierten dagegen die von ihm geschriebenen Cockney Rebel-Hits „Judy Teen“ und „Sebastian“ von 1974 und waren auch voll des Lobes über die Alben jener Zeit „The Psychomodo“ und „The Best Years Of Our Lives“. Der bekennende Beatles-Bewunderer Steve Harley veröffentlichte innerhalb des Cockney Rebel-Albums „Love’s A Prima Donna“ (1976) eine Bearbeitung des George Harrison-Songs „Here Comes The Sun“, die als Single-Veröffentlichung Top-Ten-Notierungen erreichte.
Sein größter Erfolg, der britische Nummer 1-Hit „Make Me Smile (Come Up And See Me)“ von 1975 war vom Text her Steve Harley’s Abrechnung mit seinen missgünstigen Kritikern, aber auch mit den Musikern seiner Band Cockney Rebel, mit denen er sich überworfen hatte. Die Tantiemen alleine aus diesem Welthit verschafften ihm in der Folgezeit ein auskömmliches Leben, auch wenn weitere große Erfolge ausblieben. Seit 1978 veröffentlichte er regelmäßig Alben unter seinem eigenen Namen, allerdings wenig erfolgreich.
Während längerer Plattenpausen verlagerte er seine Aktivitäten ins Schauspielerfach und spielte verschiedene Rollen sowohl in Kinofilmen als auch auf der Theaterbühne.
Gemeinsam mit Sarah Brightman nahm der bekennende Abba-Hasser und erklärte Musical-Skeptiker Steve Harley 1985 die Titelballade des Musicals „Phantom Of The Opera“ von Andrew Lloyd Webber auf.
Der Song erreichte in England Platz 7 der Singlecharts. Er hätte sich sogar vorstellen können, die Hauptrolle in der Bühnenfassung des Musicals zu übernehmen, doch den Zuschlag erhielt ein anderer.
Ab 1999 arbeitete Steve Harley auch wieder als Musikjournalist. In seiner eigenen allwöchentlichen Radiosendung, die in BBC 2 jeden Dienstag ausgestrahlt wurde, spielte er z.B. Songs von Joni Mitchell, James Taylor, The Band oder Neil Young, aber niemals von Abba. Und auch keine Musical-Melodien fanden sich in seiner halbstündigen Radioshow.
Sein von der Kritik viel gelobtes Album „The Quality Of Mercy“ von 2005 firmierte wieder unter Steve Harley & Cockney Rebel. Die Titelüberschrift war ein Zitat aus William Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“. Zur Promotion des hörenswerten Albums „The Quality Of Mercy“ ging Steve Harley auf eine neun Konzerte umfassende Clubtour durch Deutschland. Dabei ergab sich die Gelegenheit, ein Interview mit Steve Harley zu führen. Ausschnitte aus dem Interview sind hier zu hören:
Nach „The Quality Of Mercy“ veröffentlichte Steve Harley noch zwei weitere Studioalben „Stranger Comes To Town“ (2010) und „Uncovered“ (2020). Das letztgenannte Album enthielt neben zwei Eigenkompositionen eine Reihe von Neuinterpretationen klassischer Songs, die er im Laufe der Jahre und Jahrzehnte immer wieder zum eigenen Vergnügen privat gespielt hatte und von denen er sagte, er hätte sie gerne selbst geschrieben. Dazu gehörten Songs von David Bowie, Cat Stevens, Lennon/McCartney, Jagger/Richards und Bob Dylan. Seine letzte Tournee, die er in kleiner Besetzung mit überwiegend akustischen Instrumenten für November, Dezember 2023 geplant hatte, musste er im September 2023 wegen gesundheitlicher Probleme absagen. Infolge seiner Krebserkrankung starb Steve Harley am 17. März 2024 im Alter von 73 Jahren.
Die Nachruf-Sendung zum Tod von Steve Harley läuft in Radio-Rebell am 22. und 23.03.2024, jeweils um 22 Uhr und wird über DAB+ und UKW von Antenne Mainz am 21.03.24 um 23 Uhr ausgestrahlt. Die Sendung ist außerdem zu hören in ByteFM am 28.03. um 23 Uhr und am 30.03.2024 um 14 Uhr.
Die Playlist zur Sendung „Zum Tod von Steve Harley. Ein Porträt“
Artist / Track / Album / Label / Zeitplan
1. L.Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik) / Touch Me There / Zappa Records /
2. Steve Harley / Only You / Uncovered / Absolute Comeuppance
3. Steve Harley & Cockney Rebel / The Best Years of Our Lives (live) / Face To Face: A Live Recording / EMI
4. Steve Harley & Cockney Rebel / Sebastian / The Human Menagerie / EMI
5. Steve Harley & Cockney Rebel / Here Comes The Sun / Love’s A Prima Donna / EMI
6. Steve Harley & Cockney Rebel / Make Me Smile (Come Up and See Me) / The Best Years of Our Lives / EMI
7. Sarah Brightman & Steve Harley / The Phantom of the Opera / The Phantom of the Opera / Polydor
8. Steve Harley / Star For A Week (Dino) / Yes You Can / Food For Thought
9. Steve Harley / The Last Goodbye / The Quality Of Mercy / Gott Records
10. Steve Harley & Cockney Rebel / Riding the Waves (For Virginia Woolf) / The Best of Steve Harley & Cockney Rebel / EMI
Der Zusammenschnitt der Sendung „Zum Tod von Steve Harley. Ein Porträt“ ist als Podcast hier zu hören: