TROMMEL-MANI(E) – Mani Neumeier zum 80. Geburtstag

Der Pionier des psychedelischen Krautrock

Schlagzeugvirtuose, musikalischer Weltbürger, Rock-Schamane und anarchischer Musik-Komödiant

„Ich bring’s einfach nicht fertig, immer nur den gleichen Scheiß’ zu machen“ (Mani Neumeier)

Mani Neumeier (Rebell(i)sche Studiobühne 20.01.18)

Welche Band in Deutschland kann, erstens, auf eine bald 45-jährige Geschichte zurückblicken, kann, zweitens, auf eine musikalische Praxis verweisen, die nichts mit peinlichem Retrosound und Aufguss alter Hits zu tun hat, sondern den Herausforderungen der Jetztzeit musikalisch begegnet – und vermag es, drittens, mit immer wieder kreativen CDs und Auftritten sich an vorderster Front der eigenwilligen und unverwechselbaren Bands zu behaupten. Es gibt nur eine Gruppe in Deutschland, die alle drei Kriterien erfüllt: Guru Guru mit dem Urgestein im Zentrum: Schlagwerk-Guru Mani Neumeier.

Zur musikalischen Frischzellenkur des inzwischen 80-jährigen Perkussions-Maniac Mani zählen unter anderem seine Nebengruppen/Projekte wie: Tiere Der Nacht, ein avantgardistisches Acid-Jazz-Experimentierfeld, daneben Lover 303 mit Conni Maly, ein Voodoo-Trance-Projekt mit Electronic-Loops und Soundsamples, weiterhin Acid Mothers Guru Guru, ein Psychedelic-Power-Trio, 2006 in Japan mit zwei japanischen Musikern ins Leben gerufen, dann nicht zuletzt Der Teufel und sein Guru, ein Elektro-Jazz-Duo mit dem Gitarristen Hans Reffert – und schließlich sein privates Klangkaleidoskop und Soloprojekt Terra Amphibia, eine Soundcollage aus Naturgeräuschen, Ambient-Atmosphären und Weltmusik-Grooves, plus diverse weitere Kooperationen - wie z.B. sein japanisches Duoprojekt Manitatsu.


In Japan, wo man ihm besondere Wertschätzung entgegenbringt und ihn als wächserne Reproduktion ins Tokioter Wachsfiguren-Museum neben Jimi Hendrix gestellt hat, gilt Mani als Inbegriff des Kraut-Rock.
Während etliche Deutsch-Rocker der ersten Stunde entweder weihevoll oder sphärisch jenseitig daherkamen wie z.B die Berliner Tangerine Dream und Ash Ra Tempel, oder cool roboterhaft wie Kraftwerk aus Düsseldorf, oder avantgardistisch experimentell wie Can aus Köln, oder anspruchsvoll und gegenkulturell wie die Münchner Amon Düül und Embryo – jedenfalls meist ernsthaft, theoretisch untermauert und oft von teutonischer Schwere belastet – da kam das Musiker-Kollektiv Guru Guru aus der Wahlheimat Odenwald eher locker tänzelnd, dabei musikantisch hochkarätig und immer wieder lustvoll grinsend daher – dank der Späße von Mani Neumeier. Der Palmenzweig für die Heiterkeit im Krautrock gebührt ohne Zweifel Mani und seinen Freunden von Guru Guru. Man denke nur an Manis legendären „Elektrolurch“ (1973),

Video Elektrolurch

Man denke an all die komischen Hühner von „Chicken Rock“ (1975) über „Dös War I“ (mit dem Refrain ‚Jetzt lass’ I alle Hühner fliegen’, 1979) bis „Blue Huhn“ (1981). Es wird berichtet, dass er bei Konzerten Käfige mit Hühnern auf die Bühne geschleppt, das Federvieh frei gelassen und ins Publikum gescheucht habe. Das Hühner-Gegacker zieht sich durch Manis Leben wie eine Art Leitmotiv, respektive Hühnerleiter-Motiv.
Die Mär wird erzählt, dass Mani in frühester Jugend im Hühnerstall seiner Oma – nein, nicht Motorrad fuhr, auch nicht über die existenzielle Frage grübelte, was denn nun zuerst da war: das Huhn oder das Ei, sondern, dass er sich dort gerne aufhielt, um Eier zu sammeln und die Hennen und Hähne aus nächster Nähe zu beobachten und dabei ihre Bewegungsmotorik und Kräh/Gacker-Laute zu studieren.

Mani Neumeier (Rebell(i)sche Studiobühne 20.01.18)

Seine erste Rhythmus-Schule war eine Lehre als Spengler. Seitdem klopft, klöppelt und dengelt er sich mit Mani-scher Perkussion und Präzision durchs Leben und erspielte sich den Ruf, einer der individuellsten, kreativsten und vielseitigsten Schlagwerker Europas zu sein.

In den rund 65 Jahren seiner persönlichen Musikergeschichte hat er stilistisch fast alles getrommelt, was man unter dem weiten Mantel der Popularmusik mit Trommelstöcken und rhythmischen Händen bearbeiten kann, von Freejazz bis Popsongs, von lärmendem Powerrock bis zu leisen Ambient-Klängen, von Elektronik bis Tango und Calypso, von Krautrock bis Weltmusik, von strukturiertem Kreativ-Chaos bis imaginativen Sound-Tableaus. Ein Grund für diese chamäleonartige Bandbreite ist weniger ein ruheloser Suchtrieb, als vielmehr ein universelles Interesse an Musik und eine vielseitige Begabung.

Mani Neumeier (Rebell(i)sche Studiobühne 20.01.18)

Mani Neumeier wurde am 31.12.1940 in München geboren, zog als 13-jähriger mit seiner Familie nach Zürich und begann dort seine Musikerlaufbahn. Ab 1964 spielte er Jazz und improvisierte Musik mit dem Irene Schweizer Trio, gefolgt von Freejazz-Aktivitäten mit dem Manfred Schoof-Quintett, mit Alexander von Schlippenbach und Peter Brötzmann. Er machte Aufnahmen mit dem Globe Unity Orchestra, mit Wolfgang Dauner, Champion Jack Dupree, George Gruntz, Yusef Lateef und Philly Joe Jones. Auch mit John Mc Laughlin spielte er mehrmals zusammen, unmittelbar bevor McLaughlin bei Miles Davis und mit dem Mahavishnu Orchestra zum Weltstar im Jazzrock aufstieg. Der Jazzpapst Joachim Ernst Berendt lobte ihn damals als „größte rhythmische Begabung des deutschen Freejazz“. Doch 1968 schlug Mani ein neues musikalisches Kapitel auf. Gemeinsam mit dem Bassisten Uli Trepte gründete er die Free-Rock-Gruppe Guru Guru. Live-Premiere feierte das anfängliche Trio im August 1968 auf dem Heidelberger „Holy Hill“. Im September ’68 folgten dann zwei große Auftritte, zum einen gemeinsam mit Tangerine Dream und Amon Düül bei dem Festival „Deutschland erwacht – Popmusik aus deutschen Landen“ und, wenige Tage später, in der Essener Grugahalle anlässlich der „Internationalen Essener Songtage“. Damit hatte sich Guru Guru etabliert und in Deutschland einen Namen gemacht.

Dass sich Mani damals vom Jazz ab und dem Pop/Rock zuwandte, das begründete er so: sein Sinneswandel sei gekommen, als er gemerkt habe, dass die „ganzen jungen Zähne in den Beatschuppen verschwunden“ seien und den Jazzern „nur der kalte Kaffee von gestern übrig geblieben“ sei. „Frauen mögen keinen Jazz. Also spiele ich jetzt Rock’n’Roll.“ Eine nicht minder wichtige Antriebsfeder war seine „Lust am elektrischen Sound“ und seine Begeisterung für den psychedelischen Rock eines Jimi Hendrix. Im Jahre 1967 konnte man über Mani Neumeier und seine Inspirationsquellen als Schlagzeuger zum ersten Mal im Magazin Sounds Erhellendes lesen: „Alles, was täglich um mich herum raschelt, klingelt, knattert, quietscht, pfeift, rauscht, tröpfelt, poltert, kollert, schmatzt, flirrt, hämmert, brutzelt, schnarrt und IST“. Sein Musiker-Kollege Hans Reffert schrieb 2001, Mani Neumeiers Lebens- und Trommel-Philosophie sei im Grunde sehr einfach. Für ihn seien „alle verfügbaren Klänge des Universums Musik: Geräusche, Dschungel-Töne, Fabrik-Klänge, Volksmusik, Jazz, Rock’n’Roll, Maschinen-Beats, serielle Musik – eine unendliche Sound-Kollage“. Das gilt bis heute. (Volker Rebell 31.12.2020)

Mani Neumeier (Rebell(i)sche Studiobühne 20.01.18)

Hier ist ein Interview zu hören, das ich mit Mani Neumeier am 20.01.2018 geführt habe – im Anschluss an sein Konzert in der Rebell(i)schen Studiobühne.

Das Perkussions-Happening mit dem Publikum während Manis Konzert am 20.01.2018, von dem im Interview die Rede ist, ist hier ausschnittweise zu sehen:

50 Jahre Guru Guru

Zugabe Nr. 1:
Fragen an Mani Neumeier von Volker Rebell - 10. Januar 2018

1. Das „Finki“-Festival, das legendäre, alljährlich stattfindende Rock-Festival in Finkenbach, Odenwald, hast Du mit Deiner Band Guru Guru ins Leben gerufen und lange Jahre mitorganisiert. Auch heute noch gehörst Du mit Guru Guru zu den Headlinern des Festivals und bist Moderator und Spiritus Rector des Finki-Festivals. Neben dem Burg Herzberg-Festival gilt das Finki als das letzte große Hippie-Festival in Deutschland, in dem die Ideale von „Love and Peace“ alljährlich gefeiert werden. Diese großen Ideale kommen ja immer wieder unter die Räder, gerade jetzt in Zeiten von Kriegen, Terror und weltweiten Flüchtlingsströmen. Was treibt euch an, trotz aller Rückschläge und Widerstände immer noch an die Ziele der Blumenkinder zu glauben?

Mani Neumeier: Die Ziele der Blumenkinder sind doch auch die aller Menschen, die vernünftig denken, harmonisch und im Einklang mit der Natur leben wollen, ohne Kriege, Gier, Hass. „Love and Peace“ das hat doch nichts mit Nostalgie und Hippietum zu tun. Das brauchen wir alle, mehr denn je, egal ob Christen, Buddhisten, Muslime, Juden, Hindus, Heiden, Gläubige, Ungläubige usw..

2. Du hast schon vor mehr als 50 Jahren bei den Berliner Jazztagen 1967 als Schlagzeuger auf der Bühne gestanden. Wenn jemand über die Entwicklung des Rhythmus in der populären Musik aus eigener Erfahrung Bescheid weiß, dann Du. Wie siehst Du Deine eigene Entwicklung vom Freejazz-Schlagzeuger zum experimentierfreudigen Rock-Drummer bis zum Weltmusik-Perkussionisten usw.? Und wie beurteilst Du generell die Bedeutung und Veränderung des Rhythmus in der Popular-Musik seit den 1950er Jahren bis heute?

Mani Neumeier: Nachdem ich 1966 meine eigene, freie Spielweise entdeckt hatte und wir mit dem Irene Schweizer Trio und Peter Brötzmann Trio und dem Globe Unity Orchester alles auseinander genommen hatten und frei von Rhythmen und Harmonien spielten, hatte ich wieder große Lust trance-artige Rhythmen und Grooves zu spielen. Als wir 1968 Guru Guru gründeten und – angetörnt von Jimi Hendrix – zur elektrisch verstärkten Musik wechselten, hatten wir plötzlich einen riesigen Sound, der auch eine neue Spielweise erforderte. Ich nahm mir die Freiheit, alles was ich hörte in einen neuen Stil einzubauen, von Rock bis zu afrikanischer, indischer und anderer Weltmusik, dazu Umwelt-, Industrie- und Naturgeräusche.
Der Rhythmus und das Schlagzeug haben seit 1950 in der Popularmusik viel mehr Raum eingenommen. Leider ist heute von den tollen Jazzgrooves und den afrikanischen/indischen Sachen nur noch ein dürftiges Bum Bum Bum übrig geblieben, meist mit Drumcomputern produziert, was den meisten Konsumenten scheinbar genügt. Vielleicht weil sie nichts anderes mehr kennen. Schade.

3. Du bist „Big in Japan“. Dein Abbild steht im Wachsfigurenkabinett in Tokio neben Jimi Hendrix. Du bist regelmäßig in Japan auf Tournee und spielst dort zusammen mit japanischen Musikern. Und Du bist verheiratet mit einer Japanerin. Wie erklärt sich Dein besonderes Verhältnis zu Japan und das der japanischen Fans zu Dir?

Mani Neumeier: Mein besonderes Verhältnis zu Japan ist einfach zu erklären. Ich habe in vielen Ländern gespielt, aber als wir 1996 mit Guru Guru in Japan eingeladen waren, merkte ich schnell, hier ist vieles besser als anderswo. Freundliche Menschen, interessante Musik und Kunst, gutes Essen, alles sauber, Züge pünktlich, keine Aggression, die Leute hilfsbereit, die Stimmung auf den Straßen und in den Lokalen voller Lebensfreude und cool. Niemand klaut was. Technisch alles weit voraus und dabei die alte Tradition rundum gegenwärtig. Mein gutes Verhältnis zu den japanischen Fans und Musikern entstand dadurch, dass sie meine Musik schätzten sowie meine Art und meinen Humor, und weil sie gemerkt haben, dass ich Japan liebe. Dass ich meine Frau Etsuko in Tokio kennen gelernt habe, ist ein Glücksfall.

4. Vielleicht kannst Du als Japan-Kenner erklären, was die „japanische Seele“ aktuell umtreibt. Angesichts der Raketen-Bedrohung durch den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un unterstützt der japanische Premier Abe das Säbelrasseln von US-Präsident Trump und will Japan massiv militärisch aufrüsten. Wird diese Haltung nach Deinem Kenntnisstand auch von der breiten Mehrheit der japanischen Bevölkerung geteilt?

Mani Neumeier: Die Lage Japans ist militärisch schwierig. Der eine Dummkopf bedroht Japan und schießt Testraketen über das Land. China streckt seine gierigen Krallen auf japanische Inseln aus und Herr Dumpf Trumpf will allen für Milliarden Waffen verkaufen. Aber die meisten Japaner wollen keine eigenen Atombomben und verabscheuen den Krieg. Seit Hiroshima 1945, wo die USA diesen teuflischen Atomanschlag verübten, denken die Japaner jedes Jahr am 5. August mit einer Trauerfeier und Gebeten im ganzen Land an den Massenmord.

5. Am 31. Dezember hast Du Deinen 77. Geburtstag gefeiert. Wie hältst Du Dich fit? Wie bleibst Du vital? Und welchen Rat hast Du für ältere Menschen, wie sie ihre Gesundheit erhalten und ihr Leben genießen können?

Mani Neumeier: Ich habe den 77. nicht größer gefeiert. Ich fühle mich eh mehr wie 55. Mein 60. Geburtstag war der letzte, den ich gefeiert habe. Die besten Feste sind für mich meine Konzerte, oder normale, sonnige Tage. Wie ich mich fit halte? Guter Rat: gesunde Ernährung, kaum Fleisch, wenig Alkohol, nicht Rauchen, lange Schlafen, wenig Stress. Mit der Natur leben, positiv denken, an die Liebe glauben.

6. Was dürfen die Konzertbesucher am 20. Januar 2018 bei Deinem Solo-Konzert in der „Rebell(i)schen Studiobühne“ in Offenbach von Dir und Deiner Performance erwarten?

Mani Neumeier: Die Besucher können eine Performance erwarten, die über das Normale hinausgeht. Etwas fürs Herz, mit Begeisterung und Phantasie gemacht, auch mit Überraschungen. Und sie werden besser drauf sein als vorher. Bei zwei Stücken wird meine Frau Etsuko als Gast mitzaubern. Ich freu mich drauf. Mani San

Als zweite Zugabe ein Ausschnitt aus einem Interview mit Mani Neumeier für die Radio-Sendung hr3-rebell vom 05.04.04