Die Vaterfigur des britischen Blues starb im Alter von 90 Jahren
„Er hat mir alles beigebracht, was ich weiß, und hat mir den Mut und den Enthusiasmus gegeben, mich selbst ohne Angst oder Grenzen auszudrücken“, sagte Eric Clapton in seinem Nachruf-Video über seinen Mentor John Mayall.
Am 22. Juli 2024 ist John Mayall in seinem Haus im Laurel Canyon im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen, so hieß es in einem Statement auf seiner WebSeite. Über seine Bedeutung als Musiker, Bandleader und Songschreiber und vor allem als Förderer junger Talente ist derzeit viel zu lesen.
Im Vorwort zu John Mayalls Autobiografie „Blues from Laurel Canyon: My Life as a Bluesman“ schrieb Mick Fleetwood: „Die Rolle, die John Mayall & the Bluesbreakers in der britischen Musikszene spielten, ist mehr als nur unglaublich wichtig, und zwar weit über den Horizont des Blues hinaus.“ Nicht nur für Mick Fleetwood gilt John Mayall als eine der einflussreichsten Musikerpersönlichkeiten in der Blues-Rock-Pop-Szene überhaupt. Nun ist er gegangen.
In einem seiner letzten Songs „I’m As Good As Gone“ heißt es im Text:
„Wenn der Hahn bei Tagesanbruch kräht, werde ich meinen Schlüssel abgeben. Ich bin schon so gut wie weg.“
John Mayall, from a concert at the Notodden Blues festival in 2004. Date: 8 August 2004
Im Nachruf seiner Familie heißt es: „John Mayall hat neunzig Jahre lang unermüdlich daran gearbeitet, uns zu bilden, zu inspirieren und zu unterhalten.“ Es war offensichtlich ein erfülltes Leben. Im Titelstück seines letzten Albums „The Sun Is Shining Down“, das im Januar 2022 erschien und das als sein musikalisches Vermächtnis gelten könnte, resümierte der zum Zeitpunkt der Aufnahme 88-Jährige und zeigte sich zufrieden mit seinem Leben und dem Ort, an dem er lebte. Im Text heißt es:
„Ich bin so froh, dass ich immer meine Freunde um mich habe. Ich habe ein Zuhause in Kalifornien, und die Sonne scheint herunter. Es war eine lange, lange Reise und ich habe keine Zeit zum Aufhören. Die Dinge laufen so gut, bis jetzt. Nicht schlecht für einen alten Briten. Und ich bin so froh, dass die Sonne auf mich herabscheint.“
58 Jahre zuvor, im Mai 1964, erschien die erste Single von John Mayall und seiner neu gegründeten Begleitband The Bluesbreakers „Crawling Up A Hill“. Am Bass war John McVie, der später mit dem Schlagzeuger Mick Fleetwood und dem späteren Gitarristen der Bluesbreakers Peter Green die Band Fleetwood Mac gründen sollte. Das ist nur eines der vielen Beispiele, welche Bedeutung John Mayall als Bandleader für die Entwicklung des britischen Blues und für die Neugründung wichtiger Bands hatte.
Dem Textinhalt der Debütsingle „Crawling Up A Hill“ kann man auch entnehmen, dass John Mayall schon früh ein gewitzter Songschreiber war, mit Sinn für Ironie, aber auch für Sozialkritik. Im mehr oder minder autobiografischen Text, der unter anderem von seinem ersten Job als Grafiker in seinem Geburtsort, einer Kleinstadt bei Manchester handelt, heißt es:
„Jeden Morgen gegen halb neun, weckt mich meine Mama und sagt: ‚Komm nicht zu spät‘. Ich gehe ins Büro und versuche, mich zu konzentrieren. Mein Leben ist nur ein langsamer Zug, der einen Hügel hinaufkriecht. Ich werde meinen Job kündigen, ohne den Schatten eines Zweifels, um den Blues zu singen, durch den ich weiß, dass mein Leben nur ein Bummel-Zug ist, der einen Hügel hinaufkriecht. Minute um Minute, Sekunde um Sekunde, Stunde um Stunde vergeht. Ich arbeite für einen reichen Mann und bleibe selber arm, und werde niemals aufhören zu fragen, warum das so ist.“
Die Karrierephase um das Jahr 1970 mit den Alben „The Turning Point“ vom Oktober 1969, „Empty Rooms“ vom März 1970 und „USA Union“ vom Oktober 1970 gilt manchen Kritikern als John Mayalls kreativste Phase. John Mayall war nach Kalifornien übergesiedelt und tat sich mit dortigen Musikern zusammen, um eine neue Form des Blues zu entwickeln. Wichtigste Neuerung: der komplette Verzicht auf ein Schlagzeug.
Im Album „USA Union“ wurde er von hervorragenden US-amerikanischen Musikern begleitet, dem Canned-Heat-Bassisten Larry Taylor, dem Fusion-Jazz-Geiger Don Sugarcane Harris und dem renommierten Blues- und Rock-Gitarristen Harvey Mandel. In diesem Album „USA Union“ findet sich mit „Nature’s Disappearing“ einer der ersten anklagenden Songs zum Thema Umweltverschmutzung, in dessen Text es heißt:
„Der Mensch ist eine schmutzige Kreatur, er vergewaltigt das Land, das Wasser und die Luft. Morgen könnte es zu spät sein. Jetzt ist die Zeit, in der man sich bewusst sein muss: Die Natur verschwindet.“
Zu John Mayall’s Bluesbreakers gehörten – wie schon erwähnt - einige der wichtigsten britischen Gitarristen, allen voran Eric Clapton, der von 1965-66 Mitglied der Bluesbreakers war und mit dem John Mayall eines der stilbildenden Alben des britischen Blues aufnahm: „John Mayall With Eric Clapton Blues Breakers“. Der nächste große Gitarrist war Peter Green, der von 1966-67 mit John Mayall spielte. Mick Taylor war, bevor er von den Rolling Stones abgeworben wurde, Mitglied von 1967-69, und später nochmals in den 80er und 90er Jahren. Auch der US-amerikanische Bluesrock-Gitarrist Walter Trout gehörte von 1983 bis 1989 den Bluesbreakers an. Und schaut man sich die Liste der Schlagzeuger an, die bei den Bluesbreakers trommelten, kommt man aus dem Staunen kaum heraus: z.B. Hugh Flint, der später die Band McGuiness-Flint gründete, John Hisemann, der Bandleader von Colosseum wurde, oder Keef Hartley, der seine eigene Band gründete.
In einem Interview mit The Guardian erklärte John Mayall, warum er mit dem Blues immer verbunden blieb, weil „es immer um diese rohe Ehrlichkeit ging, mit der der Blues unsere Lebenserfahrungen ausdrückt. Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass irgendjemand wirklich genau weiß, was es ist. Aber ich kann einfach nicht aufhören, ihn zu spielen.“ (Quelle: Rolling Stone 24.07.24)
Jetzt allerdings musste sein Blues-Spiel auf Erden enden. Im Song „We Gotta Find A Better Way“ aus seinem letzten Album „The Sun Is Shining Down“ finden sich diese Textzeilen: „Es ist eine schwierige Zeit, es sind traurige Tage, durch die wir gehen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Haben wir unseren Weg verloren? Ich muss eine Antwort finden, wir müssen einen besseren Weg finden.“ (VR)
Die Playlist zur Sendung zum Tod von John Mayall
Artist / Track / Album / Label
1. L.Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik) / Touch Me There / Zappa Records /
2. John Mayall / I’m As Good As Gone / The Sun is Shining Down / Forty Below Records
3. John Mayall / The Sun is Shining Down / The Sun is Shining Down / Forty Below Records
4. John Mayall and The Bluesbreakers / Crawling Up A Hill / Crawling Up A Hill / Decca
5. John Mayall and The Bluesbreakers feat. Eric Clapton / All Your Love / 70th Birthday Concert / Eagle
6. John Mayall & The Bluesbreakers / Blues For The Lost Days / Blues For The Lost Days / Silverstone Records
7. John Mayall / Nature’s Disappearing / USA Union / Polydor
8. John Mayall / Not At Home / Wake Up Call / Silverstone Records
9. John Mayall / Spinning Coin / Spinning Coin / Silverstone Records
10. John Mayall / Got to Find a Better Way / The Sun is Shining Down / Forty Below Records
Die Nachrufsendung zum Tod von John Mayall wird über DAB+ und UKW von Antenne Mainz am Do 25.07.24 um 23 Uhr ausgestrahlt und läuft in Radio-Rebell am Fr 26. und Sa 27.07.24 jeweils um 20 Uhr.
Hier ist der Zusammenschnitt der Nachrufsendung als Podcast zu hören: