der profilierte Songschreiber und Sänger starb am 18.01.2023
Er habe Glück gehabt, sagte David Crosby in einem Interview aus Anlass seines 80. Geburtstages, auf die Frage, wie er sich erkläre, dass er trotz all seiner gesundheitlichen Probleme so lange überlebt habe.
Tatsächlich hatte er Glück gehabt und auch gefunden – nicht zuletzt dank seiner unbändigen musikalischen Kreativität als eigenwilliger Songschreiber und exzellenter Sänger/Gitarrist, weshalb er als Vorläufer der aktuellen Stilrichtungen des Freak-Folk und Weird-Folk-Revivals gilt.
David Crosbys Karriere begann als Gründungsmitglied, Sänger und Gitarrist der kalifornischen Folkrock-Band The Byrds. Zum absoluten Superstar stieg er auf als Mitglied der „amerikanischen Beatles“ Crosby, Stills, Nash & Young. Im Quartett der Singer-Songwriter zeichnete er für die ausgefallenen Kompositionen verantwortlich. „Deja Vu“, „Triad“, „Long Time Gone“, „Guineveve“, „Almust Cut My Hair“ u.a. gehörten zu den eigenwilligsten und harmonisch differenziertesten Songs ihrer Zeit. Crosby’s wachsende Drogenabhängigkeit führte teilweise zum Absturz seiner Karriere. Wegen Drogendelikten und illegalem Waffenbesitz wurde er 1985 zu einer Haftstrafe verurteilt. Ab 1986 gelang ihm schrittweise die Befreiung von der Sucht und ein Comeback. Seitdem trat er wieder regelmäßig auf, unter anderem gemeinsam mit seinem Sohn James Raymond in der Band CPR. Seine gesundheitlichen Probleme zwangen ihn jedoch immer wieder zu Auszeiten. 1994 musste er sich einer Lebertransplantation unterziehen. Im Laufe der Zeit erlitt er drei Herzinfarkte und musste sich 8 Stents in den Herzgefäßen implantieren lassen.
Doch er tourte auch wieder mit seinen alten Kumpels Graham Nash und Stephen Stills – bis er sich 2015 mit beiden überwarf. Er, der streitlustige Freigeist zwischen „Aufsässigkeit und Hedonismus“ (FAZ), der früher unberechenbar schien und selbst seine engsten Freunde vor den Kopf stieß, er wurde in den letzten Jahren milder, demütiger, entschuldigte sich für frühere Rüpeleien und suchte den friedlichen Ausgleich mit seinem Umfeld. Und letztlich ist er dann auch recht friedlich im Kreise seiner Familie am 18. Januar im Alter von 81 Jahren gestorben.
In seinem letzten Radio-Interview wenige Tage vor seinem Tod sagte er: „Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt, vielleicht noch 2 Wochen, vielleicht noch 10 Jahre, ich nähere mich dem Ende meines Lebens, das wissen wir. Aber wie viel Zeit ich noch habe, ist nicht das Entscheidende, sondern was ich mit dieser Zeit mache.“
David Crosby hatte sich noch viel vorgenommen. Er plante eine neue Tournee und arbeitete bis kurz vor seinem Tod an den Aufnahmen für ein neues Album, das sicher in absehbarer Zeit erscheinen wird. Über seine Webseite wurde am 20.01.2023 ein neues Live-Album unter dem Titel „In My Dreams“ veröffentlicht. Es werden sicher noch einige weitere Konzertmitschnitte hinzukommen. Wobei schon in den letzten Jahren, in denen David Crosby zu einer kreativen Hochform auflief, sein musikalisches Werk durch einige weitere großartige Alben von ihm erweitert wurde, beginnend mit dem Album „Croz“ (2014), über „Lighthouse“ (2016), „Sky Trails“ (2017) und „Here If You Listen“ (2018) bis zu seinem bis dato letzten Studioalbum „For Free“ (2021) – allesamt späte, beeindruckende Meisterwerke.
Die Welt des Pop hat mit David Crosby einen herausragenden Sänger, eigenwilligen Charakterkopf, Schöpfer höchst origineller Songs und gesellschaftskritischen Helden der Gegenkultur verloren.
Solch Ausnahmeerscheinungen sind selten und kaum zu ersetzen.
Die Playlist der musikalischen Nachrufsendung
Artist / Track / Album / Label / Zeitplan
1. L.Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik) / Touch Me There / Zappa Records / 00:44
2. Crosby, Stills & Nash / Long Time Gone / Crosby Stills & Nash / Atlantic Records / 03:32
3. David Crosby / Triad (Demo) / Crosby Stills Nash & Young - Deja Vu 2021 Remaster / Atlantic Records / 10:52
4. The Byrds / Eight Miles High / Fifth Dimension / Columbia Records / 18:59
5. David Crosby / Distances / Oh Yes I Can / A&M Records / 27:07
6. David Crosby / River Rise / For Free / Three Blind Mice, BMG / 34:19
7. David Crosby / I Won’t Stay For Long / For Free / Three Blind Mice, BMG / 40:28
8. David Crosby / Rodriguez For A Night / For Free / Three Blind Mice, BMG / 47:14
9. David Crosby / Laughing / If I Could Only Remember My Name / Atlantic Records / 52:33
10. Crosby & Nash / How Does It Shine / Crosby & Nash / Sanctuary Records / 58:13
Hier ist ein Zusammenschnitt meiner Nachrufsendung zu hören, enthaltend die komplette Moderation, Ausschnitte aus dem letzten Radiointerview, das David Crosby wenige Tage vor seinem Tod einer US-Radiostation gab und alle Songs der Playlist, allerdings nur kurz angespielt (lediglich zur Dokumentation, in geringer Bitrate 112 kBit/sec wiedergegeben).
Zur Ergänzung sei hier noch als Podcast der Zusammenschnitt meiner Sendung vom 14.08.2011 zum damaligen 70. Geburtstag von David Crosby zu hören.
Doch zuvor der Ankündigungstext zur Sendung, aktualisiert:
Déjà Vu – Long Time Gone
Zum (damaligen) 70. Geburtstag von David Crosby
„Zeit ist der einzige Wert, Zeit ist die endgültige Währung. Nicht das Geld, nicht die Macht. Die Zeit wird sich finden, wenn Du bereit bist, Dir Zeit zu nehmen“, so heißt es im Crosby-Song „Time Is The Final Currency“, geschrieben für seine Band CPR. Etliche zeitlose und geschichtsträchtige Songs hat er im Verlauf eines halben Jahrhunderts geschrieben. Einige davon sind in dieser Stunde zu hören – aus Anlass seines 70. Geburtstages von David Crosby, der 1965 seinen ersten Welthit hatte, als Sänger und Gitarrist der Folkrock-Band The Byrds. Zum absoluten Superstar stieg er auf als Mitglied der „amerikanischen Beatles“ Crosby Stills Nash & Young. Seine außergewöhnlichen Songkompositionen gehörten zu den eigenwilligsten und harmonisch differenziertesten Songs ihrer Zeit.
Ab 1971 nahm er sporadisch Solo-Alben auf und arbeitete immer wieder eng mit Graham Nash zusammen. Als Duo gingen die beiden auf Tourneen und veröffentlichten gemeinsame Alben. Crosby’s wachsende Drogenabhängigkeit führte in den 80er Jahren zum Absturz seiner Karriere. Wegen Drogendelikten und Waffenbesitz wurde er im August 1983 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, kam aber nach 9 Monaten Haft wieder frei. Auf die Frage eines Interviewers, warum er eine Waffe bei sich trüge, antwortete er, er wolle nicht wie John Lennon sterben. Nachdem er sich von seiner Heroin- und Kokain-Abhängigkeit befreit hatte, gelang ihm 1988 ein Comeback.
Mit seinen alten Kumpels Stills, Nash und Young nahm er das Album „American Dream“ auf, veröffentlichte im Jahr darauf sein zweites Solo-Album „Oh Yes, I Can“ und kooperierte mit Phil Collins auf dessen Album „... But Seriously“. Als Background-Sänger ist David Crosby z.B. im Phil Collins-Song „Another Day In Paradise“ zu hören. Im Collins-Song „That’s Just The Way It Is“ singen beide im Duett. Gesanglich unterstützte er neben James Taylor, Jackson Browne, Joni Mitchell und vielen anderen auch David Gilmour im Titelstück aus dessen Soloalbum „On An Island“ (2006).
1994 musste sich Crosby einer Lebertransplantation unterziehen. Die jahrelangen Drogen- und Alkoholexzesse hatten ihn gesundheitlich fast ruiniert. Am Krankenbett soll Graham Nash ihm beim Abschied ins Ohr geflüstert haben: „Lass mich nicht allein mit dem verrückten Stills“. Im gleichen Jahr hatten Crosby Stills & Nash ihr Album „After The Storm“ veröffentlicht.
1998 gründete David Crosby gemeinsam mit seinem Sohn James Raymond die Band CPR, ging mit diesem Familienunternehmen auf Tour und veröffentlichte drei hervorragende CPR-Alben. Sein Sohn war auch beteiligt am großartigen Album „Crosby-Nash“ von 2004 und an der anschließenden Welt-Tournee, die ihn auch nach Deutschland führte.
David Crosby hat vier leibliche Kinder und ist via Samenspende auch der biologische Vater der beiden Kinder von Melissa Etheridge.
Im März 2004 hatte Crosby wieder Probleme mit der Justiz wegen Waffen- und Marihuana-Besitzes. Er kam mit einer Geldstrafe davon. Die Strafe von 5000 US-Dollar konnte er locker aus der Portokasse zahlen, denn die Tourneen gemeinsam mit Stills und Nash liefen kommerziell erfolgreich und waren auch musikalisch ein Gewinn. Eine in den USA viel beachtete Retrospektive von David Crosbys Solo-Aktivitäten und Gruppen-Arbeiten mit den unterschiedlichen Bands seiner Karriere wurde 2006 als „Voyage Box Set“ veröffentlicht. Ein Mitschnitt der Tour von Crosby Stills Nash & Young des Jahres 2008 erschien als DVD-Dokumentation und Audio-CD „Déjavù live“. Und - so wie es aussieht (damals aussah): There’s more to come – long may you run.
Nachtrag: Es kam tatsächlich noch sehr viel mehr. In den 11 Jahren bis zu seinem Tod am 18.01.2023 folgten noch sieben weitere Soloalben, allesamt von exzellenter Qualität.
Die Playlist zur Sendung vom 14.08.2011 zum 70. Geburtstag von David Crosby
Artist / Track / Album / Label
1. L. Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik) / Touch Me There / Zappa Records
2. CPR / Breathless / Just Like Gravity / Gold Circle
3. David Crosby / Thousand Roads / Thousand Roads / Atlantic Records
4. Crosby Stills & Nash / Shadow Captain / Allies / Atlantic
5. Crosby Stills Nash & Young / Déjà Vu / Déjà Vu / Atlantic
6. CPR / Gone Forever / Just Like Gravity / Gold Circle
7. David Crosby / Too Young To Die / Thousand Roads / Atlantic
8. David Crosby / Melody / Oh Yes I Can / A&M Records
9. CPR / Time Is The Final Currency / CPR / Edel Records
10. David Crosby / Flying Man (Hintergrundmusik) / Oh Yes I Can / A&M Records
Der Zusammenschnitt meiner Sendung vom 14.08.2011 zum 70. Geburtstag von David Crosby:
in memoriam: David Crosby – 10 Radiostunden nonstop
Zu Ehren des verstorbenen großen Sängers, Gitarristen und Songschreibers David Crosby präsentiert Radio-Rebell-Spezial eine 10-stündige Hommage
zum Gedenken an David Crosby:
1. Stunde: David Crosby – ein musikalischer Nachruf
2. Stunde: David Crosby „In My Dreams“, eine Kompilation von 10 Live-Aufnahmen, die zwei Tage nach David Crosbys Tod veröffentlicht wurde
3. Stunde: „Déjà Vu – Long Time Gone“. Wiederholung der Kramladen-Sendung vom 14.08.2011 zum 70. Geburtstag von David Crosby
4. Stunde: Konzertmitschnitt „The Acoustic Concert“ - Crosby, Stills & Nash (1992)
5. Stunde: Marcus Eaton - Begleitmusiker und möglicher Nachfolger von David Crosby.
6. Stunde: Konzertmitschnitt „CSN 2012 Teil 1“
7. Stunde: Konzertmitschnitt „CSN 2012 Teil 2“
8. Stunde: Konzertmitschnitt „David Crosby with Venice: Jammin In The Canyon“ + Konzert: Crosby & Nash - London 1970, BBC In Concert „Down Through The Garden live“
9. Stunde: „Carry On - 40 Jahre Crosby, Stills & Nash“ - Wiederholung der Sendung vom 28.05.2009
10. Stunde: „Graham Nash“ - von The Hollies bis Crosby, Stills, Nash & Young und Crosby & Nash, zu seinem 70. Geburtstag. Wiederholung der Sendung vom 02.02.2012
Die 10 Radiostunden zu Ehren von David Crosby laufen in Radio-Rebell am Sa 04.02.2023 und So 05.02.2023 jeweils von 14 bis 24 Uhr