60 Jahre „Beatles For Sale“

Ende 1964 waren die Beatles erschöpft. Deshalb reichte es nur für 8 neue Eigenkompositionen im vierten Album

Der Podcast zur Sendung

What You’re Doing, Eight Days A Week? Rock And Roll Music? No Reply. Baby’s In Black. I’m A Loser, I Don’t Want To Spoil The Party. I’ll Follow The Sun.
Das sind die zu einer kleinen Story aneinandergereihten Titelzeilen der auffälligsten Songs des Albums „Beatles For Sale”, das am 4. Dezember 1964, also vor rund 60 Jahren veröffentlicht wurde und deshalb von uns mit einem Jubiläums-Mitsingkonzert gefeiert werden muss.
„Beatles For Sale“ war bereits das vierte Beatles-Album in nur 1.1/2 Jahren.
Das ikonische Cover-Foto zeigt, dass die Beatles zum Jahresende 1964 müde und erschöpft waren.

Anfang des Jahres hatten sie Amerika erobert. Ihr erster grandioser Kinofilm und das dazugehörige superbe Album „A Hard Day’s Night“ hatten viel Zeit und Kraft gekostet, erst recht die ständigen Fernsehauftritte und Konzerte, vor allem die beiden Tourneen durch Nordamerika. Und dann gingen sie auch noch auf ihre erste Welttournee, die sie im Sommer nach Dänemark, die Niederlande, Hongkong, Australien und Neuseeland führte. Das war offenbar zu viel, um auch noch ein brillantes Album zum Jahresende abliefern zu können.

Das Vorläuferalbum „A Hard Days Night“, das erst ein halbes Jahr zuvor, im Juli 1964 veröffentlicht worden war, enthielt ausschließlich eigene, selbstverfasste Songs, darunter ein paar Hochkaräter wie das Titelstück, oder wie „If I Fell“, „And I Love Her“, „Any Time At All“, „Things We Said Today“, „You Can’t Do That“ und „I’ll Be Back“. Zuvor war im Juni bereits die EP „Long Tall Sally“ erschienen mit dem selbst geschriebenen Song „I Call Your Name“.
Die ausgelaugten Fab Four brachten dann für das Weihnachtsalbum „Beatles For Sale“ nur 8 neue, eigene Songs zustande, wovon nicht alle an die selbstgesteckten Erwartungen und an das bereits erreichte Qualitätslevel heranreichen konnten. Diesen kleinen Mangel machten die Beatles aber wett durch ihr enorm druckvolles und mitreißendes Spiel - nicht zuletzt bei den 6 Coverversionen des Albums. Die Einspielung dieser Coversongs ging im Studio erstaunlich schnell über die Bühne, weil die Beatles diese Songs seit Jahren live in ihren Konzerten spielten. Einer der Covertitel, der rasend schnell und zwar in nur einem Take live im Studio eingespielt wurde, war Chuck Berrys Klassiker „Rock and Roll Music“.

Die Beatles spielten den Song mit so viel Verve, Dynamik, Power, Leidenschaft und Können, dass ihre Version als die beste Aufnahme dieses Songs überhaupt gilt und bis heute als Referenz-Einspielung eines Rock’n’Roll-Songs hochgeschätzt wird.
Auch ihre Version des Buddy Holly-Songs „Words Of Love“ war ihnen ausgesprochen gut gelungen. Dies gilt auch für die beiden Songs von Carl Perkins, den Rockabilly „Honey Don’t“, gesungen von Ringo und „Everybody’s Trying To Be My Baby“, arrangiert im Stil eines Country-Swing , gesungen von George Harrison.

Aber natürlich sind es die selbstverfassten Songs, die das Album veredeln. Allen voran die beiden Lennon-Songs „No Reply“ und I’m A Loser“, mit denen das Album eröffnet wird. „No Reply“ ist der erste Beatles-Song, der eine komplette Geschichte erzählt, eine Story von Verrat und Demütigung. Obwohl er sie am Fenster gesehen hat, lässt sie sich verleugnen und geht nicht ans Telefon. Stattdessen muss er mitansehen, wie sie mit einem andern Händchen haltend an ihm vorbeiläuft: „I nearly died“. Im darauffolgenden Song „I’m A Loser“ singt Lennon selbstreflektierend, wenn er lache und sich wie ein Clown aufführe, sei das nur eine Maske – für damalige Verhältnisse höchst ungewöhnlich: „Meine Tränen fallen wie Regen vom Himmel. Weine ich um sie oder um mich?“

Für die fröhlicheren und optimistischen Töne ist Paul McCartney zuständig. „Halt mich, lieb mich, acht Tage die Woche.“ Nicht nur mit dem Song-Opener der B-Seite „Eight Days A Week“, an dem Lennon mitgeschrieben hat, weiß er zu glänzen. Drei weitere exquisite Songs steuerte er zum Album bei: zum einen „Every Little Thing“, das kleine, oft unterschätzte Liebeslied, das 1969 von der Artrockgruppe Yes interpretiert wurde; zum anderen das im formalen Aufbau überraschende „What You’re Doing“ und schließlich „I’ll Follow The Sun“, eine typische McCartney-Ballade, leicht, hübsch und optimistisch, mit der Refrainzeile: „Morgen mag es regnen, ich werde der Sonne folgen.“ Beatles-Produzent George Martin meinte, wenn er sich für einen Lieblingssong des Albums entscheiden müsste, dann wäre es Pauls „I’ll Follow The Sun“.

Auch trotz der kleineren Schwächen im Album Beatles For Sale behaupteten die Beatles zum Jahreswechsel 1964/65 dennoch ihre überragende Ausnahmestellung in der damaligen Popwelt. Denn wer außer ihnen verfügte über eine kreative Ausbeute von insgesamt 25 selbstverfassten Songs innerhalb eines Jahres. Und wer schrieb denn damals 1964 überhaupt eigene und vorzeigbare bis überragende Songs in solch großer Zahl, außer den Beatles und Bob Dylan.
Alles in allem kann „Beatles For Sale“ als ein gelungenes Album gelten im Übergang zur künstlerischen Explosion des Jahres 1965 mit den Alben „Help“ und „Rubber Soul“, wobei sich diese Entwicklung in den besten Songs des Albums „Beatles For Sale“ bereits andeutet.

Playlist der Sendung 60 Jahre „Beatles For Sale“

Artist / Track / Album / Label / Zeitplan

1. L.Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik) / Touch Me There / Zappa Records /

2. The Beatles / Leave My Kitten Alone / The Beatles Anthology 1 / Apple, EMI

3. The Beatles / Mr. Moonlight / Beatles For Sale / Parlophone, EMI, Apple

4. The Beatles / No Reply / Beatles For Sale / Parlophone, EMI, Apple

5. The Beatles / No Reply (Demo) / The Beatles Anthology 1 / Apple, EMI

6. The Beatles / I’m A Loser / Beatles For Sale / Parlophone, EMI, Apple

7. The Beatles / Baby’s In Black / Beatles For Sale / Parlophone, EMI, Apple

8. The Beatles / Rock’n’Roll Music / Beatles For Sale / Parlophone, EMI, Apple

9. The Beatles / I Don’t Want To Spoil The Party / Beatles For Sale / Parlophone, EMI, Apple

10. The Beatles / I’ll Follow The Sun / Beatles For Sale / Parlophone, EMI, Apple