„Unter freiem Himmel“ – das neue Album von Matthias Frey und Christopher Herrmann
Kurzer Sendungstext:
Frei improvisierte Kammermusik zwischen Jazz und Klassik bietet das neue Duo-Album „Unter freiem Himmel“ von Matthias Frey, Piano und Christopher Herrmann, Cello, das im Gespräch mit Matthias Frey vorgestellt wird.
Playlist der Kramlden-Sendung vom19.10.2017
Artist Track Album Label Zeitplan
1. L. Shankar Darlene (Kramladen-Themamusik) Touch Me There Zappa Records 00:40
2. Matthias Frey & Friends Voyage Oriental Voyage Oriental Zyx Music 03:17
3. Matthias Frey, Christopher Herrmann Erwartung Unter freiem Himmel Freyraum-Musik 10:23
4. Matthias Frey & Büdi Siebert Jeux D’enfants Both Side Of Life Araucaria Music 18:59
5. Matthias Frey Appearance Of The Pintos Nightfire Delta Music 23:59
6. Matthias Frey, Christopher Herrmann Morgentanz Unter freiem Himmel Freyraum-Musik 30:18
7. Matthias Frey, Christopher Herrmann Lachender Buddha Unter freiem Himmel Freyraum-Musik 41:43
8. Matthias Frey, Christopher Herrmann Requiem Unter freiem Himmel Freyraum-Musik 48:48
9. Matthias Frey, Christopher Herrmann Patkotak’s Lied Unter freiem Himmel Freyraum-Musik 58:08
„Unter freiem Himmel“ – oder: Musik wie ein Billardspiel. Die hohe Kunst der musikalischen Interaktion und Improvisation
Zum neuen Album von Matthias Frey (Piano) und Christopher Herrmann (Violoncello)
„Man weiß jetzt soll’s losgehen. Und dann passiert erstmal gar nichts, bis einer den ersten Ton spielt. Der kickt das an – vergleichbar vielleicht mit dem ersten Stoß auf dem Billardtisch. Die Kugeln liegen, und einer gibt den ersten Impuls. Und dann laufen die Kugeln in alle möglichen Ecken, stoßen aneinander, reiben sich oder laufen schön parallel“, so beschreibt der Jazz-Pianist, Weltmusiker und Improvisationskünstler die Entstehung der improvisierten Musik, die er gemeinsam mit anderen Musikern kreiert: z.B. am 28.10.17 beim 6. Weltklangfestival in der Stadthalle Katzenelnbogen. Nach dem gleichen Prinzip entwickelte sich auch die Musik seines neues Duo-Albums „Unter freiem Himmel“, das er gemeinsam mit dem Cellist Christopher Herrmann im eigenen Tonstudio einspielte.
Zwei hochbegabte, in der Kunst des Improvisierens geübte und mit der Gabe des intuitiven Improvisieren-Könnens gesegnete Musiker sitzen einander gegenüber, hören sowohl aufeinander als auch auf ihre innere Eingebung und beginnen zu musizieren, lassen Töne und Klänge in einem freien Spiel fließen. Es gibt keine aufgeschriebenen Noten, keine vorbereitete Themen, keinerlei melodische oder harmonische Vorgaben oder rhythmische Verabredungen. Vor ihnen liegt ein weißes Blatt, ein leeres Feld, in dem sie sich gemeinsam frei bewegen können.
Beide Musiker wissen im Grunde nicht genau zu sagen, was da geschieht, wie sich die gemeinsame Musik formt, entwickelt, woher sie kommt, wohin sie strebt. Es ist tatsächlich wie ein Wunder, dass zwei Musiker nur ihrer Intuition folgen, sich vom musikalischen Partner inspirieren lassen und eine Musik aus dem Moment heraus finden/erfinden, die es zuvor nicht gab und es auch kein zweites Mal genauso geben kann.
Wenn dieses Wagnis der gemeinsamen Improvisation gelingt, ist das ein Glücksfall, ein Geschenk. Die neun, neuen Improvisationsstücke des Duo-Albums „Unter freiem Himmel“ von Matthias Frey und Christopher Herrmann sind ein solcher Glücksfall. Eine solch intensive Kommunikation zwischen zwei Musikern, eine vergleichbare Freiheit im Austausch von tiefem Gefühl und musikalischer Fantasie, ein ähnlicher Reichtum an Klängen, melodischen Motiven, harmonischen Themen, rhythmischen Variationen und unterschiedlichsten Stimmungen – wohlgemerkt von nur zwei rein akustischen Instrumenten ohne jegliche technische Tricks realisiert, das alles ist wahrlich nicht oft zu hören.
Nimmt man als Beispiel nur das Eröffnungsstück „Sanfter Wind“: wie aus dem Nichts oder aus weiter Ferne hört man einen hohen Flageolett-Ton des Cellos, leise umspielt von hingetupften, lebendig flirrenden Klaviertönen, die auf abgedämpften Saiten gespielt, als glitzerndes, schwebendes Ton-Muster die zarten Celloklänge tragen. Nach eineinhalb Minuten setzt das Klavier erste klare Melodietöne in den Raum. Das Cello folgt zunächst zögernd, zurückhaltend mit weiteren dezenten Flageolett-Tönen, bis es dann mit klassischem Celloklang und elegischen Melodiebögen hervortritt, immer mehr vom Klavier unterstützt und herausgefordert. Das Klavier übernimmt kurzzeitig die Führung mit einem schwelgerischen, gefühlsstarken, fast hymnischen Thema, zu dem das Cello rhythmisch schnell gestrichene Basstöne mit leicht dramatischer Anmutung beisteuert, gefolgt von gezupften Basstönen, die mal nach Kontrabass, mal nach Fretlessbass klingen. Das Piano wechselt kurz in abgedämpfte Melodiemotive des klangpräparierten Klaviers, worauf das Cello ebenfalls mit ungewöhnlichen, gezogenen Tonfiguren antwortet, die mehr nach Akustikgitarre denn nach Cello klingen. Die Verlautbarungen beider Instrumente werden weniger und leiser, bis der „sanfte Wind“ verweht ist.
Die Ausstrahlung dieser improvisierten Kammermusik insgesamt ist ungemein positiv, entspannt, klangfarbig und melodiös. Es macht Freude, den beiden Ausnahmemusikern bei ihren hochmusikalischen Ausflügen ins Blaue der gemeinsamen Musikfindung zu folgen. Was der Albumtitel verspricht, hält die Musik. Wer den beiden aufmerksam zuhört, ob im Wohnzimmer, im Auto, oder wo auch immer, fühlt sich sogleich „Unter freiem Himmel“.