Neue Stil-Ikonen
Erstsendung: 24.04.2014
„Stil-Ikonen“ – oder: „Circus Swing, ein Schiff als Kopfschmuck und ein Hut aus Vogelbeeren“
Dieses Outfit stellt selbst die exaltierte Lady Gaga in den Schatten. Die neue britische Stil-Ikone, Sängerin und Songschreiberin Gabby Young schwebt über die Bühne wie eine Rokoko-Prinzessin, die sich in die Flowerpower-Zeit verirrt hat und von der Punk-Stylistin Vivian Westwood eingekleidet wurde. Ihre blutrote Haarpracht türmt sich auf wie ein Krähennest, in das diebische Elstern Preziosen aus einem Theaterfundus hineingestopft haben: glitzernde Perlen, bunten Modeschmuck, schockfarbene Stoffblüten, einen Miniatur-Kerzenständer, eine Tröte, Schmetterlinge und was sonst noch so alles in der Puppenkiste, wahlweise einem Trödlerladen aufzustöbern wäre. Ihre Musik ist ähnlich auffällig und kunterbunt. „Circus Swing“ nennt die britische Musikpresse ihr Potpourri aus Cabaret-Pop, Polka-Jux, Pseudo-Swing und Chanson-Dramolett. Ihre lustige, siebenköpfige Zirkusmusikanten-Truppe bläst mal zur wilden Balkan-Attacke, zitiert sentimentale Mariachis, lässt Soundtracks von Spaghetti-Western anklingen, verwandelt sich zum Ukulele-Orchester und donnert plötzlich los wie eine ausgeflippte Ska-Punkband. „Da tuten Nebelhörner vorbeiziehender Schiffe, eine launige Begräbnisband in New Orleans freut sich darüber, dass sie sich verbessert hat, der Teufel lehrt Fellini das Fürchten und ein Spatz lernt fliegen“ (zitiert aus dem Pressetext zur aktuellen Single „I’ve Improved“). Dazu die großartige Stimme von Gabby Young, die dem ganzen zirzensischen Zauber noch die Krone aufsetzt – respektive ein kunterbuntes Krähennest.
Im Geiste und im Designer-Look mit Gabby Young verwandt zu sein scheint auch die spanische Sängerin und Songschreiberin Marinah. Auf ihrem Kopf türmt sich eine blaue Lockenpracht, deren wildeste Kringellocken wie Meeresbrecher um den Schiffsrumpf eines alten Dreimaster-Segelschiffs züngeln. Das alles thront bis hinauf zum Schiffsausguck auf dem schönen Kopf von Marinah – zu bewundern auf dem Cover ihres aktuellen Albums „El Baile De Las Horas“. Die Katalanin Marinah kannte man bislang als Sängerin Marina Abad der Mestizo-Band Ojos de Brujo, einer der herausragenden Bands des Global Pop im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends. Seit der Auflösung der Band arbeitet Marinah als Solistin und veröffentlichte soeben ihr Debüt-Album, bei dem sie unterstützt wurde von illustren Gästen aus der Welt des Latin-Pop, etwa Musikern des Gotan Project und der kubanischen HipHop-Band Orishas. Die von Marinah selbst geschriebenen Songs haben den ausufernden Mestizo-Stil ihrer früheren Gruppe Ojos de Brujo ein wenig an die Leine gelegt. Doch auch wenn die 13 neuen Songs deutlich mehr pop-orientiert produziert sind, ist die stilistische Eigenart der Musikszene ihrer Heimatstadt Barcelona zwischen Latin, Flamenco und Mestizo-Pop noch immer erkennbar.
Ein brauner Hut, in dessen Krempe die grünen Blätter und roten Früchte der Eberesche eingebunden sind, ziert den Kopf der blonden Sängerin und Songschreiberin Kati Salo aus dem hohen Norden Finnlands. Auch die Sängerin, Gitarristin und Pianistin Kati Salo aus Haparanda, nahe der Grenze zu Schweden gelegen, ist eine musikalische Grenzgängerin – allerdings in ihrer Selbstdarstellung deutlich weniger extrovertiert und spektakulär inszeniert wie die Engländerin Gabby Young oder die Katalanin Marinah. Auch in ihrem musikalischen Stilmix aus Folk, Pop, Kammerjazz und skandinavischem Chanson klingt Kati Salo nicht unbedingt effekthaschend. Und doch hinterlassen manche ihrer Songs des am 9. Mai veröffentlichten Debüt-Albums einen nachhaltigen Eindruck. Mal klingt sie mädchenhaft verträumt, mal kess countryesk, mal angedüstert schaurig schön.
Drei höchst unterschiedliche Frauen stellt der Kramladen vor. Gemeinsam ist ihnen ein individueller Ausdruck und die auffällige bis irritierende visuelle Präsentation ihrer vielgestaltigen künstlerischen Persönlichkeiten.
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