Sa 01.02.2025, 19 Uhr: “Wie ich den Krieg gewann“, ein neues Buch von Volker Rebell und Gerd Coordes über den satirischen Antikriegsfilm “How I Won The War” von Richard Lester, mit John Lennon.
Buchvorstellung von Volker Rebell und Ausstellung von Gerd Coordes.
(Eigenproduktion der Rebell(i)schen Studiobühne)
Eintritt frei. (Um Anmeldung wird gebeten)
Die Erstauflage des Buches ist ausverkauft (Stand 16.12.2024). Die zweite Auflage wird zur Buch-Präsentation am 01.02. verfügbar sein.
In Hamburg gibt es einen Beatles-Platz, gelegen an der Einmündung zur Großen Freiheit im Stadtteil St. Pauli, wo die Beatles in verschiedenen Clubs von 1960 bis 1962 insgesamt circa neun Monate spielten
Doch das erste und bislang einzige John-Lennon-Denkmal in Deutschland steht nicht in Hamburg, sondern in der niedersächsischen Kreisstadt Verden an der Aller.
2008 wurde das Lennon-Denkmal „Ein Beatle in Verden“, bestehend aus drei Betonstelen, auf denen quadratische Bronze-Plaketten angebracht sind, eingeweiht. Das Denkmal steht in der Altstadt von Verden, an einem der Drehorte, wo Lennon im September 1966 an einer turbulenten Szene für den Antikriegsfilm „Wie ich den Krieg gewann“ beteiligt war.
Damals, beim Festakt der Einweihung, erinnerten sich Zeitzeugen an die Dreharbeiten, erzählten Anekdoten von den kurzen Begegnungen mit dem Beatle und zeigten Foto-Schnappschüsse, die damals entstanden waren.
Daraus entstand die Idee einer Buchdokumentation, die die Geschehnisse um John Lennons Aufenthalt in Verden nacherzählen sollte.
Fotograf Gerd Coordes, der in Niedersachsen aufwuchs, hatte Kontakt zu Fotografen-Kollegen und Beatles-Fans, die mit der Geschichte von John Lennon in Verden vertraut waren. Er traf sich mit den Zeitzeugen, führte Interviews, recherchierte und stellte eine detaillierte Dokumentation zusammen. Unter anderem traf er den Maskenbildner Klaus Baruck, der damals das Privileg hatte, John Lennons Beatle-Mähne radikal zu kürzen.
Außerdem reiste Gerd Coordes nach Almeria, um die dortigen Schauplätze der Filmaufnahmen zu besuchen, Aufnahmen im dortigen Lennon-Museum zu machen und spanische Zeitzeugen zu befragen .
Nun sollte aber auch noch erklärt werden, warum John Lennon ausgerechnet in Verden und Umgebung einen Film drehte, wobei Verden eigentlich nur ein Nebenschauplatz war, die Hauptdreharbeiten fanden in Südspanien bei Almeria statt. Zu erläutern war vor allem, wovon der Film „How I Won The War / Wie ich den Krieg gewann“ handelt und welche Rolle John Lennon im Film spielt. Hier kam ich ins Spiel und übernahm die Aufgabe, den Hintergrund, die Geschichte und Handlung des Films und John Lennons Filmrolle ausführlich und umfassend zu beschreiben. Etwas Vergleichbares zu diesem Thema liegt übrigens bislang weder als deutschsprachige, noch als englischsprachige Publikation vor.
Am 1. Februar 2025 wird Gerd Coordes Fundstücke seiner Recherchen in Verden und Almeria in einer Foto-Ausstellung präsentieren, während ich Auszüge aus meinem Buchkapitel über den Filminhalt und John Lennons Filmrolle in einer Lesung vorführen werde, was auch mit Musik verbunden sein wird. Schließlich hat John Lennon während seines Aufenthalts in Spanien den Song „Strawberry Fields Forever“ geschrieben.
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Leseprobe aus dem Buch:
„Ich wusste, es würde so kommen. Und ihr wusstet es auch,“ sagt der sterbende, sich den zerfetzten Bauch haltende John Lennon als Gefreiter Gripweed mit leidender Miene direkt in die Kamera. Aber bei diesen „famous last words“ blieb es nicht. Da sollte noch viel mehr von ihm kommen, aber erst später im Film.
Der erste Satz, den man von ihm, beziehungsweise von seiner Synchronstimme in deutscher Übersetzung hört, lautet: „Darf ich ihre Bälle putzen, Sir, das macht mir viel Vergnügen“. Mit seiner Originalstimme sagt er süffisant grinsend und in breitestem Liverpool-Slang natürlich sehr viel zweideutiger: „May I rub your balls Sir“. Vordergründig sind die Cricket-Bälle gemeint, mit denen der ihm vorgesetzte Offizier, Leutnant Ernest Goodbody, Cricket zu spielen gedenkt. Doch dieser Inbegriff eines unerbittlich chauvinistischen und gleichzeitig grotesk inkompetenten Offiziers deklamiert gleich zu Beginn auch gruselige Kernsätze über seine Auffassung von Krieg, dass nämlich der Krieg „zweifellos das erhabenste Spiel ist, das es gibt, das edelste, meine ich“. Und dabei spricht er das Publikum direkt an und gibt gleich ein weiteres Beispiel seiner narzisstisch verblendeten Selbstüberschätzung zum Besten: „Jedes Wort dieses Films wurde mit Bleistift geschrieben, in meiner eigenen Schreibe“ – eine unmissverständliche Anspielung auf John Lennons erstes Buch voller Dada-Texte und absurder Kurzgeschichten „In His Own Write“, veröffentlicht im März 1964 (deutscher Titel: „John Lennon: In seiner eigenen Schreibe“).
Einige der schrägen, teils lustigen bis bescheuerten Filmdialoge hätten auch aus Lennons kurioser Schreibe stammen können. Gripweed/Lennon: „Meine Füße schwitzen, Sir“. – Auf die Frage eines Soldaten aus seiner Truppe, ob er verheiratet sei, antwortet Gripweed/Lennon: „Nein, ich spiele Harmonika.“ – Ein hoher Offizier zu Goodbody: „Ihre Augen haben Glanz.“ Er antwortet: „Meine Knie sind braun.“ – Eine Unterhaltung drei anderer hoher Offiziere: „Wir tauschen Kaugummibilder. Wir sind Stabsoffiziere.“ – „Hast du eines von Dünkirchen?“ – „Tobi hat Dünkirchen. Grässliche Farben.“ – „Ich will ‚Bombardierte Schule‘“. – „Wir wissen, was du willst, Tobi,“ – „Ich will ‚Bombardierte Schule‘, ja, das will ich.“ – Sergeant Transom zum schusseligen Gefreiten Juniper: „Wo ist dein Bajonett?“ – „Das muss ich im Feind stecken gelassen haben.“
Der begnadete Songschreiber John Lennon, der auch als hervorragender Sänger, profunder Gitarrist und außergewöhnlicher Performer nicht minder überzeugen konnte, verfügte über weitere extraordinäre Talente: als Autor von drei Büchern mit skurrilen, fantasievollen Prosatexten und Gedichten, vollgepackt mit schrägem Wortwitz, bizarren Assoziationen, provozierenden Sottisen und hintergründigem Nonsens. Sogar in der darstellenden Kunst wusste er zu beeindrucken: als Zeichner, der mit leichter Hand und schnellem, sicheren Strich, mit Stift, Tinte und Tuschmalerei originelle Kritzeleien, farbig gestaltete Comics, erotische Skizzen, witzige Karikaturen und lustige Lithographien zu Papier brachte.
Doch war der Vielbegabte auch in der Lage als Schauspieler zu glänzen? Hatte er auch das Talent der Schauspielerei? Das konnte er schon in den ersten beiden Beatles-Filmen unter Beweis stellen, bei denen ebenfalls Richard Lester die Regie geführt hatte. Doch in den actionreichen, sympathisch verrückten und hochgradig witzigen Kinofilmen „A Hard Day’s Night“ (1964) und „Help“ (1965) musste John Lennon nur sich selbst spielen. In der absurden Filmgroteske „How I Won The War“, eine ätzende Satire auf den Wahnsinn des Krieges, hatte er die Rolle des Soldaten Gripweed zu verkörpern; aber, dieser Filmprotagonist hatte manches mit ihm gemein: Schlagfertigkeit, subversiven Humor, Sinn für unsinnige Dialoge.
„Soldier Gripweed, he’s not particularly nice“ (John Lennon im Interview, 29.10.1966)
Doch letztlich ist John Lennons Figur des Gefreiten („Musketeer“) Gripweed ein ziemlich unangenehmer Charakter. Er sammelt Steine, klaut fast wie ein Kleptomane, verhält sich gespielt unterwürfig, fast schmierig, aber scheinbar jovial seinem Vorgesetzten gegenüber, dem Leutnant Ernest Goodbody, einem unfähigen, trotteligen, aber hochnäsigen Möchtegern-Helden, der von seiner Truppe verachtet und gehasst wird. Ständig trachten seine Untergebenen danach, den „Idioten“ umzubringen, oder ihn sonst wie aus dem Verkehr zu ziehen. Gripweed/Lennon ist der Einzige, der den Tölpel Goodbody schleimend hofiert, obwohl diese Witzfigur von einem Offizier – hervorragend gespielt von Michael Crawford – mit seinen grotesken Fehlentscheidungen den Tod fast aller seiner Soldaten verursacht oder in Kauf genommen hat.
Im Verlauf des Films outet sich Gripweed als ehemaliger Faschist und Anhänger von Oswald Mosley und der „British Union of Fascists“, was der ebenso selbstherrliche wie durchgeknallte Führungsoffizier Colonel Grappl (großartig gespielt von Michael Hordern) als eine Art Kavaliersdelikt abtut und lapidar dazu bemerkt, dass „Faschismus etwas ist, aus dem man herauswächst“. Mit kratzfüßiger Falschheit bedankt sich Gripweed bei seinem direkten Vorgesetzten Goodbody, „dass Sie mir den Faschismus nicht übelnehmen.“
Nein, die unsympathische Figur des Gripweed taugt nicht für die Lennon-Fans als positives Identifikationsobjekt. Und alle Beatles-Anhänger, die sich 1967 den Film anschauten und vielleicht gehofft hatten, Beatle John zumindest kurz zur Gitarre greifen zu sehen oder ihn gar singen zu hören, dürften arg enttäuscht das Kino verlassen haben. Tatsächlich ist John Lennon im Film von 110 Minuten Spieldauer nur ganze 8 Minuten auf der Leinwand zu sehen. Und seine kleine Nebenrolle erlaubte ihm auch nur wenige kurze Sätze, wie zum Beispiel: „Ich bin kein Dieb!“ – „Sie sind ein blöder Hund, Sir.“ – „Ist doch schon ganz gut für ‘nen Anfänger.“ – Goodbody zu Gripweed: „Wer hat meine Frisiercreme genommen, Sie?“ – „Ich rühr so‘n Zeug nicht an, meine armen Haare.“ – (Volker Rebell)