1969 – Wie der Jazzrock entstand
Erstsendung: 14.11.2019
Kurzer Sendungstext: Vor 50 Jahren experimentierten Rockmusiker mit Sounds und Improvisationen und gingen auf ausufernde Instrumentaltrips – nicht selten unter Drogeneinfluss. Spieltechnisch hoch entwickelte Rockgitarristen wie Jimi Hendrix, Eric Clapton, Jerry Garcia u.a. eigneten sich Improvisationsweisen des Jazz an und entwickelten eigene Ausdrucksformen, die der Entstehung des Jazzrock die kreative Richtung vorgaben. In der Zeit um das Woodstock-Festival herum wurde die Annäherung zwischen Rock und Jazz in ausgedehnten Improvisationen erstmals einem großen Publikum bekannt gemacht.
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Wie der Jazzrock entstand
So wie die jungen Pop-Musiker mit ihren elektrischen Gitarren und den forschen Beats ansatzweise schon in den frühen sechziger Jahren – doch vor allem ab 1965 – die herkömmliche Unterhaltungsmusik revolutionierten, den bürgerlichen Musikbetrieb aus den Angeln hoben und die tradierte Definition von Hochkultur infrage stellten, so verschoben die musikalisch ambitionierten Rock-Bands und -Solisten der späten sechziger Jahre die Wertmaßstäbe in der Beurteilung und Hierarchie der beiden höchst unterschiedlichen und bislang scharf voneinander getrennten Genres Pop/Rock und Jazz immer mehr zu ihren Gunsten. Der Jazz geriet zunehmend ins Hintertreffen. Aber im kreativen Austausch sollte ein neues Hybridgenre entstehen: der Jazzrock, später: Fusion.
1969 markiert eine Zeitenwende im gesellschaftlichen Klima und erst recht in der Pop/Rock-Entwicklung. Die rauschhafte Hippiebewegung erlebte ihren letzten Höhepunkt beim Woodstock-Festival im August, ihren dramatischen Absturz im Desaster von Altamont im Dezember und verlor zuvor schon ihre Unschuld in den brutalen Mordexzessen der diabolischen Hippiesekte des Charles Manson.
Doch popmusikalisch steht 1969 für ein Wunder an explodierender Diversität. Stilistisch fächert sich die Szene immer weiter auf – wie niemals zuvor. Neue Bands präsentieren neue Rock-Stile und entdecken zunehmend die Improvisation. Statt einstudierter und jederzeit nachspielbarer Soli von meist kurzer Dauer – wie es in den Jahren zuvor der Standard war – treten nun immer häufiger virtuose Instrumentalisten in den Vordergrund, die mehr oder minder frei improvisierte Soli von teilweise epischer Länge als eigenständigen Beitrag in ein Musikstück einbringen. Was zuvor einzig dem Jazz vorbehalten war, spieltechnisches Können und Kreativität in spontane Klangschöpfungen zu verwandeln, die nur durch Inspiration, Imagination und musikalische Fantasie entstehen, dies eignen sich nun in zunehmendem Maße auch spieltechnisch fortgeschrittene Musiker der Pop- und Rockszene an und entwickeln dabei zum Teil eine neue Klangsprache, die über die typische Jazz-Improvisation hinausgeht, vor allem durch den Einsatz elektronischer Hilfsmittel der Sound-Verfremdung und tonaler Manipulation.