Komplexer Artrock: „pareidoliving“ von t
Erssendung: 28.04.2022
Kurzer Sendungstext:
Rockmusiker und promovierter Philologe, Songschreiber und Diskurs-Logiker – wie passt das zusammen? Bestens, jedenfalls im differenzierten Artrock des Multiinstrumentalisten und Sängers Thomas Thielen, Eingeweihten bekannt unter seinem Künstlernamen „t“. Tatsächlich ist er in der deutschen Rockszene weidlich unbekannt – trotz seiner bislang 8 außergewöhnlicher Soloalben. Das jüngste trägt den Titel „pareidoliving“. Aha, da zeigt sich der studierte Literaturwissenschaftler und Gymnasiallehrer für Latein und Englisch Thielen. Aber Vorsicht: der Mann ist auch leidenschaftlicher Fußballspieler, Popfan und Referent zum Thema Populismus.
All das steckt in seiner vielgestaltigen Musik, die zu entdecken allemal lohnt. „pareidoliving“ ist ein Album für Insider, die intellektuelle Thematik, intelligente Musikstrukturen und Intuition gleichermaßen schätzen.
Im ausführlichen Interview wird t Thomas Thielen in der Komplexität seiner Musik und Persönlichkeit vorgestellt.
Das komplette 96-minütige Interview/Gespräch mit t Thomas Thielen ist als Podcast hier zu hören: https://radio-rebell.de/t-thomas-thielen/
Playlist
Artist Track Album Label Zeitplan
1. L. Shankar Darlene (Kramladen-Themamusik) Touch Me There Zappa Records 00:36
2. t Beyond This Pale Face (Part One) Pareidoliving GEP Record Label 03:26
3. t Beyond This Pale Face (Part two) Pareidoliving GEP Record Label 12:36
4. t The Same Old Everything (Part One) Pareidoliving GEP Record Label 20:36
5. t The Same Old Everything (Part Two) Pareidoliving GEP Record Label 29:41
6. t A Relevant Lovesong (Part One) Pareidoliving GEP Record Label 40:08
7. t A Relevant Lovesong (Part Two) Pareidoliving GEP Record Label 49:09
8. t The Idiots Prayer Pareidoliving GEP Record Label 55:20
Die Kunst der Komplexität – die Musik von „t“ (Thomas Thielen) – Teil 2
Der 1976 geborene, vielbegabte Multiinstrumentalist, Sänger und Songkomponist Thomas Thielen, den Eingeweihte unter seinem Künstlernamen t kennen, ist nach acht außergewöhnlichen und anspruchsvollen Soloalben noch immer ein Geheimtipp in der deutschen Rockszene.
Er selbst mag keine Stil-Schubladen und einengende Etikettierungen. Und wenn er genötigt wird, seinen Musikstil zu beschreiben, dann kommt dabei so etwas heraus: artpostprogressivepopavantgardenewwaverocktriphopetc.
Mit typischem Progrock hat er nicht viel zu tun, erzählt er im 96-minütigen Interview-Gespräch, obwohl er von Kritikern speziell dieser Rockrichtung meist zugeordnet wird, er sieht seine musikalischen Wurzeln im Indie-Rock von Joy Division, The Cure u.a., hat aber auch eine Vorliebe für Pop. Tatsächlich ist seine eigene Musik aber sehr viel komplexer, verzweigter und vielschichtiger als die genannten Vorlieben.
So vielfältig wie seine Musik ist auch seine Persönlichkeit. Er hat Literaturwissenschaften studiert, ist promovierter Philologe, Diskurs-Logiker, Gymnasiallehrer für Englisch und Latein, Referent zum Thema Populismus, außerdem Fitnessfan und begeisterter Fußballspieler.
Ähnlich vielgestaltig sind auch seine musikalischen Begabungen und Fähigkeiten. Er ist klassisch ausgebildeter Pianist, spielt alle Arten von Keyboards, ist versierter Gitarrist und Bassist, bedient das Schlagzeug und diverse elektronische Soundmachines. Er ist professionell geschulter Sänger, schreibt differenzierte Songlyrik mit poetischem Anspruch. Seine Kompositionen sind höchst individuell, zeichnen sich durch wohlklingende, weitschwingende Melodien aus, durch ungewöhnliche, oft melancholisch klingende Harmoniemuster und durch eine oft verschachtelte Rhythmik, die trotz krummer Taktarten wie 11/8, 7/8 und 9/8 in unmittelbarer Aufeinanderfolge dennoch nicht konstruiert, sondern stimmig fließend klingt. Er arrangiert seine Musik selbst, spielt alle Instrumente und singt alle Vokaltracks einschließlich der Chorstimmen selbst. Er ist sein eigener Tontechniker von der Aufnahme, über die Abmischung bis zum Mastering. Natürlich hat er sein eigenes Tonstudio, fungiert als Produzent und gestaltet sein Artwork selbst, gemeinsam mit seiner Frau, einer Designerin und Fotografin.
Die Eigenwilligkeit und Besonderheit seiner Musik und Textinhalte deuten schon die Albumtitel seiner Soloplatten an, die mit Wortspielen und Wortneuschöpfungen arbeiten, wie seiner Diskographie zu entnehmen ist:
pareidoliving (2022)
solipsystemology (2019)
epistrophobia (2016).
fragmentropy (2015)
psychoanorexia (2012)
anti-matter poetry (2010)
voices (2006)
naive (2001
Das jüngste Album „pareidoliving“, das der Anlass für das ausführliche Interview-Gespräch war – siehe/höre den Podcast – thematisiert das psychologische Phänomen der Pareidolie. Damit wird eine Sinnestäuschung bezeichnet, ausgelöst durch unbewusste Fehldeutungen des menschlichen Gehirns. Eine alltägliche Form der Pareidolie ist die Neigung, „in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen und Gegenstände zu erkennen“. Bekanntestes Beispiel: wenn man in vorbeiziehenden Wolken Tiere zu erkennen glaubt, oder die dunklen Flecken des Mondes als Abbild eines Hasen sieht. Problematisch werden diese Sinnestäuschungen, wenn sie das ganze Leben bestimmen, deshalb „pareidoliving“. Davon handeln die Songtexte des Konzeptalbums, wobei die oft assoziativen, metaphernreichen Lyrics nicht leicht zu entschlüsseln sind. Obwohl die Texte abgedruckt sind, hilft das der Verständlichkeit nicht unbedingt weiter, denn die Texte sind als Fließtext ohne Interpunktion und in Kleinschreibung abgedruckt. Der Autor hat dafür seine Gründe, wie er im Interview ausführt.