Gitarrenmusik neuer CDs zwischen Folk, Jazz, Kammer-Pop und Rock
Erstsendung 06.12.2012
Die Gitarre ist noch immer das wichtigste Instrument der populären Musik. Und die Gitarristen gelten als die Protagonisten des Mythos von Freiheit und Rebellion, weil das Instrument Gitarre wie kein anderes zum Inbegriff der alternativen Popkultur wurde.
Ob posierende Rock-Gitarreros mit phallisch präsentierter Strom-Gitarre und heftigem Sound-Gewitter, ob jazzige Saiten-Artisten mit ihrer virtuosen Demonstration von handwerklichem Können und improvisatorischer Freiheit, ob blues-orientierte Groove-Gitarristen mit ihrem Klangkosmos aus Rhythm’n’Blues, Soul und Funk, ihren Reflexionen von Liebe, Lust und Laster, ob filigrane Akustik-Gitarristen mit melancholischen Stimmungsbildern oder behender Begleitung von Gesang und Tanz und Nähe zur folkloristischen Tradition, sie alle haben ihren Anteil an der Außenwirkung und am Klangbild der Gitarre, die geprägt sind von Reiz, Rausch und Revolte. Der Gitarrensound, ob verstärkt, verzerrt und verfremdet oder naturbelassen, gilt letztlich als Inbegriff an sinnlicher Emotion.
Neue Gitarrentöne aus verschiedenen Neuerscheinungen unterschiedlicher Stilrichtungen trägt der Kramladen in dieser Stunde zusammen:
Der US-Gitarrist Paul Gilbert zelebriert auf seinem aktuellen Album „Vibrato“ eine ebenso lustvolle wie ambitionierte und zitathafte Melange aus Pop, Rock und Blues, die auch Bewunderer von Turbo-Gitarren-Soli zufrieden stellen kann. Der fulminante Song „Atmosphere On The Moon“ erinnert augenzwinkernd an Helden wie Frank Zappa und Steely Dan.
Auch wenn die „Echos eines zerschlagenen Himmels“ das Leitmotiv für das gesamte Album liefern, bleibt der Gitarren-Ästhet Friedemann in den zehn neuen Stücken seiner aktuellen CD „Echoes Of A Shattered Sky“ dem seit langem von ihm bekannten Klangideal eines sensibel durchgehörten, behutsam arrangierten Kammer-Pop treu.
Mit rauchiger Stimme singt der kanadische Singer/Songwriter Matt Erp seine Gitarrenballaden wie ein moderner Troubadour. Anders als bei allen anderen Gitarristen dieses Programms ist seine Gitarrentechnik alles andere als virtuos oder ausgefeilt. Und doch hat seine eher schlichte, rudimentäre Gitarrenbegleitung eine unmittelbare Ausstrahlung, die gemeinsam mit seiner ungekünstelten Stimme so etwas wie Authentizität vermittelt. Und trotz aller technischen Limitierungen kann so mancher Song des aktuellen Albums „Never Have I Loved Like This“ den Zuhörer in den Bann schlagen.
Aus dem Umkreis der Dresdner Musikhochschule stammt das Jazz-Trio TANN um den Gitarristen Dirk Haefner, ein junges, aufstrebendes Trio, das „den Jazzrock und den Blues, die alterierte Moderne und die notwendige Prise zeitgenössisches verinnerlicht“ hat, um „die Grundvoraussetzungen einer aktuellen Combo der improvisierenden Klangwelt zu erfüllen“ (Traumton). So ironisch wie der Titel „Koniferen“ des aktuellen Albums, so humorvoll sind auch manche Passagen in den mal funky groovenden, mal lyrisch-jazzigen, mal rhythmisch vertrackten Titeln von TANN.
Urigen, rein akustischen Gitarren-Folkblues mit tiefstem Mississippi-Rootsfeeling bieten die beiden „Blues-Brothers“ Hans Theessink & Terry Evans, die beim großartigen Titelstück „Delta Time“ ihres aktuellen Albums vom Slide-Gitarristen Ry Cooder und einem gospel-ähnlichen Männer-Chor unterstützt werden. Das ganze Album „Delta Time“ klingt wie aus der Zeit gefallen und vermittelt gerade deshalb ein Gefühl von Zeitlosigkeit.
Ein paar Stunden vor seinem Auftritt sitzt der australische Akustikgitarrist Michael Fix im Februar 2012 vor dem Nelson Boat House in Neuseeland und beobachtet wie Kinder in kleinen Segelbooten in der Bucht kreuzen und von einem Lehrer im Segeln unterrichtet werden. An diesem trüben Tag mit grauem Himmel und grauem Meer wirken die weißen Segel, die munter durch die Bucht segeln, wie Vögel, die gemächlich über das Wasser fliegen. Und weil Michael Fix seine Gitarre dabei hat, lässt er sich von diesem Eindruck der segelnden Kinder in ihren kleinen Booten, deren Name als Bootstyp „Optimist“ lautet, zu einem Gitarrenstück inspirieren und nennt es „Flight Of The Optimists“.
In die lange Tradition großer Gitarren-Duos haben sich zwei neue großartige Duo-Produktionen eingereiht. Ralf Illenberger schrieb schon vor 30 Jahren mit seinem damaligen Gitarren-Partner Martin Kolbe Duo-Geschichte mit den schwerelos schwebenden, eng miteinander verwobenen Tongirlanden und Klangschöpfungen des legendären Duos Kolbe/Illenberger. Als Jugendlicher war der Gitarrist Peter Autschbach ein dezidierter Fan von Kolbe/Illenberger. Nachdem er sich selbst Meriten als renommierter Gitarrist verdient hat, produzierte Peter Autschbach nun mit seinem Jugend-Idol Ralf Illenberger ein Duo-Album mit dem Titel „No Boundaries“, das an die besondere Qualität der Referenz-Alben von Kolbe/Illenberger nahtlos anknüpft. Als zweites neues akustisches Gitarren-Duo machte kürzlich die Paarung Tilmann Höhn/Ali Neander nachhaltig auf sich aufmerksam mit ihrem überaus beeindruckenden Duo-Album „3 Wishes“. Tilmann Höhn, unter anderem bekannt als Mitglied der Frankfurt City Blues Band, und der schwindelerregend vielseitige Gitarrist der Rodgau Monotones Ali Neander vernetzten ihre atemberaubenden gitarristischen Fähigkeiten zu einem ungemein dichten, ebenso luziden wie spannungsvollen Miteinander, das stilistisch mit Begriffen wie Fingerstyle-Jazz und Guitar-Fusion nur unzureichend charakterisiert ist.
Ein wunderbares instrumentales E-Gitarren-Album veröffentlichte schon im Sommer der US-Gitarrist Sonny Landreth, derzeit vielleicht der beste Slide-Gitarrist der Bluesrock-Szene. Zu den Aufnahmen seines Albums „Elemental Journey“ lud er die beiden Gitarristenmeister Joe Satriani und Eric Johnson ein. Für Gitarrenfreaks dürften die furiosen Soli der Edel-Cracks Satriani/Johnson im Kontrast und Zusammenspiel mit den unaufgeregt entspannten Slide-Tönen von Sonny Landreth eine wahre Offenbarung sein.
Zu den großen Wundergitarristen sind James Hetfield und Kirk Hammett von Metallica nicht unbedingt zu zählen. Doch ihre Gitarrenarbeit beim Deep Purple-Song „When A Blind Man Cries“ ist aller Ehren wert. Mit dieser Song-Bearbeitung beteiligten sich Metallica am Tribute-Album „Re-Machined“ zum 40-jährigen Jubiläum des Meilenstein-Albums „Machine Head“ von Deep Purple aus dem Sommer 1972, das mit den Songklassikern „Smoke On The Water“ und „Highway Star“ die Blaupausen für den gitarren-lastigen Metal Rock lieferte.
In deutlichem Kontrast zum Metallica/Dep Purple-Heavyrock-Gipfel steht das soeben, passend zum Advent veröffentlichte Album „Christmas Carols“ des Fingerstyle-Gitarristen Uli Bögershausen. Kaum eines der traditionellen Weihnachtslieder hat er ausgelassen, allesamt aber geschmackvoll für die akustische Sologitarre arrangiert. In einer Sendung am Nikolausabend darf eine solche Reminiszenz an die alte Weihnachtstradition nicht fehlen.
Ebenso wenig darf in einer Gitarristen-Sendung ein Titel des aktuell weltbesten, bzw. in der Gitarristen-Hierarchie führenden Saiten-Gniedlers fehlen. Der Name und die Musik des derzeit führenden Virtuosen auf der 8-saitigen Gitarre ist im Kramladen am 06.12. zu hören. So ein bisschen spannend darf man’s doch machen, oder?
Playlist
Artist Track Album Label Zeitplan
(Hintergrundmusik) Hands At Work Acoustic Music, Rough Trade Musikbett liegt unter einigen Moderationen