Neues aus Finnland
Erstsendung: 09.10.2014
Finnland. Cool. – Neues aus der Popmusik- und Popliteratur-Szene Finnlands
(aus Anlass der Frankfurter Buchmesse vom 8. bis 12. Oktober. Ehrengast: Finnland)
Denkt man an die finnische Popkultur, dann fallen einem die Nashorntollen der Leningrad Cowboys ein, die nilpferdartigen Trollewesen Die Mumins, die scheinbar mit den Fäusten gespielten Celli der Klassik-goes-Metal-Band Apocalyptica, die Filme von Aki und Mika Kaurismäki, die Heavyrock-Comic-Monster-Band Lordi (Gewinner des Eurovision Song Contest 2006), die düsteren Mainstream-Bands HIM und The Rasmus oder die Symphonic-Metalband Nightwish, daneben die Sunshine-Popper Sunrise Avenue.
Natürlich hat die finnische Musikszene noch sehr viel mehr zu bieten, um nur den ethnischen Joik-Sänger Wimme zu nennen, den Elektropop-Avantgardisten Jimi Tenor, die HipHop-Freestyler Bomfunk MC’s, die in Äthiopien geborene, in Finnland aufgewachsene Folkblues-Sängerin Mirel Wagner, das Electronic-Popduo Phantom, die Indie-Rock/Post-Punkband French Films, oder die modernen Vertreterinnen des finnischen Folk- und Singer/Songwriter-Idioms Laura Moisio, Riikka Timonen, Kati Salo, Aino Venna, Värttinä u.a.. Als neue Trends in der jungen, aktuellen Popszene gelten die finnisch-nordischen Americana-Songs von Ochre Room aus Tampere, der drittgrößten Stadt Finnlands, die Psychedelic-Popsongs von Jaakko Eino Kalevi, der halbtags als Tramfahrer in Helsinki unterwegs ist und die fragilen Song-Stories der Folkpop-Band Good Omens ebenfalls aus Helsinki.
Eine lange Tradition hat in Finnland das virtuose Spiel auf dem Akkordeon, wofür die Namen Kimmo Pohjonen und Maria Kalaniemi stehen – und nicht zuletzt auch das famose Akkordeon-Quartett Karja-La. Die härtere Gangart pflegen die Goth-Rocker Beastmilk, die von spiegel-online als „the next big thing“ apostrophiert wurden, oder die Melodic-Death-Metalband Children Of Bodom.
Und dann gibt es noch die alten Musikhelden Finnlands, den 2008 verstorbenen, international bekannten E-Bassisten und Multiinstrumentalisten Pekka Pohjola, den Jazzrock-Gitarristen Jukka Tolonen mit seiner Band Tassavalan Presidentti (gegründet 1969), die Weltmusikgruppe Piirpauke (gegründet 1974), die punkigen Garagen-Rocker der ersten Stunde 22 Piste Pirkko (gegründet 1980), die Power-Metal-Band Stratovarius (gegründet 1984), die Metal-Crossover-Band Waltari (gegründet 1986) und erratische Nationalhelden wie den Multikreativ-Künstler M.A. Numminen (Filmemacher, Entertainer, Buchautor, Tango-Fan, Dadaist, Humorist, Komponist und Sänger („der finnische Helge Schneider“, Albumtitel: „DÄGÄ DÄGÄ Finnwelten“, Kernsatz: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“), der weise Sänger Väinämöinen, eine mythische Sagengestalt aus dem finnischen National-Epos Kalevala usw..
Und natürlich nicht zu vergessen: die finnischen Massenphänomene Tango und Dampfsauna, die jährliche Luftgitarren-Weltmeisterschaft im finnischen Oulu, die Handyweitwurf-Weltmeisterschaften in Savonlinna, die „Eukonkanto“-Weltmeisterschaft im Ehefrauentragen in Sonkajärvi, das altfinnische Ritual des „avantouinti“ (Baden im Eisloch) und weitere seltsame, skurrile und schräge Phänomene im nördlichsten Land der Europäischen Union. Gar nicht zu reden von den 180.000 Seen, den leidigen Mückenschwärmen, dem hohen Bildungsstand trotz verbreitetem Komasaufen.
In der aktuellen Pop-Literatur Finnlands sind fast alle Sparten vertreten: Krimis, Fantasy, Lyrik, Comics, Graphic Novels, Belletristik, Jugendbücher, Satire, außerdem finnische Spezialgebiete wie Brain Poetry, Finnish Weird, Finland Education, Digital Innovation, Spoken Word-Szene Finnland u.a..
Neben aktueller Pop/Rockmusik aus Finnland präsentiert der Kramladen Ausschnitte aus dem „Finnish Weird“-Roman „Finnisches Feuer“ von Johanna Sinnisalo und aus der schrägen Mörderjagd „Faule Finnen fangen keine Fische“ von Markku Ropponen. Außerdem werden Hörproben aus zwei aktuellen Szenebüchern vorgestellt. Zum einen: „Göttlich versumpft – Aus dem Tagebuch eines Saufkopfs“ von Juha Vuorinen, ein in der Form eines Tagebuchs erzählter wilder Mix aus Sex, Saufen und Selbstironie und zum anderen: „So Rot wie Blut“, ein Roman im Drogenmilieu der jungen Autorin Salla Simukka, die eine Hetzjagd zwischen Tod und Leben schildert, in die ihre Heldin, die 17-jährige Schülerin Lumikki hineingeschlittert ist.
Als zusätzliche Information hier noch drei aufschlussreiche Zitate aus dem Pressematerial der Frankfurter Buchmesse zum Gastland Finnland:
„Obwohl noch recht neu in Finnland, hat sich in den vergangenen Jahren eine vielfältige und
eigenständige Spoken Word/Performance Poesie Kultur herausgebildet. Die Bandbreite reicht
dabei von rhythmischer Dub/Rap-Poetry, wort- & klangspielerischer Poesie, bis zu einer
prosaisch-rauen Beatlyrik mit sozialen Themen. Anders als in Deutschland sind die Grenzen
zwischen Spoken Word/Performance Poesie und Buchkultur fließend. Die meisten Spoken
Word Dichter sind auch im Buchmarkt präsent.“
„Wer in Finnland ‚Fantasy‘ denkt, muss auch ‚Science-Fiction‘ sagen. Denn dort sind diese beiden literarischen Gattungen eng miteinander verwoben. Finnish Weird nennt sich die Fantasy-Literatur Finnlands, wo Genregrenzen verschwimmen und finnische Autoren ihrer Phantasie freien Lauf lassen, um seltsame und bizarre Geschichten zu erzählen. Finnish Weird ist eine Mischung aus phantastisch-surrealen Elementen, Entlehnungen der nordischen Mythologie gepaart mit beißendem Sarkasmus und einer Prise „Grusel“.“
„Das Programm steckt das Feld ab zwischen Anarchie und cleverer Distanz, zwischen intellektueller Widerständigkeit und emotionaler Hingabe, zwischen schwarzem Humor und poetischem Exzess. Wie vertraut uns einzelne Positionen finnischen Kunstschaffens auch sind – Kaurismäkis Filme, Paasilinnas Romane oder Tove Janssons Mumintrolle – eine Restfremdheit bleibt immer.“
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