Erstsendung 27.09.2012
1962, das Jahr als alles begann
Es ist sicher nicht übertrieben, zu behaupten, dass vor 50 Jahren, also im Jahre 1962, vieles, wenn nicht sogar alles (in Bezug auf die Beatles), begann, was die Popmusik verändert und bis heute geprägt hat.
Am 5. Oktober 1962 erschien die erste Single der Beatles „Love Me Do“ mit der Rückseite „P.S. I Love You“, zwar noch kein Welthit, aber die erste Ankündigung einer Pop-Explosion, die in den Folgejahren die Welt, nicht nur des Pop, verändern sollte. In den USA wurde der Niedergang des Rock’n’Roll beschleunigt durch das Aufkommen von Twist, Soul und Folk. Elvis feierte 1962 zwar nochmals Hitparaden-Triumphe mit „Return To Sender“ und „Good Luck Charme“, doch der Sinkflug seines Sterns war danach nicht mehr aufzuhalten. Schon zwei (bzw. drei) Jahre zuvor waren die vielversprechenden Sänger und Songschreiber Buddy Holly und Eddie Cochran ums Leben gekommen, Chuck Berry saß 1962 im Gefängnis, Jerry Lee Lewis hatte sich selbst ins Abseits manövriert durch seine Ehe mit seiner 13-jährigen Cousine, Little Richard wollte lieber Baptisten-Prediger als Rock’n’Roll-Sänger sein und der einflussreiche, aber korrupte Rock’n’Roll-DJ Alan Freed hatte die ganze Branche durch den Payola-Bestechungsskandal in Verruf gebracht und damit auch das Image des Rock’n’Roll beschädigt. Die gesamte Szene schien im Jahr des Umbruchs 1962 auf etwas Neues zu warten.
Der im Jahr zuvor vereidigte junge Präsident der USA, John F. Kennedy, löste eine Aufbruch-Stimmung aus, die auch die Jugendszene erfasste. Die Bürgerrechtsbewegung fand großen Zulauf, inspiriert von der moralischen Instanz Martin Luther King. In einer New Yorker Folk-Kneipe schrieb Bob Dylan im April 1962 seinen berühmten Song „Blowin’ In The Wind“, der zu einer der Bürgerrechtshymnen aufsteigen sollten. Dylans Debütalbum erschien im März 1962, blieb aber ein Ladenhüter. Die pazifistische „Ban-the Bomb“-Bewegung fand breite Unterstützung in ihrem Kampf gegen die Atombombe. Das Kingston Trio machte Pete Seegers Antikriegslied “Where Have All The Flowers Gone” populär und Peter, Paul & Mary sorgten mit ihrem Debüt-Album im Mai 1962 für den ersten Nummer-1-Hit der Folkszene in den US-Billboard-Charts. Im September kam das erste Album der Beach Boys „Surfin’ Safari“ auf den Markt und Leonard Bernsteins Musical „West Side Story“ feierte weltweit Erfolge mit den Songs „Maria“ und „Tonight“. Herbie Hancock veröffentlichte seinen bekannten Jazzstandard „Watermelon Man“ im Album „Takin’ Off“ und Antonio Carlos Jobim komponierte 1962 „The Girl From Ipanema“, machte damit die Bossa Nova international bekannt und legte den Grundstein für die Entwicklung des Latin-Pop und der Weltmusik.
In England ging 1962 der Skiffle-Boom zu Ende und parallel entwickelte sich die britische Blues-Szene mit den wachsenden Aktivitäten einflussreicher Musiker wie Alexis Korner, John Mayall, Cyril Davies und Graham Bond. Die Rolling Stones gaben ihr erstes Konzert am 12. Juli 1962, Eric Burdon und Alan Price gründeten die Animals. Gleichzeitig errang der Mersey-Beat in Liverpool erste überregionale Aufmerksamkeit mit Bands wie Gerry and The Pacemakers, The Searchers und – allen voran- The Beatles.
Aus Anlass des 50-jährigen Plattenjubiläums der Beatles blickt der Kramladen zurück ins ereignisreiche, popkulturell wichtige Jahr 1962. Zu hören sind neben den Beatles und den bereits genannten Titeln unter anderem Songs wie „Dream Baby“ von Roy Orbison, „Sheila“ von Tommy Roe, „Green Onions“ von Booker T. & The MG’s, „Twist and Shout“ von den Isley Brothers, „The Young Ones“ von Cliff Richard & The Shadows, „Telstar” von The Tornados, „The Loco-Motion“ von Little Eva und „Big Girls Don’t Cry“ von The Four Seasons. Dagegen wird der deutsche Tophit des Jahres 1962 „Tanze mit mir in den Morgen“ von Gerhard Wendland eher nicht zu hören sein. Obwohl, was ist falsch an der Aufforderung „Tanze mit mir in das Glück“? Und wer wollte das nicht: „In deinen Armen zu träumen, ist so schön bei verliebter Musik“.
Hoch interessant ist allerdings der Nr.1-Hit in Deutschland im Mai 1962. Von einem Eifersuchtsmord handelt der Text und die Musik verbreitet eine südeuropäische Atmosphäre mit orientalischen Anklängen. Der Refrain klingt angesichts der Schuldenkrise, der Trockenheit und Waldbrandgefahr in Südeuropa geradezu aktuell: „Heißer Sand und ein verlorenes Land und ein Leben in Gefahr. Heißer Sand und die Erinnerung daran, dass es einmal schöner war.“
Playlist der Sendung vom 27.09.2012
Artist Track Album Label
1. L. Shankar Darlene (Kramladen-Themamusik) Touch Me There Zappa Records
2. The Isley Brothers Twist And Shout Twist And Shout Repertoire Records
3. The Beatles Love Me Do Please Please Me Parlophone, EMI, Apple
4. Beach Boys Surfin’ Safari Surfin’ Safari Capitol
5. The Tornados Telstar Telstar Decca
6. Tommy Roe Sheila Greatest Hits Philips
7. The Kingston Trio Where Have All The Flowers Gone The Best Of Decca
8. Peter Paul & Mary If I Had A Hammer Peter Paul & Mary Warner Bros.
9. Bob Dylan Blowin’ In The Wind Dylan Columbia, Sony
10. Bobby Pickett & The Crypt Kickers Monster Mash Monster Mash Garpax
11. Booker T. & The MG’s Green Onions Green Onions download
12. Elvis Presley Return To Sender Elvis The King RCA Sony BMG
13. Nina Heißer Sand (Akzent)
14. The Four Seasons Big Girls Don’t Cry Big Girls Don’t Cry Vee-Jay Records
15. Cliff Richard & The Shadows The Young Ones 40 Jahre 40 Hits EMI Electrola
16. Roy Orbison Dream Baby The Very Best Of Sony BMG
17. Little Eva The Loco-Motion Rare Trax MBH Music
18. The Shadows Wonderful Land (Hintergrundmusik) The Final Tour Eagle Records
1962 – das Jahr, in dem alles begann