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Bluegrass

22.12.2022 / 10:0011:00

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Das Blaugras-Wunder

Erstsendung: 11.10.2012

 

Das Blaugras-Wunder – Punch Brothers & Co

Vor den bösen Mandolinen und gefährlichen Banjos der Blaugrasmusik hat er gewarnt. Sie hätten sein Leben zerstört, sein Hirn vollgepustet mit Sehnsüchten, Obsessionen und Schreckensfantasien von beißwütigen Wasserschildkröten. Die Blaugrasmusik sei Schuld daran, dass er zu einem Monstrum mutiert sei, schrieb der 2001 verstorbene US-amerikanische Gitarrist John Fahey in seinem Buch „How Bluegrass Music Destroyed My Life“, dessen deutsche Übersetzung von Karl Bruckmaier unter dem Titel „Blaugrasmusik“ erschien.

Ist die US-amerikanische Bluegrass-Music nicht so eine Art von hinterwäldlerischer Folklore aus den Appalachen, die von harmlosen Hillbillys hinterm Ofen oder zum Ringelreihen-Tanz gespielt wird? Wie sollte diese traditionelle Langweilermusik das Leben eines John Fahey zerstören? Oder ist das von John Fahey alles nur spaßig bis ironisch gemeint? Schließlich ist sein Buch voll von schrägen, versponnenen und witzigen Geschichten.

Und gibt es nicht inzwischen längst progressive Bluegrass-Musiker, deren Mandolinen und Banjos tatsächlich nach gefährlicher Attacke klingen, nach Angriff gegen alle Klischees, die dem Bluegrass angedichtet wurden? Die gibt es allerdings. Alles was man bisher über den Bluegrass-Stil zu wissen glaubte, schmeißen die Punch Brothers grandios über den Haufen. Das Quintett aus Brooklyn definiert das Idiom American Folk auf wundersame Weise neu. Ganz in der Tradition des in den 1930er Jahren entstandenen Bluegrass spielen die fünf hervorragenden Instrumentalisten rein akustische Instrumente (Mandoline, Banjo, Gitarre, Bass und Violine) und verzichten gänzlich auf ein Schlagzeug. Den rhythmischen Punch lassen die Punch Brothers dennoch nicht vermissen. Für den Groove sind alle Bandmitglieder verantwortlich, vor allem Mandoline und Banjo. Stilistisch lassen sich die Punch Brothers nicht einengen. Ausgehend von der Bluegrass-Basis spielen sie mit Indierock-Elementen, liebäugeln mit Klassik, wagen auch mal mutige Klangexperimente und kreuzen gerne durch gängige Popgefilde. Auf ihrem aktuellen dritten Album „Who’s Feeling Young Now“ covern sie bezeichnenderweise den Radiohead-Titel „Kid A“ – auf höchst eigene Weise versteht sich. Ihre zehn selbstgeschriebenen Songs des Albums zeichnen sich durch Originalität und exzellentes Songwriting aus. Doch das größte Plus der Punch Brothers ist deren atemberaubende handwerkliche Könnerschaft, die Brillanz im Zusammenspiel und der Abwechslungsreichtum in den Arrangements. Im Mittelpunkt der Band steht der virtuose Mandolinen-Spieler und Sänger Chris Thile, der schon mit 20 Jahren seiner ersten Band vorstand: der wegweisenden Newgrass-Band Nickel Creek. Mit seiner Band Punch Brothers hat er den ländlichen Bluegrass zu einer urbanen Kunstform veredelt.

Ende Oktober kommen die Punch Brothers für drei Konzerte nach Deutschland (22.10. Köln, 23.10. Berlin, 24.10. Hamburg), und zwar gemeinsam mit der Neo-Folkband Carolina Chocolate Drops aus North Carolina. Das ebenfalls nur mit akustischen Instrumenten musizierende Quartett um die Sängerin und Banjo-Spielerin Rhiannon Giddens orientiert sich an Folk-Blues und Country-Roots der 1920er und 1930er Jahre, spielt diese Songs und Themen aus der uramerikanischen Vergangenheit aber auf erfrischende Weise in einer entstaubten, neuen Interpretation, die Stilelemente aus Gospel, Jazz, Soul, Pop und HipHop aufgreift. „Fresh Grooves statt musealem Nostalgia-Muff: Oldschool-Banjos und Mandolinen treffen auf catchy Popmelodien, stolzes Südstaaten-Erbe auf entspannte Eastcoast-Skills, Prärie-Stimmung auf die Generation iPod“, so lässt sich die Band Carolina Chocolate Drops selbst beschreiben.

Im November tourt das Festival Bluegrass Jamboree mit drei US-amerikanischen Bluegrass- und Americana-Bands durch Deutschland und wird in 18 Städten zwischen Kassel und Kempten gastieren.

Der Kramladen beschäftigt sich in dieser Ausgabe mit der lebendigen und äußerst kreativen Bluegrass- und Newgrass-Szene und feiert vor allem die fantastische Progressive Bluegrass-Band Punch Brothers, die man wirklich gehört haben muss.

 

Playlist

Artist   Track  Album Label  Zeitplan

  1. L. Shankar Darlene (Kramladen-Themamusik)           Touch Me There       Zappa Records        00:18
  2. Punch Brothers New York City           Who’s Feeling Young Now  nonesuch       01:42
  3. Larkin Poe Play On          Thick As Thieves      download       07:05
  4. The Lovell Sisters Time To Grow           Time To Grow           2DefPigs Records   13:17
  5. Punch Brothers Kid A  Who’s Feeling Young Now  nonesuch       19:22
  6. Punch Brothers Movement And Location     Who’s Feeling Young Now  nonesuch       22:08
  7. Nickel Creek Out Of The Woods Nickel Creek Sugar Hill       27:45
  8. Alison Krauss & Union Station My Love Follows You Where You Go        Paper Airplane            Rounder         34:50
  9. Punch Brothers Who’s Feeling Young Now  Who’s Feeling Young Now  nonesuch       41:39
  10. Carolina Chocolate Drops Country Girl   Leaving Eden           nonesuch       47:34
  11. Punch Brothers Hundred Dollars       Who’s Feeling Young Now  nonesuch       52:06
  12. Bearfoot Billy / Tell M A Story American Story         Compass records    57:01
  13. Nickel Creek Pastures New

(Hintergrundmusik)   Nickel Creek Sugar Hill       Unter jeder Mod.

 

Details

Datum:
22.12.2022
Zeit:
10:00 – 11:00
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