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No Nukes

09.12.2022 / 03:0004:00

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No Nukes – zur Geschichte der Anti-Atom-Songs

Erstsendung: 17.03.2011

 

Seit in Fukushima die Atommeiler reihenweise explodiert sind, ist das Ende des AKW-Zeitalters eingeläutet. In Demokratien mit kritischer Presse und gut informierter Öffentlichkeit wird nach der Katastrophe in Japan das sogenannte Restrisiko einer letztlich nicht beherrschbaren Technologie nicht länger hingenommen werden. Als hätte es noch eines letzten Beweises bedurft, haben das Erdbeben und der Tsunami auf verheerende Weise klargemacht: die Natur hält sich nicht an willkürliche Sicherheitsregeln.

Die Skepsis bis Ablehnung der Atomkraft gegenüber hat in der Pop- und Rockmusik eine lange Tradition. Das umfangreiche Songbuch der Anti-Atom-Protestlieder ist ein wichtiger Bestandteil einer 50-jährigen Protestkultur. Das reicht vom Song über den atomaren Fall-out „What Have They Done To The Rain” von Malvina Reynolds aus dem Jahre 1962 bis zu dem aktuellen Atom-Rap „Wir kommen mit Fakten” der HipHop-Gruppe Boten der Kultur aus Saarbrücken. Kaum ein gesellschaftskritischer Songschreiber, von Bob Dylan bis Bono, der nicht das Thema der atomaren Bedrohung musikalisch aufgegriffen hätte. Und selbst von Bands, von denen man es nicht erwartet hätte, kamen eindeutig kritische Stellungnahmen. „Ich hab’ den Harrisburg-Blues”, sang David Clayton Thomas, Frontman der US-Jazzrockband Blood Sweat & Tears 1980 im “Nuclear Blues”: “Was glaubst du, wohin die Welt treibt, was meinst du, was der Mensch noch tut? Ich hab’ den Blues, den Kann-nichts-tun-Paranoia-Nuklear-Blues”. Und die Band CCR verbreitete Endzeitstimmung in ihrem textlichen Menetekel-Song „Bad Moon Rising” von 1985. Der Text sprach von Erdbeben, Überschwemmungen, entfesselten Naturgewalten und Visionen des Schreckens unter einem bösartigen Mond.

Angesichts der nuklearen Katastrophe von Fukushima hat die deutsch-französische Symphonic Rockband Eclipsed Sol-Air soeben einen Benefiz-Song veröffentlicht. Der Bandleader und Songschreiber der Gruppe, Philippe Matic-Arnauld de Lion, wurde vor 25 Jahren, am Tag des Super-GAU von Tschernobyl geboren. Diese Koinzidenz inspirierte ihn zu dem „Reactor Song”, dessen Verkaufserlöse an die Strahlenopfer von Fukushima gespendet werden sollen. War Tschernobyl schon ein großes Thema in der Pop/Rockmusik gewesen, nicht nur im gleichnamigen Song von Wolf Maahn, so wird sich erst recht das Nuklear-Desaster von Fukushima in künftigen Songs niederschlagen.

Als hätte sie die Flucht vor atomarer Strahlung, wie jetzt aus japanischen Städten berichtet wird, vorausgeahnt, sang schon 2008 die österreichische „Laptop-Liedermacherin” Eva Jantschitsch, die ihr Elektropop-Projekt Gustav nennt, zum Rhythmus eines tickenden Geigerzählers „Verlasse die Stadt”. David Crosby und Graham Nash nahmen sich 2004 auf sarkastische Weise dem weltweit ungelösten Thema der Endlagerung radioaktiver Abfälle an. Sie griffen eine wahre Geschichte auf, nach der eine Schürfgesellschaft ausgerechnet in einem Berg buddeln wollte, in dem vor langer Zeit radioaktiver Müll vergraben worden war. Deshalb der sarkastische Refrain: „Don’t Dig Here”.

Die britische Neo-Progrockband Arena veröffentlichte 2003 einen Song, der eine bedrückende aktuelle Brisanz formuliert. In deren Song „Tsunami” heißt es im Text: „Eine Riesenwelle rast durch die Dunkelheit. Die Gischt schlägt tiefe Wunden in die Küste. Es gibt kein Entrinnen, kein Verstecken, kein Weglaufen.” Der Begriff Tsunami steht in diesem Song auch als Metapher für eine nahende Umweltkatastrophe, die von der Menschheit selbst ausgelöst wurde. Die todbringende Tsunami-Welle habe ihren Ursprung in den Köpfen, im Bewusstsein der Menschen.

Und wie zu jedem Menschheitsdrama, so auch zur japanischen Atom-Katastrophe, liefert der Sting-Songklassiker „Fragile” Trost und ist zugleich auch Mahnung: „Unaufhörlich wird der Regen fallen / Wie Tränen von einem Stern / Unaufhörlich wird der Regen uns sagen / Wie zerbrechlich wir sind.”

 

Playlist zur Sendung “No Nukes” vom 17.03.11

 

Artist / Track / Album / Label  / Zeitplan (im Sendungsablauf)

  1. L. Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik) / Touch Me There / Zappa Records 00:19
  2. Rainer Von Vielen / Die Wahrheit ist ein Virus / Live @ Bavarian Open / Ebensomusik/ Pate records 02:31
  3. Blood Sweat & Tears / Nuclear Blues / Nuclear Blues / Far Out Productions 09:58
  4. Nummer 3 / Das Atomkraftwerk / Nummer 3 / download 16:06
  5. Wolf Maahn und Unterstützung / Tschernobyl (Das letzte Signal) / WAAhnsinn / EMI 20:05
  6. The Searchers / What Have They Done To The Rain / All The Hits … And More / EMI 30:37
  7. Peter Gabriel / Red Rain / So / Realworld / Virgin 35:05
  8. James Taylor, Carly Simon & Graham Nash / The Times They Are A-Changing / No Nukes / Asylum / WEA 39:06
  9. Creedence Clearwater Revisited / Bad Moon Rising / Recollection /SPV 43:21
  10. Boten der Kultur / Wir kommen mit Fakten / Boten der Kultur / download 46:55
  11. Eclipsed Sol-Air / Reactor Song / Eclipsed Sol-Air / download 53:06
  12. Arena / Tsunami / Contagion / Verglas /SPV 58:00

 

“P.S.: Der beste Leserbrief der letzten zehn Jahre aus dem SPIEGEL geht so: “Majak, Sellafield, Harrisburg, Tschernobyl, Forsmark, Fukushima. Nach mathematischen Berechnungen von Atomexperten kann ein ernst zu nehmender Unfall höchstens alle 100 000 Jahre geschehen… Da sieht man mal, wie schnell die Zeit vergeht” Kurt Lennartz aus Aachen” (Danke Anja für dieses Post Scriptum)

Details

Datum:
09.12.2022
Zeit:
03:00 – 04:00
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