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Woody Guthrie

06.12.2022 / 17:0018:00

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Seine Gitarre zielte auf die Faschisten
Erstsendung: 05.10.2017

Zum 50. Todestag der Folksong-Ikone Woody Guthrie

Welch solidarische Kraft und hymnische Ausstrahlung ein Song von Woody Guthrie haben kann, das demonstrierte die Zeremonie zur Amtseinführung von US-Präsident Obama im Januar 2009. Pete Seeger und Bruce Springsteen sangen gemeinsam mit einem hunderttausendfachen Chor von begeisterten Menschen die alternative US-Nationalhymne „This Land Is Your Land”, die Woody Guthrie schon 1940 geschrieben hatte. Der Song wird selbst von den rechtskonservativen Tea-Party-Anhängern als patriotische Hymne geschätzt, obwohl der Songtext von Woody Guthrie gesellschaftskritisch gemeint war. Die Frage am Ende des (meist verkürzt gesungenen) Originaltextes ist unmissverständlich: angesichts des Reichtums hinter den Mauern des Privatbesitzes auf der einen und verarmter, hungernder Landsleute auf der anderen Seite wird die Frage stellt, ob dieses Land tatsächlich jedem gehört. Kein Wunder, dass die 2011 ins Leben gerufene Occupy-Bewegung bei ihren Demonstrationen gegen den Raubtierkapitalismus „This Land Is Your Land” als Protestsong nutzte.

Woody Guthrie war überzeugter Sozialist und glühender Verfechter der Gewerkschaftsbewegung, engagierte sich für die kommunistische Partei, die ihn allerdings nicht als Parteimitglied aufnahm, weil er seiner religiösen Einstellung nicht abschwören wollte. Dennoch schrieb er regelmäßig pointierte Kolumnen für eine kommunistische Zeitung. Irritierenderweise bekannte er sich zum Stalinismus der Sowjetunion und verurteilte nie die Gräueltaten des Stalin-Regimes. Woody Guthrie war sich mit dem Stalinismus einig im radikalen Kampf gegen den Faschismus. Auf seiner Gitarre hatte er den Schriftzug angebracht „This Machine Kills Fascists”. 1941 schrieb er unter anderen den antifaschistischen Song „Talking Hitler’s Head Off Blues”.

„Weder war es eine Maschine, noch mordete es Faschisten”, schrieb der Musikkritiker Greil Marcus später. „Es ließ Guthrie und die Leute, die ihm zuhörten, sich nobel vorkommen. Ich will nicht sagen, er sei nicht gegen den Faschismus gewesen, aber zu sagen, dass sich dieser durch das Singen von Songs besiegen ließe, hilft dem Krieg gegen den Faschismus wahrlich nicht.”

Über 3000 Lieder soll es von Woody Guthrie geben, viele von ihm gesammelt und bearbeitet, die meisten von ihm komplett selbst geschrieben und immer wieder verändert und aktualisiert. Als Wanderarbeiter, fahrender Sänger und Vagabund war er in den 1930er Jahren durch Amerika unterwegs und entwickelte sich zum wichtigsten musikalischen Geschichtensammler, Chronisten und Songschreiber der USA jener Zeit. Mit dem damals 22-jährigen Pete Seeger, der später die zweite Vaterfigur des US-amerikanischen Folksongs werden sollte, gründete er 1941 das politische Musiker-Kollektiv Almanac Singers, dessen tonangebender Songschreiber Woody Guthrie war.

Seine Musik gilt als Keimzelle des Americana-Sounds: mit Elementen aus Volksliedern der europäischen Siedler, den Hillbilly-Klängen der ländlichen „Hinterwäldler” aus den Appalachen und dem afroamerikanischen Blues – getragen vom rhythmischen Stampfen der Überland-Eisenbahnen. „Woody Guthrie selbst behauptete allerdings, er habe das Quietschen der Betten verarbeitet, das er Nacht für Nacht hörte, als sein Vater Manager eines Cot House für Ölarbeiter war, in dessen Obergeschoss sich ein Bordell befand” (Bodo Mrozek).

Zu seinen wichtigsten Song-Zyklen zählen die „Dust Bowl Ballads”, geschrieben über die Folgen des verheerenden Sandsturms, der 1935 über den Süden der USA hinwegfegte und tausende Existenzen zerstörte. Im Song „Tom Joad” nahm Guthrie Bezug auf die gleichnamige Romanfigur aus John Steinbecks „Früchte des Zorns” über das Schicksal der verarmten Farmer in den „Dust Bowl”-Landstrichen von Oklahoma und Arkansas, die in Folge der „Großen Depression” und der Dürrejahre zu Tausenden über die Route 66 nach Kalifornien flüchteten.

„Er singt die Lieder des Volkes”, sagte Literaturnobelpreisträger John Steinbeck über Guthrie, „und ich habe den Verdacht, er ist irgendwie dieses Volk. Woody hat nichts Liebliches an sich, auch seine Lieder nicht. Doch diejenigen, die ihm zuhören, werden etwas viel Wichtigeres darin finden: den Willen des Volkes, der Unterdrückung standzuhalten und gegen sie zu kämpfen. Dies ist, glaube ich, was wir mit American Spirit meinen.”

„Er habe, so heißt es allenthalben, mit seiner Musik stets jenen eine Stimme verliehen, die keine hatten: den Armen, den Land- und Machtlosen, den Flüchtlingen, den Diskriminierten, den Ausgebeuteten, den von der Gesellschaft Ausgemusterten. Denn die anderen wurden ja bereits gehört: die Konzernherren, die Besitzenden, die Einverstandenen, die Angepassten, die Mitmacher. Die Kennzeichen seiner Musik waren ihre Einfachheit und ihre Absicht, die soziale Realität abzubilden und das in ihr Vorgefundene nicht zu beschönigen”, schrieb der Musikjournalist Thomas Blum.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Robert Kennedy nannte Woody Guthrie „einen der edelsten und authentischsten Künstler, die unsere Nation je hervorgebracht hat”.

Nach schwerer Krankheit starb Woody Guthrie im Alter von 55 Jahren am 3. Oktober 1967 an den Folgen der von seiner Mutter geerbten, bis heute unheilbaren Nervenkrankheit Chorea Huntington. Sein Einfluss auf unzählige Musiker von Bob Dylan bis Billy Bragg, von Bruce Springsteen bis Tom Morello kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dylan bezeichnete Guthries Autobiografie „Bound To Glory” als „das erste literarische Dokument der sogenannten Beat-Generation”. Woody Guthries Sohn Arlo entwickelte sich zu einem eigenständigen und hoch geschätzten Songschreiber und Sänger. Woodys Tochter Norah verwaltet sein musikalisches und schriftstellerisches Erbe.

Zum 50. Todestag erschien bei Bear Family eine umfangreiche Box mit der Dokumentation der beiden Tribute- und Benefizkonzerte zu Ehren von Woody Guthrie, die in den Jahren 1968 und 1970 die Größen der damaligen Folk/Folkrock-Szene versammelten, darunter Bob Dylan, Richie Havens, Country Joe McDonald. Joan Baez, Judy Collins, Pete Seeger, Arlo Guthrie u.a.. Ausschnitte aus der 3-CD-Box werden in diesem Kramladen zu hören sein.

Im Text des Woody Guthrie-Songs „Pastures of Plenty” von 1941 heißt es: „Wenn es sein muss, werde ich mein Land mit meinem Leben verteidigen / denn meine fruchtbaren Weiden werden immer frei sein”.

Playlist

Artist Track Album Label Zeitplan
1. L. Shankar Darlene (Kramladen-Themamusik) Touch Me There Zappa Records 00:23
2. Bruce Springsteen Vigilante Man Folkways: A Vision Shared Columbia Records 02:29
3. Woody Guthrie, Joan Baez, Pete Seeger, Bruce Springsteen u.a. This Land Is Your Land (Montage) diverse diverse 09:27
4. Woody Guthrie All You Fascists Bound To Lose Poor Boy Pläne 16:45
5. Null Device All You Fascists Bound To Lose „All You Fascists Bound To Lose“ download 18:18
6. Billy Bragg & Wilco All You Fascists Mermaid Avenue II Elektra (2000) 19:43
7. Billy Bragg & Wilco Hesitating Beauty Mermaid Avenue Elektra (1998) 24:31
8. Billy Bragg & Wilco Way Over Yonder In The Minor Key Mermaid Avenue Elektra (1998) 29:14
9. Will Geer I Hate A Song (Narration) A Tribute To Woody Guthrie Bear Family 34:38
10. Arlo Guthrie Jesus Christ The Tribute Concerts Bear Family 36:27
11. Bob Dylan Last Thoughts On Woody Guthrie The Tribute Concerts Bear Family 41:37
12. Bob Dylan I Ain’t Got No Home The Tribute Concerts Bear Family 45:48
13. Woody Guthrie I Ain’t Got No Home Hard Travelin’ The Asch Recordings Vol. 3 Smithsonian Folkways 50:21
14. Richie Havens 900 Miles The Tribute Concerts Bear Family 53:21
15. Jonatha Brooks You’d Oughta Be Satisfied Now The Works Bad Dog Records 57:57

Audio:

Details

Datum:
06.12.2022
Zeit:
17:00 – 18:00
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