Der Tag der deutschen Pop-Künstler – 24 Stunden lang
NDE – neue deutsche Elektronik
Klaus Schulze (* 4. August 1947 in Berlin; † 26. April 2022)
Erstsendung: 28.02.2013
Ankündigungstext zu meiner damaligen Sendung vom 28. Februar 2013 (unverändert übernommen):
Eigentlich steht er für die alte Garde deutscher Elektronik, aber das Etikett „Elektronik-Pionier” hört er nicht so gerne. Das klingt für ihn zu sehr nach „Pfadfinderlager”. Klaus Schulze, die graue Eminenz der deutschen Elektronik, Techno-Vorläufer und Vaterfigur der elektronischen Chill-out- und Ambient-Dance-Szene hat soeben sein neues Album „Shadowlands” veröffentlicht. Vor 40 Jahren trat er zum ersten Mal als Solist in Erscheinung. Zuvor war er Schlagzeuger bei Tangerine Dream und Mitbegründer der Berliner Elektronik-Gruppe Ash Ra Temple.
Wie viele Soloalben der heute 65-jährige „überragende Komponist elektronischer Musik” (Record World) inzwischen veröffentlicht hat, weiß er selbst nicht zu sagen. Nach 200 hat er aufgehört zu zählen. Gemessen an der imposant großen Zahl von Veröffentlichungen – es könnten auch bis zu 500 sein – ist die Anzahl der einzelnen Titel auf seinen Alben relativ überschaubar. Auch das neue Album „Shadowlands” weist nur drei Tracks auf, alleine der Opener „Shadowlights” ist stolze 41 Minuten lang. Zur epischen Länge aller seiner Stücke bemerkt er verschmitzt, kurz fassen könne er sich einfach nicht. Und er wolle das auch nicht. Weil es dafür keine guten Gründe gäbe. Die Formatradios mit ihren 4-Minuten-Limits sehen das natürlich anders. Aber die Musik von Klaus Schulze ist vom Dogma des Formatradio noch weiter entfernt als vom angesagten Mainstream-Pop.
Die schwebenden Klangflächen seines neuen Albums „Shadowlands” oszillieren durch offene Harmonieschichtungen, die sich entschleunigt entfalten und von perkussiven Grooves grundiert werden. Ab und an tauchen, harmonisch eingewoben in die elektronische Textur, solistische Motive auf, mal sind es ausschweifende Improvisationen des spirituellen Geigers Thomas Kagermann, mal vokale Einwürfe der australischen Sängerin Lisa Gerrard, die man von Dead Can Dance her kennt. (Mit ihr hatte er 2008 das Doppelalbum „Farscape” veröffentlicht.) Auch die australische Chill-out-Produzentin und Sängerin Julia Messenger ist genauso beteiligt, wie die US-Sängerin Chrysta Bell, die durch ihre Zusammenarbeit mit Kultregisseur David Lynch bekannt wurde. Doch die vokalen Beiträge der drei Sängerinnen sind eher verzierendes Beiwerk als inhaltlich prägender Einfluss.
Der Violinist Kagermann ist auch Mitwirkender am neuen Album „Raumwerk” des Kölner Elektronik/Ambientpop-Duos Art Of Infinity. Als ein weiterer Gastmusiker ist übrigens auch der ehemalige BAP-Gitarrist Klaus Major Heuser zu hören, und zwar im außergewöhnlichen Titel „Glasufo”, bei dem auch Thomas Kagermann Violine spielt.
Der sprechende Albumtitel „Raumwerk” löst natürlich Assoziationen zu Kraftwerk aus – genauso wie die Titelüberschriften „Raum und Zeit”, „Weltraum”, „Traumraum” oder „Elektrischer Mann”. Auch der deutschsprachige Sprechgesang befördert die Vorstellung von thematischen Parallelen zu Kraftwerk. Von einer Kopie der Düsseldorfer Elektropop-Pioniere kann allerdings keine Rede sein. „Wir haben unsere Produktionsweise mit Zutaten aus Elektronik, Artrock und Pop weiterentwickelt”, sagt Thorsten Sudler-Mainz von Art Of Infinity. Vom Klangdesign her hat die Musik des neuen Albums „Raumwerk” tatsächlich mehr Nähe zu Pink Floyd als zu Kraftwerk.
Der ehemalige Kraftwerk-Musiker Karl Bartos kündigt derweil sein neues Album „Off The Record” an, das Mitte März veröffentlicht wird. Zwei Singles sind bereits vorab erschienen, zum einen der gänzlich im Kraftwerk-Sound gehaltene Track „Atomium” und zum anderen das melodisch sich an den Billig-Elektropop anbiedernde Stück „Without A Trace Of Emotion”.
Rundherum gelungen ist dagegen das neue Album „Psychoanorexia” von t alias Thomas Thielen. Auch wenn „The Aftermath of Silence”, der zentrale Titel des Albums, nur am Rande mit Elektronik zu tun hat, passt ein Ausschnitt aus diesem 18 Minuten langen Epos stimmig in diese Kramladen-Stunde mit neuer elektronischer Musik aus Deutschland. (.. hätte gepasst, war aber zeitlich in der Sendung nicht mehr unterzubringen und wird verschoben auf die Kramladen-Sendung am 28.03.13)
Playlist zur Kramladensendung am 28.02.13 Artist / Track / Album / Label / Zeitplan
Audio: